B. Jähnig: Verfassung und Verwaltung des Deutschen Ordens

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Titel
Verfassung und Verwaltung des Deutschen Ordens und seiner Herrschaft in Livland.


Autor(en)
Jähnig, Bernhart
Reihe
Schriften der Baltischen Historischen Kommission 16
Erschienen
Berlin 2011: LIT Verlag
Anzahl Seiten
333 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kristjan Toomaspoeg, Dipartimento dei beni delle arti e della storia, Università degli studi di Lecce

Innerhalb der seit den letzten dreißig Jahren sehr intensiv betriebenen Erforschung mittelalterlicher religiöser Ritterorden sind noch immer größere Lücken zu verzeichnen. So steht zum Beispiel bislang eine Gesamtmonografie über die Templer in Frankreich aus. Ebenso fehlt eine umfassende Studie zur Geschichte des Deutschen Ordens in Livland, wenn auch auf diesem Feld eine Reihe von Einzeldarstellungen veröffentlicht wurde. In der Geschichte Estlands und Lettlands spielte der Deutsche Orden, der von 1237 bis 1561 dort als einer der führenden Landesherren und wichtigste Kriegsmacht wirkte, eine besondere Rolle, so dass von einigen Historikern der Begriff „Livländischer Orden“ geprägt worden ist.

Mit dem Buch von Bernhart Jähnig, einem der bekanntesten Forscher zum Deutschen Orden und zu Preußen im Mittelalter, besteht nun zum ersten Mal die Möglichkeit, die Geschichte des livländischen Ordenszweigs unter bestimmten Aspekten kennenzulernen, ohne dass der Autor beansprucht, eine Gesamtmonografie zum Thema vorlegen zu wollen. Zweifellos wird Jähnigs Buch aber künftig als Handbuch benutzt werden, da man wahrscheinlich noch längere Zeit auf eine umfassende Studie zur Geschichte des Deutschen Ordens in Livland warten wird.

Die erste im Buch behandelte Frage betrifft die Herrschaft des Ordens in Livland. Hier wird vom Autor betont, dass der Begriff ‚Herrschaft‘ im Mittelalter anders als in der Neuzeit zu verstehen ist und der Orden in Livland keineswegs als ‚Staat‘ im modernen Sinn angesehen werden kann. Die mit der Inkorporation des Schwertbrüderordens 1237 geschaffene und sich nach dem Ankauf Nordestlands 1346 verstärkende Herrschaft des Deutschen Ordens im Gebiet des heutigen Estland und Lettland unterschied sich dabei vom preußischen Ordenszweig, da die Ordensbrüder dort eine stärkere Kontrolle über das Territorium ausübten, während es in Livland neben dem einflussreichen Orden auch andere Machthaber gab.

Nach einer Darstellung der Herrschaftsgrundlagen und des Herrschaftsausbaus untersucht der Autor die Verfassung der Burgen und der lokalen kirchlichen Institutionen in Livland. Dabei wird auch die Problematik der Verwaltung des Ordensbesitzes angesprochen. Es folgen Kapitel zur räumlichen Gliederung der Ordensherrschaft und zur Personalpolitik des Deutschen Ordens. Traditionell wird der Orden als eine Korporation betrachtet, die durch eine relativ kleine Menge von Brüdern (im Jahr 1451 gab es 197 Ritterbrüder und je 39 Graumäntler und Priesterbrüder) gebildet wurde. Sie stammten fast ausschließlich aus Gebieten außerhalb Livlands, etwa im 15. Jahrhundert aus Westfalen.

Der zweite Themenschwerpunkt des Buchs widmet sich der Regierung und Verwaltung des Ordens auf zentraler Ebene sowie in lokalen Komtureien und Vogteien. An der Spitze des livländischen Ordenszweigs standen die Landmeister, die im Laufe der Zeit, besonders seit dem 15. Jahrhundert, eine relativ große Autonomie gewonnen hatten. Ihnen waren Landmarschalle und lokale Komturen sowie Vögte unterstellt. Im Fall Livlands ist es allerdings fast unmöglich, den Unterschied zwischen Komturen und Vögten genau zu bemessen, da spätestens seit dem 15. Jahrhundert beide Titel gleichwertig verwendet wurden. Die wichtigsten Ordenskonvente fanden in Fellin (Viljandi), Wenden (Cēsis) und Riga statt; eine Reihe weiterer Ordensburgen lag im heutigen Estland und Lettland.

Mit seinem Kapitel zur Frage der Gerichtsbarkeit des Ordens als Landesherr behandelt der Autor einen dritten Themenkomplex und dokumentiert damit, wie vielfältig und kompliziert die lokale Verwaltung Livlands war, da die Rechte und Interessen des Ordens auf diejenigen der lokalen Bischöfe und Städte trafen. Am Ende resümiert der Autor: „So wird auch hier deutlich, daß der Deutsche Orden seine Herrschaft in Livland trotz vielfältiger Beziehungen am Rande des Abendlandes (in extremis christianitas) aufgebaut hat“ (S. 244).

Insgesamt bietet das Buch, das durch eine Liste der Meister und Komturen des Ordens sowie durch 11 Karten und Pläne abgeschlossen wird, zugleich einen Grundriss der Verwaltungsgeschichte des Deutschen Ordens in Livland (auf diplomatisch-politische und militärische Aspekte wird schwerpunktbedingt kaum eingegangen) und eine Studie zur Problematik mittelalterlicher Herrschaft. Damit greift der Autor Überlegungen einer Tagung der Reihe „Ordines militares“ in Torun1 und Ansätze mehrerer Studien zu Herrschaft im Mittelalter2 auf. Detailliert und klar stellt Bernhart Jähnig in seinem Werk heraus, dass der Deutsche Orden in Livland wegen seiner komplizierten Verwaltungsstrukturen und Machtverhältnisse als Sonderfall zu betrachten ist.

Anmerkungen:
1 Roman Czaja / Jürgen Sarnowsky (Hrsg.), Die Ritterorden als Träger der Herrschaft. Territorien, Grundbesitz und Kirche, Toruń 2007.
2 Siehe z.B. David Engels / Lioba Geis / Michael Kleu (Hrsg.), Zwischen Ideal und Wirklichkeit. Herrschaft auf Sizilien von der Antike bis zum Spätmittelalter, Stuttgart 2010.

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