T. Bechert: Kreta in römischer Zeit

Cover
Titel
Kreta in römischer Zeit.


Autor(en)
Bechert, Tilmann
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie. Sonderbände der Antiken Welt
Erschienen
Mainz am Rhein 2011: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
112 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Link, Historisches Institut, Universität Paderborn

Der Archäologie und Geschichte des römischen Kreta widmet sich der vorliegende Band aus der Reihe „Zaberns Bildbände zur Archäologie“ von Tilman Bechert. Im Anschluss an eine Einführung zur Forschungsgeschichte und den geographisch-klimatischen Gegebenheiten erzählt Bechert in flüssiger, leichtverständlicher Form und chronologischer Ordnung die Geschichte Kretas in drei sehr verschieden großen Abschnitten: in der vorrömischen Zeit vom 3. bis zum 1. Jahrhundert v.Chr. (auf 14 Seiten), der Zeit von der späten Republik bis ins 3. Jahrhundert n.Chr. (auf 56 Seiten) und der spätrömisch-byzantinischen Zeit bis ins 9. Jahrhundert n.Chr. (auf 15 Seiten). Im einzelnen widmet er sich so unterschiedlichen Aspekten wie dem vorrömischen Gesellschaftssystem sowie dem kretischen Söldner- und Piratenwesen, dann der römischen Herrschaft und Verwaltung, dem Straßenbau und der Wasserversorgung, der römisch-städtischen Kultur und dem Leben auf dem Land, Wirtschaft und Handel, den Göttern, Heiligtümern und Grabbauten aus römischer Zeit sowie den allgemeinen Lebensbedingungen und dem beginnenden Christentum der Spätantike. Die Darlegungen sind, wie es dem Stil der Reihe entspricht, durchweg präsentativ, nicht argumentativ. Ein geographisches Register – praktischerweise mit Angabe der Betonungen –, ein Sachregister und eine nicht ganz fehlerfreie, aber recht umfassende, nach Sachgruppen geordnete, hilfreiche Bibliographie beschließen das Werk.

Getragen wird das Buch von der mehrfach betonten und tatsächlich spürbaren Zuneigung des Verfassers zu seinem Gegenstand, der Insel Kreta und ihren Bewohnern. In liebevoller Zuwendung zu seinem Thema stellt er modernen Text und antike Zitate, Schemazeichnungen, Karten und Pläne sowie insbesondere die zahlreichen Bilder zueinander, um sie miteinander zu einem großen Ganzen zu verbinden – ein Bemühen, das die Lektüre auch dann zu einem bereichernden Erlebnis werden lässt, wenn Schwächen bei der Umsetzung dieses Konzepts doch mehr als einmal deutlich hervortreten. Diese Kritik betrifft sowohl die inhaltliche Ausgestaltung als auch das äußere Arrangement. Inhaltlich wird man etwa monieren wollen, dass Bechert nach Ausweis des Vorworts überhaupt kein griechisches Kreta kennt – auf das minoische, das ihm als Gegenstück dienen soll, folgt dort ganz unvermittelt das römische (S. 7). Und auch der erste chronologische Abschnitt „Das Ende einer Epoche (3.–1. Jh. v.Chr.)“ gerät in dem Bemühen, eine Vorgeschichte zum eigentlichen Thema, dem römischen Kreta, zu schaffen, zu einem ganz merkwürdigen mixtum compositum aus hocharchaischen Quellen (wie etwa dem Lied des Hybreas, S. 15), Texten aus spätarchaischer oder klassischer Zeit (wie etwa dem Gesetz von Gortyn aus dem 5. Jahrhundert v.Chr., S. 15–17, oder den Überlieferungen zu kretischen Olympioniken, S. 23) und Nachrichten aus hellenistischer Zeit (passim). Im Hauptteil, dessen Darstellung zwar ähnlich referierend, aber in sich selbst viel geschlossener ist, treten solche Missgriffe deutlich zurück, wenngleich Bechert auch hier nicht davon frei bleibt.1

Überhaupt ist es auch im Hauptteil und auf der Ebene des Arrangements nur teilweise gelungen, die offenbar angestrebte Einheitlichkeit zu schaffen. Beigegebene Quellenzitate – ohne inhaltlichen Zusammenhang neben Bilder oder Text gestellt2 – entfalten kaum einmal eine ornamentale Wirkung (wobei darauf hinzuweisen bleibt, dass Bechert die einschlägigen Quellenangaben im Text aufführt). Und auch die Bilder sind nur zum Teil gut in den Text integriert (besonders gut gelungen etwa auf S. 24 oder 30), während sie anderswo geradezu erratisch im Raum stehen (etwa S. 16f., Abb. 11–13). Überhaupt ist es zu bedauern, dass viele Bilder dieses Bandes nicht halten, was die Reihe als ganze verspricht: Neben ausgesprochen gelungenen Aufnahmen (wie etwa dem fotografisch schwer einzufangenden Asklepios-Heiligtum in Lisos, Abb. 80) finden sich in größerer Zahl Abbildungen, die gerade das Wesentliche, Prägnante nicht wiedergeben (wie etwa Abb. 64, wo das Fischbecken von Koutsounari einfach von der „falschen“ Seite her aufgenommen wurde; vgl. auch Abb. 12, auf die von S. 57 aus noch einmal verwiesen wird, die aber nichts von Lato zeigt, sowie Abb. 55), die verwaschen oder verpixelt erscheinen (Abb. 51 u. 92) oder die mit ihren ständig durchs Bild laufenden Personen eher an Exkursionsschnappschüsse als an Aufnahmen für einen Bildband dieser Reihe erinnern (vgl. etwa Abb. 44, 49, 84). Dass das Niveau eines Reisekatalogs nicht überschritten wird (vgl. etwa Abb. 8, 25 u. 41), bleibt glücklicherweise die Ausnahme, kommt aber ebenfalls vor; und zwar bisweilen auch im Text, der sich etwa ganz unverständlich zu der Frage nach der Anzahl der nichtchristlichen Mosaiken äußert (S. 74: „Gemessen an der Zahl der Städte, die es in der Kaiserzeit auf Kreta gab, sind es weniger als 15.“). „Harte“ Fehler – wie falsche Verweise (so zu Abb. 99, auf Abb. 9, nicht 6) oder Flächenangaben (S. 12) – sind selten und stören kaum.

Alles in allem und vor dem Hintergrund einer Forschungslandschaft, die durch das Fehlen eines Pendants gekennzeichnet ist, stellt Becherts Werk damit ein Hilfsmittel dar, zu dem man gerne greifen wird, um etwa die nächste Kreta-Exkursion vorzubereiten; der Gewinn, den man aus ihm zu ziehen vermag, dürfte deutlich oberhalb dessen liegen, was ein Reiseführer versprechen kann. Die inhaltliche Nähe des Werkes zu dieser Art von Literatur bleibt über weite, eher genremalerisch ausgelegte Textpassagen hinweg dennoch deutlich (etwa S. 10–12 oder 49), und in eine Reihe mit wirklichen Prachtbildbänden sollte man es wohl auch nicht stellen.

Anmerkungen:
1 Vgl. etwa das Homer-Zitat zum wellenumfluteten, ertrag- und städtereichen Kreta inmitten der Ausführungen zu römischen Theaterbauten (S. 49).
2 Vgl. etwa auch Strabons Angaben zu Schiffsentfernungen im Abschnitt zu Landwirtschaft und Baumkulturen, Kräutern und Gewürzen und neben einer Abbildung der Nida-Hochebene (S. 60f.).

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension