J. Bodnar: The „Good War“ in American Memory

Titel
The „Good War“ in American Memory.


Autor(en)
Bodnar, John
Erschienen
Anzahl Seiten
Preis
€ 30,18
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Haak, Max-Weber-Kolleg, Universität Erfurt

Es muss das Jahr 1984 gewesen sein, als der Begriff des „Good War“ seinen Durchbruch erlebte. Seit der Journalist Studs Terkel eine Sammlung von Interviews mit Veteranen des Zweiten Weltkrieges veröffentlichte und sie mit diesen beiden Worten überschrieb1, steht die Wendung als Synonym für die spezifisch amerikanische Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg: Die Nation rückte zusammen, überwand alle Differenzen, und amerikanische Soldaten, die doch eigentlich viel lieber Zivilisten geblieben wären, besiegten trotz aller Widrigkeiten das Böse in Gestalt der Japaner und Nazis. So kann man stark überspitzt diese Art der Erinnerung zusammenfassen. Der amerikanische Historiker John Bodnar hat nun mit „The ‚Good War‘“ eine wichtige Studie zu dieser Interpretation des Zweiten Weltkrieges in den USA vorgelegt; eine, die bei all ihren Vorzügen allerdings auch viele der Schwierigkeiten einer jeden Historisierung von Erinnerungen offen legt.

Er ist nicht der erste, der sich dem Good War aus erinnerungsanalytischer Sicht widmet. Schon 1994 hat mit Michael Adams ein US-Historiker eine wegweisende Studie zu diesem Themenkomplex vorgelegt.2 Nach der Jahrtausendwende zogen Kenneth D. Rose und auch die deutsche Historikerin Kristina Scholz nach.3 Bodnars Buch ist ähnlich dem von Rose angelegt und will die Good-War-Interpretation selbst kritisch hinterfragen, weniger ihr Vorhandensein und ihre Charakteristika konstatieren, wie es Adams und Scholz taten.

Entsprechend dieser Ausrichtung verfolgt Bodnar, der an der Indiana University in Bloomington lehrt, eine klare These: Nämlich, dass das Good-War-Bild Ergebnis eines weit reichenden kulturellen und politischen Aushandlungsprozesses war, bei dem häufig völlig gegensätzliche Positionen aufeinander trafen (S. 1-4).

Um dies zu zeigen, ist die Studie in sieben inhaltliche Kapitel gegliedert; plus Einleitung, Schlussbemerkung und ein „Postscript on Iraq“. Auch wenn in den Endnoten immer wieder Hinweise auf Quellen unter anderem in der Library of Congress, den National Archives in Maryland oder der Roosevelt-Library in New York auftauchen, ist die Grundlage des Buches weniger akribische Archivarbeit als vielmehr eine intime Kenntnis und profunde Widergabe der aktuellen Sekundärliteratur zur amerikanischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges und der Erinnerung an ihn. „The ‚Good War‘“ ist durchweg flüssig geschrieben. Allerdings eignet es sich mehr für jene, denen die US-Geschichte des 20. Jahrhunderts wenigstens in Grundzügen vertraut ist, weil einiges an Wissen vorausgesetzt wird; beispielsweise wird die Rede vom Good War, obwohl sie im Titel steht, nirgends ausführlicher erläutert.

Insgesamt kann Bodnar ein ums andere Mal den Aushandlungscharakter der Good-War-Vorstellung zeigen. Zunächst tut er das an zahlreichen Fallbeispielen aus den Kriegstagen, die klar machen: Schon während des Krieges waren weder das Leben und Sterben an der Front noch der Alltag in den USA ausschließlich durch nationale Einigkeit, Heldenmut und den Kampf für moralisch hehre Ziele gekennzeichnet, auch wenn etwa die Verkündung der „four freedoms“ dies suggerierte. Eine ähnliche Vielfalt in der Wahrnehmung und Verarbeitung des Krieges arbeitet er anschließend an der Nachkriegsliteratur, an der Erinnerung des Zweiten Weltkrieges im Kontext des frühen Kalten Krieges durch Veteranen(verbände), an Denkmälern und Erinnerungsorten sowie an Hollywoodfilmen heraus. Schließlich fokussiert er Rollen und Erinnerungen jener, die er Außenseiter nennt – African, Mexican und Japanese Americans, Frauen – und der so genannten Sieger, also jener, die im Zentrum der Erinnerung des Krieges stehen: Männer, die die Strände der Normandie stürmten, die Atombombe auf Hiroshima abwarfen, Konzentrationslager befreiten.

Immer gelingt es dem Autor dabei herauszustellen, wie viele verschiedene Geschichten es über die amerikanischen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges zu erzählen gibt. Und stets vermag er zu demonstrieren: Auch in der Erinnerung dieses Konflikts gab es signifikante Unterschiede. Wo einige beispielsweise die heldengleiche Stilisierung der GIs und ihrer Taten zelebrierten, lag anderen vielmehr daran, die im Krieg erlittenen Verluste zu betrauern. Überzeugend arbeitet er also heraus, wie sehr der Good War immer auch herausgefordert wurde und auch in sich nicht so monolithisch war, wie es oft verkürzt wiedergegeben wird.

Gleichzeitig ist dieser Facettenreichtum das größte Problem des Buches, vielleicht sogar des ganzen Ansatzes des US-Historikers überhaupt. Denn es bleibt bis zur letzten Seite unklar, welche größeren Schlüsse John Bodnar aus dem Aufzeigen dieser empirischen Vielfalt zieht. Wenn die größere Erkenntnis in der Behauptung liegen soll(te), der Good War sei zum Ende des 20. Jahrhunderts hin immer stärker geworden, weil viele von jenen inzwischen verstorben sind, die die Grausamkeiten des Krieges erlebten (S. 235-242), vermag das jedenfalls mangels Herleitung nicht zu überzeugen. Außerdem liefert Bodnar selbst immer wieder Hinweise darauf, dass dieses lineare Schema viel zu kurz greift.

Doch gerade im Licht solcher größeren Fragestellungen erhalten viele der Beispiele Bodnars ihre Relevanz. Oder besser: Sie hätten sie erhalten. Was nützt das Wissen, dass einige Amerikaner den Nachkriegsroman „The Naked an the Dead“ in Briefen an den Autor feierten, während andere ihn als zu negativ ablehnten (S. 37f.)? Was macht man aus der Kenntnis um den Inhalt der Zuschriften an Präsident Truman, in denen Bürger ihre Genugtuung ebenso wie ihre Ablehnung zur Abberufung Douglas MacArthurs während des Korea-Krieges äußerten (S. 75-79)? Was heißt es, dass die Kämpfe auf den Philippinen und der anschließende Todesmarsch von Bataan bisweilen als ehrenhafte Verteidigung, zugleich aber auch als sinnlose Opferung wahrgenommen und erinnert wurden (S. 116-128)? Bodnar liefert all diese Versatzstücke, doch er setzt sie nicht zusammen.

In einem engen Zusammenhang damit stehen methodische Probleme, denen der Autor bis zum Schluss nicht Herr wird und die den Patchwork-Charakter von „The ‚Good War‘“ unterstreichen. Sie werden vor allem in seinen empirischen Beschreibungen ersichtlich, und von Zeit zu Zeit darf man sich schon wundern, wie er von dieser Grundlage aus zu seinen durchaus anregenden Schlüssen kommt.

Schauen wir zum Beispiel auf die Filmanalysen: Völlig zu Recht verweist Bodnar zumindest kurz darauf, dass in Filmen mehrere Botschaften schlummern und dass in ein und demselben Film damit Charaktere und Handlungsstränge enthalten sein können, die gute und schlechte Erinnerungen an den Krieg gleichermaßen bestärken (beispielhaft: S. 130-132, S. 165). Doch analytisch wendet er diese Prämisse meist nicht an. Stattdessen ordnet er in der Regel einem Film eine Aussage zu und nimmt diesen dann als Beleg für eine bestimmte Interpretationsvariante des Krieges. Selbst wer sich nicht über die vielen, verkürzten Inhaltsangaben Bodnars ärgert, der muss sich an dieser Stelle ernsthaft fragen, ob derlei Zuordnungen dem Autor wie dem Leser nicht mehr im Weg stehen als nützen. Wenn etwa das dreistündige Kriegsepos „The Longest Day“ (1962) nur im Hinblick auf die Darstellung deutscher und alliierter Offiziere auf ein paar Zeilen abgehandelt wird (S. 143f.), gehen die unzähligen anderen Facetten verloren, die dieser Film liefert. Gerade aber sie sind für eine Analyse amerikanischer Erinnerung an den Krieg, gerade im Verhältnis zueinander, nicht zu unterschätzen.

Ähnliche methodische Kritik ließe sich noch weiter ausführen: die zeitliche Abfolge der Beispiele etwa erscheint bisweilen beliebig und unreflektiert; die Wahl des Materials wird nicht begründet; mal werden rezeptionsgeschichtliche Ansätze eingeflochten, mal kommentarlos weggelassen. Es rächt sich, dass Bodnar auf eine echte theoretische Untermauerung seiner Ausführungen fast gänzlich verzichtet hat.

So fällt die Gesamtbewertung zwiespältig aus. Es bleibt Bodnars Verdienst, nicht nur so wie es schon Kenneth D. Rose getan hat, die Basis des Good-War-Bildes in den 1940er-Jahren kritisch zu hinterfragen, sondern auch auf die Vielfalt der Erinnerung verwiesen und dabei immer wieder auch auf weniger bekannte Beispiele amerikanischer Erinnerungskultur zurückgegriffen zu haben. Das ist eine wichtige Leistung. Doch bei aller schönen Beschreibung fehlt es an analytischer Tiefe. Erinnerungen sind eine sehr persönliche und damit ungemein vielfältige Sache. Und doch sind sie zugleich in Deutungsmustern verwoben, die über die Einzelnen hinausweisen und von unterschiedlicher und historisch-spezifischer Wirkmächtigkeit sind. Das hat Bodnar aus den Augen verloren.

Anmerkungen:
1 Studs Terkel, „The Good War“. An Oral History of World War Two, New York 1984.
2 Michael C. C. Adams, The Best War Ever. America and World War II, London 1994.
3 Kenneth D. Rose, Myth and the Greatest Generation. A Social History of Americans in World War II, New York 2008; Kristina Scholz, The Greatest Story Ever Remembered. Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg als sinnstiftendes Element in den USA, Frankfurt am Main 2008.

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