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Titel
Das Papsttum im Mittelalter.


Autor(en)
Frenz, Thomas
Reihe
UTB 3351
Erschienen
Köln 2010: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
251 S.
Preis
€ 15,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Schrör, Historisches Seminar, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Die Darstellung ist in fünf größere Kapitel unterteilt: Nach dem Vorwort (S. 9–10) und einer knappen Einleitung (S. 11–13) wendet sich Thomas Frenz zunächst den „Epochen der mittelalterlichen Papstgeschichte“ zu (S. 15–65), darauf „Papsttum und Politik“ (S. 66–103), „Papsttum und Kirche“ (S. 104–125), schließlich behandelt er den „Papst als Bischof von Rom“ (S. 126–163) und „Die römische Kurie und ihre ,Außenstellen‘“ (S. 164–208). Als Anhang fungieren eine Papstliste (die bis in die heutige Zeit reicht), eine Auswahlbibliografie, ein Abbildungsnachweis und ein Register.

Bereits die thematische Gliederung des Stoffes durch die genannten Kapitelüberschriften macht deutlich, wie schwierig der Komplex des „Papsttums im Mittelalter“ in ein Handbuch zu fassen ist. Eine strenge Auswahl der zu behandelnden Aspekte, ein stringenter Erzählfaden und ein gewisser Mut zur Lücke sind dabei wohl unverzichtbar. Um es direkt zu sagen: Frenz meistert diesen Spagat alles in allem souverän, auch wenn sein Werk – vielleicht gar nicht zu vermeidende – sachliche Wiederholungen oder Überschneidungen aufweist. Nicht umsonst bezeichnet Frenz das Papsttum als „sperriges historisches Phänomen“ (S. 9).

Im ersten Kapitel schildert Frenz mit großer Kenntnis der historischen Entwicklungslinien die wichtigsten Wegmarken des mittelalterlichen Papsttums. Dieser straffe Überblick ist stark ereignisgeschichtlich ausgerichtet. Bisweilen sieht sich Frenz veranlasst, bei bestimmten Themenkomplexen via Querverweis auf den stärker systematischen zweiten Teil seines Buches zu verweisen. Die folgenden, an Sachthemen orientierten Kapitel bieten dem interessierten Anfänger faszinierende Einblicke in die päpstliche Verwaltungstätigkeit, zur Papstwahl, zum Jurisdiktionsprimat oder dem Papst als Mäzen – um nur einige der zahlreichen Facetten des Panoramas aufzuzählen, das Frenz vor dem Leser ausbreitet. Der Fachmann findet in diesen Darstellungsteilen einen guten Überblick, bei dem es sich auszahlt, dass Frenz insbesondere im Bereich der päpstlichen Verwaltung und der Urkundentätigkeit im Spätmittelalter Grundlagenforschung betrieben hat. Daraus – und aus der besseren Quellenlage – erklärt sich wohl auch, dass in diesen Kapiteln ein besonderes Augenmerk auf die Zeit ab etwa 1200 gelegt worden ist.

Nur selten fordert Frenz den Rezensenten zu Widerspruch heraus und wenn dies geschieht, dann aufgrund von (zu) starken Zuspitzungen oder Simplifizierungen. So ist es zumindest zu hinterfragen, ob das Heilige Jahr 1300 „nur dadurch wichtig [war], [weil] ... es das Selbstbewußtsein des Papstes enorm steigerte“ (S. 50), weil ein solches Urteil die große finanzielle Bedeutung der Pilgermassen für Rom und das Papsttum ausblendet. Eventuell geht es auch zu weit, wenn Frenz schreibt, dass im 13. Jahrhundert bei der Kurie „die Obsession ... fort[bestand], die Staufer auch physisch vernichten zu müssen“ (S. 46). Die mehrfache Verwendung der Begriffe „international“ für das Wirken des mittelalterlichen Papsttums (zum Beispiel S. 34, 59) oder der „Reichsregierung“ (S. 25) in der späten Ottonenzeit mutet befremdlich an.

Knapp vierzig Tabellen und Abbildungen, Auflistungen und Karten fließen in die Darstellung ein und bieten dem Leser eine gute Orientierungs- und Einordnungshilfe. Die Qualität der Grafiken schwankt allerdings, vor allem die Karten wirken zuweilen etwas grobpixelig.

Leider hat das insgesamt gelungene Werk nicht das sorgfältige Lektorat erfahren, das es zweifellos verdient hätte. Mögen Fehler in der Interpunktion störend und unter Umständen verzeihlich sein (vergleiche etwa S. 25, 29, 31, 43f., 49, 51f., 151), so sind zuweilen falsche Datierungen doch ein gewisses Manko (etwa gibt S. 113 als Todesjahr Gregors I. 614 und nicht 604 an, S. 53 als Amtszeit Nikolaus' [V.] 1328–1300, anstatt 1328–1330; auf S. 37 wird die Kaiserkrönung Friedrich Barbarossas auf den 18.7.1155 datiert, korrekt ist der 18.6.1155).

Kurz zum Literaturverzeichnis: Hier vermisst der Rezensent einige jüngere Beiträge, die der Erforschung der mittelalterlichen Papstgeschichte wichtige, ja grundlegende Impulse gegeben haben. Zu nennen sind hier die Arbeiten Harald Müllers über die delegierte päpstliche Gerichtsbarkeit, diejenige von Stefan Weiß über die Urkunden päpstlicher Legaten oder die von Jochen Johrendt über Papsttum und Landeskirchen.1 Bei den Publikationen zu einzelnen Päpsten sucht man beispielsweise vergeblich nach den Arbeiten Johannes Laudages über Alexander III., nach der von Robert Markus über Gregor I., der von Klaus Herbers über Leo IV., und schließlich fehlen die gewichtigen Monografien von Uta-Renate Blumenthal und H.E.J. Cowdrey über Gregor VII. oder etwa Charles Muniers – freilich nur zum Teil geglückte – Abhandlung über Leo IX.2

Das Fazit: Zur Geschichte und Wirkmächtigkeit des Papsttums im Mittelalter bietet das flüssig zu lesende Buch insgesamt kaum bisher Unbekanntes – aber das ist auch nicht der Anspruch des Werkes. Frenz hat eine Geschichte des Papsttums im Mittelalter in Handbuchform verfasst, auf die insbesondere Studierende dankbar zurückgreifen werden. Der ereignisgeschichtlich ausgerichtete erste Teil zu den Epochen der mittelalterlichen Papstgeschichte ist solide; ausführlicher und verlässlicher informiert hier nach wie vor Bernhard Schimmelpfennigs Standardwerk.3 Die wahren Stärken des Buches sind vielmehr in den strukturgeschichtlichen Kapiteln zwei bis fünf zu finden, die einen überaus gelungenen Überblick über zahlreiche Aspekte des päpstlichen Selbstverständnisses, der Verwaltungstätigkeit, den Aufbau der (spät-)mittelalterlichen Kurie und den gesamtkirchlichen Herrschaftsanspruchs der Bischöfe von Rom bieten.

Anmerkungen:
1 Harald Müller, Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie (12. und frühes 13. Jahrhundert), 2 Bde., Bonn 1997; Stefan Weiß, Die Urkunden der päpstlichen Legaten von Leo IX. bis zu Coelestin III. (1049-1198), Köln u.a. 1995; Jochen Johrendt, Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der päpstlichen Urkunden (896–1046), Hannover 2004.
2 Johannes Laudage, Alexander III. und Friedrich Barbarossa, Köln 1997; Robert Austin Markus, Gregory the Great and his World, Cambridge 1997; Klaus Herbers, Leo IV. und das Papsttum in der Mitte des 9. Jahrhunderts – Möglichkeiten und Grenzen päpstlicher Herrschaft in der späten Karolingerzeit, Stuttgart 1996; Uta-Renate Blumenthal, Gregor VII. Papst zwischen Canossa und Kirchenreform, Darmstadt 2001; Herbert E.J. Cowdrey, Pope Gregory VII 1073–1085, Oxford 1998; Charles Munier, Le pape Léon IX et la réforme de l'Eglise 1002–1054, Straßburg 2002.
3 Bernhard Schimmelpfennig, Das Papsttum. Von der Antike bis zur Renaissance, 6. bibliografisch aktualisierte Aufl., Darmstadt 2009, das sich in der Bibliographie bei Frenz nicht findet.

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