Cover
Titel
Kreative und innovative Methoden. Geschichtsunterricht einmal anders


Autor(en)
Wenzel, Birgit
Erschienen
Schwalbach im Taunus 2010: Wochenschau-Verlag
Anzahl Seiten
223 S.
Preis
€ 14,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Schmidtmann, Studienseminar Hamm

Unterrichtsmethoden haben Konjunktur. Zumindest in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Sowohl bei (fach)didaktischen Lehrveranstaltungen an den Universitäten als auch in der zweiten Ausbildungsphase gibt es, nicht nur im Fach Geschichte, kaum ein größeres Bedürfnis von Studierenden bzw. Referendarinnen und Referendaren als möglichst viele Methoden vermittelt zu bekommen, mit denen sich Unterricht ganz praktisch gestalten lässt. Längst haben die Verlage darauf reagiert und eine Vielzahl von fachunspezifischen Methodensammlungen vorgelegt, die sich allenfalls in Nuancen unterscheiden. Birgit Wenzel hat dieses breite Angebot nun im Hinblick auf die Passung der Methoden für das historische Lernen gemustert und stellt in ihrem Buch 38 von ihnen vor. Dabei geht sie in Anlehnung an Bildungsforscher wie Hilbert Meyer und Andreas Helmke davon aus, dass Methodenvielfalt ein Indikator für guten Unterricht ist und „kreative und innovative Methoden“ insbesondere hilfreich sein können „guten Geschichtsunterricht zu gestalten, der Lernende und Lehrende anspricht und begeistert.“ (S. 8) Eine Verbindung zu fachdidaktischen Überlegungen, etwa zur gegenwärtigen Kompetenzdiskussion, findet nur andeutungsweise und wenig differenziert statt. Methoden seien „notwendig, um Prozesse in Gang zu setzen, mittels derer die Lernenden Geschichte wahrnehmen, de- und rekonstruieren, um sich dabei in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu orientieren, narrative Sinnbildung zu betreiben und letztlich ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein zu entwickeln.“ (S. 9) Die fehlende fachdidaktische Grundlegung ist außerordentlich zu bedauern, hätte sich doch hier vielleicht ein Ansatzpunkt gefunden, die praktische Relevanz der theoretischen Diskussionen für die konkrete methodische Gestaltung von Geschichtsstunden aufzuzeigen. Letztlich leitend bei der Auswahl der Methoden waren für Wenzel dann auch zum großen Teil nicht fachspezifische Erwägungen, sondern allgemeindidaktische Erkenntnisse zum Lernen und Wissenserwerb, die etwa die Bedeutung gemeinsamer Aktivität, die selbstgesteuerte Beschäftigung mit dem Gegenstand, der Kommunikation, der Emotion etc. für das Zustandekommen gelungener Lernprozesse hervorheben.

Den Großteil des Buches nimmt die Vorstellung der Methoden selbst ein. Die Palette reicht dabei vom „Advance Organizer“ bis zur „Zielscheibe“ und versammelt Methoden, die mittlerweile recht verbreitet sind (zum Beispiel „Gitterrätsel“ oder „Der große Preis“), aber auch viele eher unbekannte, die noch kaum an den Schulen angekommen sind. (zum Beispiel „Audioguide“, „SMS“, „Stimmenfang“) Nicht eigens thematisiert werden Grundlagen, Voraussetzungen und Methoden der Gruppen- und Partnerarbeit.1 Die Reihenfolge der Vorstellung orientiert sich alphabetisch am Namen der Methode. Das erschwert freilich jeden schnellen funktionsbezogenen Zugriff zur praktischen Unterrichtsvorbereitung und führt die graphische und sprachliche Gestaltung, die unter anderem durch die Verwendung zahlreicher Piktogramme auf eine schnelle Rezeption abzielt, im Grunde ad absurdum. Ein wenig abgeholfen wird diesem Umstand jedoch durch eine einführende, ebenfalls alphabetisch geordnete, tabellarische Übersicht, die kurz die Sozialform, den Zeitbedarf sowie die didaktische Funktion der Methode angibt. Kaum hilfreich sind in diesem Zusammenhang allerdings die wenig spezifischen Angaben zu „Aufwand“ und „geeigneten Themen“.

Sehr ausführlich fallen dagegen die Angaben im Rahmen der Beschreibungen der einzelnen Methoden aus. Wenzel geht dabei nach einem einheitlichen, sehr detaillierten Raster mit 19 Dimensionen (!) vor. Neben den allgemeindidaktischen Selbstverständlichkeiten wie Angaben zu Funktion, Sozialform, Chancen und Schwächen etc. findet sich hier auch entbehrlich Erscheinendes wie Erläuterungen der Namen der Methoden oder Informationen, die sich bereits aus der Beschreibung der Methode ergeben. Positiv hervorzuheben ist, dass die Autorin hier die Anpassung der Methoden an den Geschichtsunterricht im Blick hat. So werden jeweils konkrete Beispiele für den Einsatz im Geschichtsunterricht gegeben und Bezüge zu wesentlichen fachdidaktischen Prinzipien (Kontroversität, Problemorientierung, Lebensweltbezug etc.) hergestellt. Auch wird an dieser Stelle versucht, bei jeder Methodenvorstellung einen Kompetenzbezug herzustellen, was allerdings wiederum einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Orientiert sich Wenzel doch an den sechs in den Berliner Rahmenlehrplänen für Sekundarstufen I und II ausgewiesenen Dimensionen (Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Deutungskompetenz, Analysekompetenz, Methodenkompetenz, Urteils- und Orientierungskompetenz) , die wiederum auch nur zum Teil fachspezifisch und für eine wirklich fundierte Einschätzung, inwiefern eine bestimmte Methode bestimmte historische Kompetenzen und die Erreichung von beobachtbaren differenzierten Standards fördert, zu unspezifisch sind.Die Wahl einer bestimmten Methode kann die kompetenzorientierte Anlage einer Stunde offenbar nur unterstützen, aber nicht garantieren.

Festzuhalten ist: Birgit Wenzel stellt kaum einen Zusammenhang zwischen geschichtsdidaktischer Kompetenzdiskussion und methodischer Gestaltung des Geschichtsunterrichts her. Die praxisorientierte Vorstellung der Methoden bleibt theoretisch unterbelichtet. Damit verschenkt sie die Chance, den Graben zwischen avancierter Theoriediskussion und täglicher Unterrichtsplanung ein wenig einzuebnen. Den eingangs geschilderten Bedürfnissen von (angehenden) Lehrerinnen und Lehrern kommt das Buch allerdings weit entgegen. Wenzel hat eine Vielzahl von in der Tat kreativen und innovativen Methoden ausgewählt und sinnvoll adaptiert, die geeignet erscheinen, nicht nur den Geschichtsunterricht, sondern auch Universitätsseminare interessanter, vor allem aktivierender zu gestalten. Wer sich bisher kaum mit methodischen Variationsmöglichkeiten beschäftigt hat und neue Anregungen sucht, dem sei die Sammlung ausdrücklich empfohlen.

Anmerkung:
1 Vgl. das in der selben Reihe erschienene Buch von Peter Adamski, Gruppen- und Partnerarbeit im Geschichtsunterricht. Historisches Lernen kooperativ (Methoden Historischen Lernens), Schwalbach am Taunus 2010.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension