Titel
Sport In History. An Introduction


Autor(en)
Hill, Jeffrey
Erschienen
New York 2010: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
196 S.
Preis
€ 22,82
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jan Dunzendorfer, Berlin

Die „de Montford University Leicester“ (DMU) ist eines der Zentren einer kultur- und sozialhistorischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Sport; sie gründete 1996 das „International Centre for Sports History and Culture“ (ICSHC), bietet einen MA in „Sport History and Culture“ an und ist Teil des FIFA-Master-Programms. In diesem Rahmen ist auch Jeffrey Hills Einführung in die Sportgeschichte entstanden. Hill ist emeritierter Professor der „Historical and Cultural Studies“ an der DMU und war zwischen 2001 und 2007 Direktor des ICSHC. Sein Buch – „Sport in History. An Introduction“ – ist für Student/inn/en geschrieben, die an einem sportwissenschaftlichen Universitätsprogramm teilnehmen; eine fachliche Vorbildung in den Geschichtswissenschaften setzt Hill aber nicht voraus. Als Einführung in und Annäherung an Sportgeschichte nimmt das Buch ausdrücklich Abstand von besonders detaillierten Darstellungen einer Entwicklung des Sports wie auch von „technischen“ Feinheiten und fachinternen Diskussionen der Geschichtswissenschaft. Stattdessen gibt Hill einen umfangreichen Überblick vor allem über die britisch-amerikanische Sportgeschichtsschreibung, indem er mit Hilfe einer Vielzahl (genauer dreißig) kleinerer Fallstudien und kurzer Rezensionen sowohl zentrale Probleme der Interpretation und Methodologie als auch einzelne für die Sportgeschichte relevante Historiker/innen vorstellt. Sechs große Themenfelder, die im Weiteren noch zur Sprache kommen, strukturieren das Buch in einzelne Kapitel; jeder dieser Abschnitte schließt mit weiterführenden Literaturtipps und vier bis fünf Fragen ab, die dazu animieren sollen, Gelesenes zu rekapitulieren.

Im ersten Kapitel – „Sport Matters“ – setzt sich Hill ganz grundsätzlich mit der Notwendigkeit einer kultur- und sozialwissenschaftlichen Sportgeschichtsschreibung auseinander und benennt als zentrale Beispiele unter anderem Arbeiten von Pierre Bourdieu, Patricia Vertinsky und Sherry McKay und CLR James.1 Allen gemeinsam ist das Anliegen herauszuarbeiten, welchen Platz das Phänomen Sport in der Gesellschaft einnimmt, wo es seine Ursprünge hat, wie es sich entwickelte und welche Zwecke es erfüllt. Hill betont, dass für die geschichtswissenschaftlichen Analysen historische Fakten alleine nicht ausreichen, erst die Hilfsmittel eines theoretischen Überbaus ebnen einen Weg zur „Wahrheit“. Als für die Sportgeschichte zentrale Theorien benennt Hill marxistische Theorien, Modernisierungstheorien, Geschlechtertheorien, Globalisierungstheorien und den so genannten „linguistic turn“.

Im nachfolgenden Kapitel – „The Transition to Modern Sport“ – stellt Hill zum einen die Veränderungen von Institutionen und Praktiken im Sport, zum anderen den Einfluss, den die Geschichte auf ein heutiges Sportverständnis hat, in den Mittelpunkt. Ausgangspunkt und besonders kritisch zu lesendes Beispiel ist eine Studie Allen Guttmanns 2, in der sieben zentrale Charakteristika eines „modernen Sports“ in Abgrenzung zu den vermeintlich „traditionellen Spielen“ definiert werden. Anhand weiterer Fallbeispiele – unter anderem von Nancy L. Struna 3 – arbeitet Hill die Gefahren von Modernisierungstheorien heraus. Er macht deutlich, dass Sport eine lange Geschichte hat, in vielfältiger Weise in unterschiedlichsten Gesellschaften und Zeiten präsent war und wichtige soziale Funktionen besaß. Modernisierungstheorien à la Guttmann aber haben laut Hill den Hang, historische Veränderungen zu leicht mit Fortschritt gleichzustellen und richten zudem die Aufmerksamkeit eher auf zeitlich kurze Schlüsselphasen einer Veränderung und vernachlässigen so langfristige Dynamiken. Darüber hinaus legt Hill Gewicht auf die Kommerzialisierung des Sports als eine treibende Kraft von Veränderung im Sport.

Hills drittes Kapitel wendet sich Sport und Identität zu. Angeschnitten werden drei große Themenkomplexe: Nation, soziale Klasse und „Race“. Hills Absicht in diesem Kapitel ist es herauszuarbeiten, welchen Anteil Sport an der Gestaltung eines Selbstverständnisses haben kann, ein Prozess, den Hill als kulturell determiniert und dementsprechend wandelbar vorstellt. Als besonders problematisch beschreibt Hill das Thema „Race“ und begründet damit auch gleich, warum britische Sporthistoriker/innen sich nur selten in diesen Diskussionsraum begeben. In Europa (Großbritannien) konzentrierte sich die Diskussionen um „Race“ und insbesondere auch Ethnizität bis vor kurzem vor allem auf die europäischen Kolonien; im Grunde werden sie als ein externes Phänomen am Rande der europäischen Metropolen verstanden. Anders verhält es sich dagegen in den Vereinigten Staaten, dort ist das Thema Race ein Teil der internen Geschichte und folglich auch der Sportgeschichte. Als Fallbeispiele hat Hill David Remnicks Arbeit über Muhammad Ali in diesem Kapitel einem Aufsatz von Jack Williams 4 über asiatisches Kricket in Bolton gegenübergestellt, um die Unterschiede zwischen einer britischen Diskussion um ethnische Diversität und einer US-amerikanischen Diskussion um „Race“ zu betonen.

Einleitend in sein viertes Kapitel – „Sport and Gender“ – stellt Hill fest, dass sich eine Auseinandersetzung mit Geschlechterverhältnisse im Sport bis vor kurzem noch mit der Beteiligung oder aber eben mit der fehlenden Beteiligung von Frauen am Sport beschäftigte. Allein diese Tatsache belegt die bis heute fast ungebrochene Dominanz von Männern im Sport und Hill verweist auf die historischen Rahmenbedingungen eines durch Rollenverteilung bedingten ausschließlich männlichen Anspruchs auf Freizeit. Hill sieht es explizit als Fortschritt, dass die Geschlechterforschung nun auch Fragen nach der Reproduktion von Männlichkeit im Sport oder nach den Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Geschlechternormen und Sportwelten aufgeworfen hat. Neben der Frage, wie Sportgeschichte als Geschlechtergeschichte geschrieben wird, interessiert Hill in diesem Kapitel insbesondere der Erkenntniswert dieser Forschungsfragen, die er mit einer politischen Forderung nach mehr Geschlechtergerechtigkeit im Sport verbindet.

Das fünfte Kapitel – „Mediating Sport“ – setzt sich mit den vielleicht wichtigsten Multiplikatoren des Sports auseinander, den Medien. Die Vermittlung von Sport über Radio, Fernsehen, Film und Printmedien aller Art ist zum einen richtungweisend für die Entwicklungen von Sport, zum anderen sind diese Medien zentrale Quellen vieler sporthistorischer Analysen. Eine grundlegende Beschäftigung mit den unterschiedlichen Formen medialer Sportvermittlung ist letztlich nicht nur im Sinne der Quellenkritik unvermeidlich. Die Ideen und Vorstellungen von Sport werden permanent über die unterschiedlichen medialen Kanäle reproduziert, so dass Sport letztlich zu großen Teilen genau durch diesen Prozess der medialen Aufarbeitung und Verbreitung für ein großes Publikum überhaupt erst existent wird.

Das letzte Kapitel behandelt das Thema Sport in einer globalisierten Welt. Hill konzentriert sich darin auf drei Hauptpunkte: Die weltweite Verbreitung von Sport, die internationale Arbeitsmigration von Sportlern und die Entwicklung von internationalen Sportorganisationen. Hill unterstreicht mit einer ganzen Reihe von Fallbespielen, dass der internationale Diffusionsprozess vor allem von Großbritannien ausging. Spezifisch amerikanische Sportarten scheinen dagegen weniger internationale Akzeptanz gefunden zu haben. Hill sieht einen der Hauptgründe für dieses Phänomen in der Tatsache, dass im Rahmen des europäischen Kolonialismus Sport schon im 19. Jahrhundert durch viele Agenten (Kirchen, Militär, Schulen…) in den Kolonien implementiert und gefördert wurde. Die Vereinigten Staaten dagegen konnten als politische und kulturelle Weltmacht des 20. Jahrhunderts dem bis dahin etablierten internationalen Sportgeschehen nur noch wenig hinzufügen. Als einen letzten wichtigen Punkt bringt Hill in diesem Kapitel noch die Diskussion um national spezifische Sportstile an. Nationale Taktiken oder auch regionale Spielstile kämen in historischen Analysen häufig zu kurz. Während ökonomische, politische, soziale und kulturelle Aspekte zur Sprache kommen, wird das Spiel selbst nicht in den Blick genommen. Hill kritisiert, dass der Stil eines Spiels oder einer Sportart noch zu selten als Quelle genutzt würde, um historische Prozesse deutlich zu machen.

Jeffrey Hills „Sport in History“ stellt sich als eine thematisch gegliederte und umfassend kommentierte Sammelrezension dar. Hill legt seine Schwerpunkte in der Textauswahl zum einen auf Mannschaftssport, zum anderen auf britischen Sport. Die meisten Fallbeispiele setzen sich mit Kricket und Fußball auseinander, vereinzelt wird ein spezifisch US-amerikanischer Sport erörtert. Individualsportarten sind nur mit Boxen und Leichtathletik vertreten, Tanzsport, Wassersport oder auch Wintersport finden dagegen gar keine Erwähnung. Die Auswahl erscheint in Teilen einem nationalen Sportverständnis des Vereinigten Königreiches geschuldet, sie spiegelt aber auch das Profil der „de Montford University“ in Leicester, die mit ihrer Anbindung an den FIFA Master des „International Centre for Sport Studies“ (CIES) großes Gewicht auf Fußball legt. Nichtsdestotrotz ist „Sport in History“ eine gelungene Einführung in die kulturwissenschaftliche Sportgeschichte, die nicht nur sporthistorische Fachbeiträge vorstellt, sondern auch Schlüsselbegriffe benennt, Leitfragen stellt und Forschungslücken aufzeigt. Sie ist somit allen zu empfehlen, die einen Einstieg in die Sportgeschichte suchen.

Anmerkungen:
1 Pierre Bourdieu, Sport and Social Class, in: Alan Tomlinson (Hrsg.), The Sport Studies Reader, Abingdon 2007, S 237-41; Patricia Vertinsky / Sherry McKay, Disciplining Bodies in the Gymnasium. Memory, Monument, Modernism, London 2004; CLR James, Beyond a Boundary, London 1969.
2 Allen Guttmann, From Ritual to Record. The Nature of Modern Sports, New York 1978.
3 Nancy L. Struna, People of Prowess. Sport, Leisure and Labor in Early Anglo-America, Urbana 1996.
4 David Remnick, King of the World. Muhammad Ali and the Rise of an American Hero, New York 1998; Jack Williams, South Asians and Cricket in Bolton, in: Sports Historian, Vol. 14, 1994. S. 56-65.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension