Ch. Mileta: Der König und sein Land

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Titel
Der König und sein Land. Untersuchungen zur Herrschaft der hellenistischen Monarchen über das königliche Gebiet Kleinasiens und seine Bevölkerung


Autor(en)
Mileta, Christian
Reihe
Klio-Beihefte N.F. 14
Erschienen
Berlin 2008: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
243 S.
Preis
€ 59,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Babett Edelmann-Singer, Institut für Geschichte, Universität Regensburg

Die Fragestellung der Monographie Christian Miletas, einer 2006 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eingereichten, leicht überarbeiteten Habilitationsschrift, greift ein Thema auf, das in der Forschung zwar häufig diskutiert wurde, zu oft aber einem seit Beginn des 20. Jahrhunderts feststehenden Deutungsmuster folgte: Mileta behandelt den Status des königlichen Gebietes im hellenistischen Kleinasien sowie die Herrschaft der Monarchen über dieses Territorium und seine Bevölkerung. Diese Frage war bereits von Michael Rostovtzeff 1 ausführlich erörtert worden, dessen Meinung bis in die 1980er-Jahre opinio communis war. Erst durch neuere Arbeiten unter anderem von Pierre Briant, Josef Wiesehöfer, Amélie Kuhrt, Susan Sherwin-White oder Andreas Mehl gelang hier ein schärferer Blick auf die Frage von Kontinuitäten und Brüchen zwischen den Achämeniden und ihren hellenistischen Nachfolgereichen.2 Christian Mileta denkt diese Ansätze konsequent fort und kann so ein neues Paradigma der historischen Beurteilung schaffen.

Mileta gliedert seine Arbeit in sechs Hauptkapitel. Nach der Einleitung widmet sich das zweite Kapitel Alexander dem Großen und Kleinasien, indem es die Neuordnung der politischen Verhältnisse der Region durch den König zusammenfasst, dann die Dichotomie von poleis und chora als neue Grundstruktur seiner Herrschaft beschreibt und ein Bild von der Einrichtung des königlichen Gebietes in Kleinasien durch Alexander entwirft. Das dritte Kapitel untersucht Bezeichnung, Ausdehnung und Funktion des königlichen Gebietes, wobei sowohl auf politische als auch auf wirtschaftlich-fiskalische Aspekte eingegangen wird. Ein viertes Kapitel charakterisiert die Herrschaft der hellenistischen Monarchen über das königliche Gebiet, wobei Mileta zwischen der politischen, der rechtlichen und der ökonomischen Herrschaft unterscheidet. Im fünften Kapitel analysiert Mileta Status und Lebenslage der Bevölkerung des königlichen Gebietes. Das letzte Kapitel liefert eine Zusammenfassung.

Als Fazit konstatiert Mileta, dass das königliche Gebiet von Alexander dem Großen als Teil der neuen Herrschaftsordnung Kleinasiens eingerichtet wurde. Alexander erhob keinen umfassenden Herrschaftsanspruch wie die Achämeniden, sondern formte ein neues Herrschaftsmodell, das auf einer Dichotomie von poleis und chora fußte. Letztere war in sich wiederum in drei Untereinheiten unterteilt: ethne, demoi und das „königliche Gebiet“ – diesen Terminus führt Mileta anstelle des in der Forschung verwendeten Begriffes „Königsland“ ein, um deutlich zu machen, dass es sich dabei nicht nur um Ländereien, sondern auch um Gemeinwesen oder Wirtschaftseinrichtungen handelte. Mileta betont darüber hinaus, dass dieses königliche Gebiet – anders als das ägyptische Königsland – auch eine politische Bedeutung hatte, weil mit Hilfe von Schenkungen oder Verkäufen dieses Gebietes der politische Einfluss der Monarchen gefestigt werden konnte.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die Negierung eines herrschaftlichen Konzeptes, das auf dem Eigentum der hellenistischen Herrscher an ihren Reichen fußte. Mileta macht deutlich, dass es sich vielmehr um ein Herrschaftsverhältnis handelte, das aus der Souveränität über Territorium und Bevölkerung resultierte. Als Ergebnis hervorzuheben ist sicherlich auch die Neubewertung der sogenannten laoi durch Mileta. Seine Untersuchung der einschlägigen Quellen zeigt, dass diese Personengruppe nicht generell den Status von Leibeigenen hatte, sondern differenziert betrachtet werden muss. Miletas Antworten auf die Fragen zum hellenistischen Königsland erweitern sicherlich auch den Blick auf jene Untersuchungen, die sich mit dem Fortbestehen dieses Systems in römischer Zeit bzw. der Übernahme jener Regelungen durch römische Autoritäten befassen.

Als Quellengrundlage der Untersuchung dienen epigraphische und literarische Zeugnisse, die die Herrschaftspraxis der hellenistischen Monarchen beschreiben. Bemerkenswert ist dabei, dass Mileta allein durch die Neuinterpretation bekannter und zentraler Inschriften zu einer neuen inhaltlichen Deutung kommt. Ein großer Teil dieser Texte sind in drei umfänglichen Appendices am Ende des Buches angefügt, und zwar sowohl im Original als auch in einer deutschen Übersetzung bzw. Paraphrase. Es handelt sich bei Appendix I in erster Linie um Königsbriefe oder Verwaltungsdokumente, die Mileta als „Schlüsselquellen zur Herrschaft der Monarchen über das königliche Gebiet“ bezeichnet (S. 135). Appendix II umfasst eine Quellensammlung zu den laoi in Kleinasien, Ägypten und angrenzenden Regionen. Im dritten Appendix findet sich ein Exkurs zu den Einkünften aus dem königlichen Gebiet Kleinasiens.

Die im Ganzen überzeugende und durch ihren neuen Ansatz interessante Untersuchung, die nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Kürze überzeugt (125 Seiten Darstellung), muss sich allerdings die Kritik gefallen lassen, dass eine Reihe ärgerlicher Schreibfehler sicher vermeidbar gewesen wären.

Anmerkungen:
1 Vgl. unter anderem Michael Rostovtzeff, The Social and Economic History of the Hellenistic World, 3 Bde., Oxford 1941 (deutsche Ausgabe: Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, Darmstadt 1955–1956).
2 Vgl. unter anderem Pierre Briant, Conquête territoriale et stratégie idéologique: Alexandre le Grand et l’idéologie monarchique achéménide, in: ders., Rois, tributs et paysans. Etudes sur les formations tributaries du Moyen-Orient ancien, Paris 1982, S. 357–403 (erstmals in: Actes du Colloque internationale sur l’idéologie monarchique dans l’antiquité, Cracovie-Mogilany du 23 au 26 octobre 1977, Kraków 1980, S. 37–83); Josef Wiesehöfer, Discordia et Defectio – Dynamis kai Pithanourgia. Die frühen Seleukiden und Iran, in: Bernd Funck (Hrsg.), Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters, Tübingen 1996, S. 29–56; Amélie Kuhrt / Susan Sherwin-White (Hrsg.), Hellenism in the East. The Interaction of Greek and Non-Greek Civilizations from Syria to Central Asia after Alexander, London 1987; Andreas Mehl, doriktetos chora. Kritische Bemerkungen zum „Speererwerb“ in Politik und Völkerrecht der hellenistischen Epoche, in: Ancient Society 11 (1980), S. 173–212.

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