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Titel
Bildungskatalog. SED-Diktatur und deutsche Teilung


Autor(en)
Igel, Oliver
Erschienen
Schwalbach im Taunus 2009: Wochenschau-Verlag
Anzahl Seiten
205 S.
Preis
€ 16,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marko Demantowsky, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

Ein wissenschaftlicher Katalog, der das in den vergangenen ungefähr 15 Jahren enorm angewachsene Angebot an Lehr- und Lernmaterial zur DDR-Geschichte sammelt, präsentiert und ordnet, befriedigt einen wirklichen Bedarf und stellt von vornherein einen wertvollen Beitrag zur schulischen, aber vor allem auch außerschulischen Bildungsarbeit dar. Der Bildungskatalog soll in den Worten seines Autors „einen Überblick […] bieten, aber auch zur Diskussion anregen“ (S. 18f.). Der hier zu besprechende Band „SED-Diktatur und deutsche Teilung“ vermag, das lässt sich feststellen, eine solche Erwartung und Funktion in vielerlei Hinsicht zu erfüllen. Insgesamt werden 140 Bildungsmaterialien unterschiedlicher Gattung und Provenienz vorgestellt, wobei es sich hier in der Regel um eine Kombination aus Quellen und Begleittexten handelt. Die erstaunliche Spannweite reicht von schriftlichen Unterlagen (Erläuterungshefte zu Romanen, Arbeitshefte, Quellenhefte) über Audio- und Filmmaterial (CD bzw. DVD, Filmhefte) bis hin zu gegenständlicher Überlieferung (Geschichtskoffer), integrierten Medien (Zeitschriften, Lehrbücher, CD-ROM, Foliensammlungen, Arbeitsmappen) und Lehrplanungen (Unterrichtsreihen, Stundenbilder, Exkursionshefte, Handreichungen). Es ist als ein Verdienst dieses Katalogs anzusehen, dass er die Bildungsmedien über die Geschichte der DDR in ihrer ganzen Vielfältigkeit erfasst hat.

Jedes Arbeitsmittel wird inhaltlich, mal mehr mal weniger kurz, in einfachen Worten beschrieben, daran schließt sich jeweils eine knappe informative Schilderung der Lehr-Lern-Arrangements an, in die die Inhalte entweder eingebettet sind oder die sie ergänzend begleiten. Die 140 Beiträge werden in sieben Kapiteln entweder sachsystematisch (zum Beispiel „Die SED und ihr Herrschaftssystem“), gattungsbezogen (zum Beispiel „Überblicksdarstellungen“) oder epochal (zum Beispiel „Der Weg in die Zweistaatlichkeit und Teilung“) abgehandelt. Die Unterteilung folgt jedoch offensichtlich keiner kategorialen Systematik, sondern ist induktiv aus der Materialsichtung gewonnen worden. Dies hat Nachteile im Hinblick auf Stringenz und Übersichtlichkeit, der Vorteil besteht darin, dass unmittelbar erkennbar wird, wo sich Schwerpunkte und Desiderata befinden.

Dieser Befund wird vom Autor des Katalogs im interessantesten Teil seiner Veröffentlichung ansatzweise reflektiert. Im kurzen Kapitel (S. 180-183), das anspielungsreich mit „Weiße Flecken“ überschrieben ist, wird tastend der Frage nachgegangen, welche Themenfelder unterrepräsentiert seien und woran das liegen könne. Die Gründe werden vermutet im besonderen thematischen Profil außerschulischer Bildungsanbieter und auch in deren Nutzererwartungen. Drei Defizite werden beschrieben: die Darstellung der SED als „praktisch allein herrschende Staatspartei“, die Geschichte von Widerstand und Opposition und schließlich die Kontextualisierung der DDR-Geschichte als Element des Kalten Krieges. Man kann natürlich über ein wünschenswertes Mehr oder Minder trefflich streiten, immerhin haben die ersten beiden Themenfelder im vorliegenden Katalog eigene Kapitel erhalten.

Ergänzt wird der Führer durch ein Personen- und ein Schlagwortregister, vor allem aber, und das macht seinen besonderen Wert aus, durch die parallele Veröffentlichung im Internet.1 Da das Bildungsmaterial zur DDR-Geschichte in all seiner medialen Varianz ohnehin extrem dynamisch ist und ständiger Aktualisierung, Ergänzung und kategorialer Schärfung bedarf, ist das digitale Medium ideal geeignet, um dem Bildungskatalog ein langes Leben und optimalen Nutzeffekt zu verschaffen. Mittlerweile (Stand 1.6.2011) umfasst die Sammlung bereits zweihundert Materialien. Man fragt sich, warum der Katalog initial überhaupt als Buch gedruckt worden ist.

Bei aller Anerkennung für dieses hilfreiche und notwendige Projekt der Bundesstiftung Aufarbeitung können zwei kritische Punkte nicht unerwähnt bleiben. Erstens frappiert der fast durchgängige Verzicht auf eine geschichtsdidaktisch kategoriengeleitete Beurteilung der Materialien. Wenn diese Katalog-Erfassung die Bildungsarbeit über die DDR-Geschichte nicht nur erleichtern, sondern auch verbessern will, dann ist die Abwesenheit wissenschaftlich begründeter Einordnung nach Lernpotential, Ziel-Methoden-Medien-Passung, Ziel-Inhalts-Passung oder geschichtskultureller und lernpsychologischer Zielgruppenadäquatheit unbefriedigend.

Das gilt, zweitens, auch für den Umgang mit Daten sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zum Geschichtsbewusstsein und zum Geschichtsbild Heranwachsender, die in diesem Katalog sowohl im Vorwort als auch in der kurzen Einleitung wiederholt auf eine sehr eindimensionale Weise benutzt werden, ohne dass deren jeweilige Reichweite, die differente Qualität der Untersuchungsdesigns und auch die unterschiedlichen historischen Erhebungskontexte mitbedacht worden wären. So leicht sollten es sich auch Historikerinnen und Historiker nicht mit sozialwissenschaftlicher Forschung machen.

Anmerkung:
1 <http://www.stiftung-aufarbeitung.de/der-bildungskatalog-der-bundesstiftung-aufarbeitung-1346.html> (27.6.2011).

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