E. Krimmer: The Representation of War in German Literature

Cover
Titel
The Representation of War in German Literature. From 1800 to the Present


Autor(en)
Krimmer, Elisabeth
Reihe
Cambridge Studies in American
Erschienen
Anzahl Seiten
267 S.
Preis
71,80 €
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Thomas Schneider, Remarque-Friedenszentrum Osnabrück

Titel und Untertitel des Bandes von Elisabeth Krimmer, Associate Professor im Department of German and Russian an der University of California Davis, sind in mehrfacher Hinsicht irreführend: Weder wird „The Representation of War in German Literature“ in einem durch den bestimmten Artikel suggerierten Überblick oder in der gebotenen Intensität untersucht, noch die Periode „From 1800 to the Present“ lückenlos und umfassend abgedeckt. Der Band stellt sich als eine Sammlung von nur bedingt miteinander über kurze Einführungen verbundenen, in sich mit „Conclusions“ abgeschlossenen Einzelstudien dar, die jeweils Autorenpaaren aus höchst unterschiedlichen Epochen der Literatur- und Zeitgeschichte gewidmet sind: Schiller (Wallenstein und Die Jungfrau von Orleans) und Kleist (Die Hermannsschlacht und Penthesilea) zu den Napoleonischen Kriegen, Jünger (In Stahlgewittern) und Remarque (Im Westen nichts Neues) zum Ersten Weltkrieg, Böll (vorrangig das Frühwerk) und Grass (Die Blechtrommel und Im Krebsgang) zum Zweiten Weltkrieg sowie schließlich Handke (die Essays zu Jugoslawien) und Jelinek (Ein Sportstück, Das Werk und Bambiland) für die Gegenwart. Drei dieser Einzelstudien (Schiller, Kleist und Grass) sind von der Autorin 2008 bereits vorab in germanistischen Periodika veröffentlicht worden.

Die Auswahl dieser Texte und Autoren begründet Krimmer nur schwach mit ihrer Kanonisierung bzw. als „authors who are subject of heated controversies, such as Jünger, Handke, and Jelinek“ (S. 12). Die mit dieser Auswahl entstandenen Lücken, die als „painful omissions“ (S. 12) deklariert werden, hofft Krimmer durch Verweise in den einzelnen Kapiteln zu schließen, die sich bei genauer Lektüre jedoch als marginale, maximal einige Sätze umfassende Hinweise herausstellen. In einigen Fällen wird bei einzelnen Ausschlussbegründungen die Grenze zur Seriosität gestreift, wenn in der Forschung unbestritten höchst einflussreiche Texte wie Plieviers „Stalingrad“ oder Bestseller wie Konsaliks „Der Arzt von Stalingrad“ damit abgetan werden, dass „[t]heir readership is rather limited, and they have received little critical intention“ (S. 107).

Krimmers mit ihrer Studie verbundene Zielsetzung, „to gain a precise, accurate, thematic, and theoretical understanding of war texts and of different forms of friction that define their limits“ (S. 3), kann auf Grundlage dieser Autoren- und Textauswahl nicht erreicht werden, zumal Krimmer an keiner Stelle auf die Heterogenität der Texte und die mit ihr verbundenen Implikationen eingeht. Dramen (Schiller, Kleist) werden als „authentische“ Erlebnisberichte publizierten Texten (Jünger, Remarque) ebenso gegenübergestellt, wie fiktionale Texte (Böll und Grass) Essays (Handke) und wiederum Schauspielen (Jelinek) folgen. Die Genre immanenten Limitationen der Kriegsbeschreibung bleiben ebenso unberücksichtigt wie die Entstehungs- und Publikationsbedingungen der Texte bzw. werden wie bei Böll lediglich gestreift. Die den jeweiligen Autorenpaaren voran gestellten „Overviews“ beschränken sich auf allgemeine Bemerkungen entweder zum philosophischen Kontext (Schiller, Kleist und Jünger, Remarque) oder zu den Beschränkungen der „Vergangenheitsbewältigung“ nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik, wobei wieder einmal Mitscherlichs „Unfähigkeit zu trauern“ bemüht wird, bis hin zu allgemeinen Bemerkungen zur Rolle der Medien und Medienkritik bei der Darstellung des Krieges in der Gegenwartsliteratur.

Diese erheblichen Einschränkungen und Lücken sowohl im Ansatz als auch in der Durchführung der Analyse hindern Krimmer jedoch nicht daran, ihre an Hand der weitgehend Kontext freien Analyse der Einzeltexte gewonnenen Ergebnisse als repräsentativ zu setzen: Die Literatur zu den Napoleonischen Kriegen wird auf die Zusammenführung von Krieg und „Erhabenem“ reduziert, die Literatur zum Ersten Weltkrieg erscheint durch Jünger und Remarque als Prozess der „victimization“ des Soldaten entweder als Folge von vom Kriegserlebnis verursachten Traumata und der Wertung des Krieges als Schicksal (Jünger) oder als Folge politischer Prozesse, gegen die der Einzelne sich nicht auflehne (Remarque). Diese „victimization“ setzt sich für Krimmer in der Literatur zum Zweiten Weltkrieg mit Böll fort, dem vorgeworfen wird, er betreibe eine implizite Gleichsetzung deutscher Kriegsopfer mit den Opfern des Holocaust, während Grass zumindest in „Im Krebsgang“ die Rolle des Schreibens über den Krieg generell in Frage stelle, das Gefahr laufe, die immer gleichen Geschichten wieder und wieder zu wiederholen: „The only way to counter this vicious circle lies in the critical reflection of one’s own narrative entrapment“ (S. 147-148). Dieser narrativen Falle zu entgehen, versuchen laut Krimmer schließlich Handke und Jelinek. Handke scheitere an diesem Versuch, da er die nicht-serbischen Opfer der Jugoslawien-Kriege marginalisiere, während Jelinek mit ihrer Schreibweise zwar die Form der (medialen) Gewalt mit einer anderen Form von (verbaler) Gewalt bekämpfe, aber „Jelinek’s artful technique may yet be our best hope to corrode the imaginary ties between our contemporary culture and society and our perception and practice of war“ (S. 195).

Krimmers implizite Suche nach einer angemessenen Form der Repräsentation des Krieges in der Literatur ist damit zu einem hoffnungsvollen Abschluss gekommen, und konsequent geht sie in ihrer „Conclusion“ schließlich auf alternative Friedenskonzepte (Giorgio Agamben, Jeffrey Sachs, Jonathan Shay) ein, die zuvor zwar in der Einleitung, in den gesamten Einzelstudien jedoch keine Rolle gespielt haben: „Clearly, thinking of war as a societal creation subject to human agency is a crucial step toward its eradication. But, as war literature teaches us, it is equally and perhaps even more crucial to think of peace as a form of existence fundamentally different and exceeding by far a mere absence of war“ (S. 202).

Damit wird Krimmers Messlatte expliziert (in der Einleitung „a culture of peace that does not remain trapped in a simple critique of war“, S. 15), an der sich die Wertung der analysierten Texte orientiert. Nur so ist denn auch die durchgängige Gegenüberstellung von „victimization“ und (in den meisten Fällen als mangelnd propagierter) „agency“ in den Analysen der Repräsentationen des Krieges erklärlich. Doch ist schließlich zu fragen, ob eine derartige, historische, literaturgeschichtliche, autorbiographische und Genre immanente Kontexte weitgehend außer Acht lassende Untersuchung einen substantiellen Beitrag zum Verständnis und zur Deutung der Repräsentation des Krieges in der deutsch(sprachig)en Literatur zu leisten vermag, wenn vorab die Hypothese formuliert wird, die zugleich Ergebnis ist, „that stylistic and aesthetic features, gender discourses, and concepts of agency and victimization can all undermine a text’s martial stance or its ostensible pacifist agenda.“ (S. I)

Krimmer ist mit ihren primär werkimmamenten Analysen und vor dem Hintergrund der angestrebten „culture of peace“ nicht in der Lage zu erklären, warum die analysierten Texte den Krieg so beschreiben, wie sie ihn beschreiben. Und letztlich ließen sich für alle (rudimentär) thematisierten (und vor allem natürlich für die nicht beschriebenen) Literaturepochen Gegenbeispiele finden, die Krimmers Ergebnisse in ihrem Allgemeingültigkeitsanspruch obsolet erscheinen lassen.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/