M. Trundle (Hrsg.): New Perspectives on Ancient Warfare

Cover
Titel
New Perspectives on Ancient Warfare.


Herausgeber
Trundle, Matthew; Fagan, Garrett G.
Reihe
History of Warfare 59
Erschienen
Anzahl Seiten
XIII, 372 S.
Preis
€ 140,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Josef Löffl, Alte Geschichte, Universität Regensburg

Die Intention dieses Sammelbandes wird von seinen beiden Herausgebern Garrett G. Fagan und Matthew Trundle in ihrer Einführung (S. 1–19) treffend zum Ausdruck gebracht: Ziel ist es, Aspekte der antiken Militärgeschichte zu behandeln, die in der Regel nur am Rande der gängigen Forschungsaktivitäten angesiedelt sind (S. 19). Gerade darin liegt – dieses Urteil sei hier bereits vorangestellt – der große Wert der Publikation, in der facettenreich in zehn Aufsätzen ein breiter historischer Bogen von der Kriegsführung der Assyrer bis zum Wesen des exercitus Romanus in der späten Republik gespannt wird. Der Band verfügt sowohl über eine Gesamtbibliographie (S. 331–358) als auch über einen Generalindex (S. 359–372) zu allen in ihr enthaltenen Aufsätzen, was einen schnellen Zugriff auf Einzelaspekte ermöglicht. Am Ende befindet sich ein gesonderter Bildteil mit 26 Abbildungen.

An das Einführungskapitel, in dem unter anderem die soziokulturelle Bedeutung des Phänomens Krieg im Alten Orient und in der Antike (S. 1–5) angesprochen wird und welches zudem einen Überblick zu den (angelsächsischen) Forschungstrends der letzten Jahrzehnte beinhaltet (S. 5–16), schließt sich der Aufsatz „Weapons, Technological Determinism, and Ancient Warfare“ (S. 21–56) an, in dem Fernando Echeverriá Rey darlegt, dass militärtechnische Innovationen in der Antike als personen- oder gruppengebundene Elemente darstellt wurden. In diesem Zusammenhang führt Rey weiter aus, dass der antike Leser einen anderen Zugang zu dieser Thematik erwartete als sein modernes Pendant, da das Alltagsleben in der Antike nicht so sehr von technologischen Gesichtspunkten durchdrungen war, wie dies heute der Fall ist (S. 33). In der Darstellung der antiken Literatur habe daher der Faktor Mensch als Ursache für Sieg oder Niederlage weit mehr im Vordergrund als technische Aspekte gestand (S. 41). Rey belegt durch zahlreiche Beispiele, wie gefährlich der Weg des technological determinism ist, mit dessen Hilfe die Geschichtsforschung das Phänomen Krieg zu erklären versucht, wodurch der „unlogische“ Faktor Mensch keinen gebührenden Platz mehr in den entsprechenden Überlegungen findet oder schlichtweg ganz aus ihnen verbannt wird (S. 54f.).

Ein solch technischer Aspekt steht im Mittelpunkt des Beitrages „Chariotry to Cavalry: Developments in the Early First Millenium“ von Robin Archer (S. 57–79), an dessen Anfang ein Überblick über die verschiedenen Vorstellungen zum Einsatz von Streitwägen steht: Unter Abwägung unterschiedlicher Modelle (wie etwa dem des Streitwagens als battle taxi) führt der Autor als die gängige Forschungsmeinung an, dass der Streitwagen erst durch die Kombination mit einer Fernwaffe wie dem Kompositbogen zu einer effektiven Kampfeinheit wurde (S. 58–61). Im Folgenden thematisiert Archer die unterschiedlichen Sichtweisen hinsichtlich der Effektivität des Streitwagens als mobiler Plattform für Bogenschützen und kommt zu dem Schluss, dass diese Einheiten am Wahrscheinlichsten mit einer Art „hit-and-run“-Taktik agierten, womit auch der Tatsache Rechnung getragen wurde, dass Verluste in diesem Bereich nicht so einfach wettgemacht werden konnten wie etwa bei der Infanterie (S. 61–66). Archer erläutert zudem den aktuellen Forschungsstand zu den Anfängen der Nutzung des Pferdes als Reittier im Kampf (S. 66) und erläutert, dass der Einsatz der Kavallerie am Beginn des 1. Jahrtausends v.Chr. bis zum 8. Jahrhundert v.Chr. sich sehr stark an dem der Streitwägen orientierte und dessen Strategien folgte (S. 72f.).

Im Aufsatz „‚I Fell upon Him like a Furios Arrow‘: Toward a Reconstruction of the Assyrian Tactical System“ (S. 81–100) befasst sich Garrett G. Fagan mit dem taktischen Vorgehensmuster der assyrischen Armee, das im Gegensatz zu anderen Aspekten wie etwa der Kriegstechnik nach wie vor sehr viele Fragen aufwirft (S. 82). Zunächst stellt der Autor die unterschiedlichen Sichtweisen der Forschung zur assyrischen Armee dar (S. 84–87) und beleuchtet im Anschluss daran die Quellenlage; die entsprechenden Texte sind zwar reich an Hinweisen auf Feldzüge, enthalten aber kaum Material, welches wertvoll für die Rekonstruktion des taktischen Systems sein könnte (S. 87–93). Im Folgenden wendet sich Fagan den assyrischen Reliefdarstellungen zu, in deren militärischen Kontext Belagerungsszenen überwiegen; diese legen zwar Zeugnis über den hohen Grad an Spezialisierung in der Armee ab, liefern aber wiederum keine Anhaltspunkte hinsichtlich taktischer Aspekte (S. 93–98). Der zentrale Vorteil der assyrischen Truppen habe augenscheinlich in der großen Bandbreite an unterschiedlichen Spezialisten und Einheiten bestanden, durch die ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit generiert worden sei, schließt Fagan (S. 98–100).

Christopher Tuplins Beitrag „All the King’s Horse: In Search of Achaemenid Persian Cavalry“ (S. 101–182) ragt in diesem Band nicht nur wegen seines Umfanges (82 Seiten) hervor: Auf Grund seiner feinen Untergliederung kommt ihm die Funktion eines kleinen Handbuches zur persischen Kavallerie zu. Da es dem Autor gelungen ist, alle relevanten Zugänge zur Thematik in seinen Aufsatz zu integrieren, handelt es sich hier um ein Muss für jeden, der sich mit der Kriegsführung der Achämeniden auseinandersetzen möchte.

Im Mittelpunkt des Aufsatzes „A Cup by Douris and the Battle of Marathon“ (S. 183–204) steht die Darstellung einer Douris zugeschriebenen Schale (Beazley ARV²1569 = Beazley Archive Database 205360) aus dem frühen 5. Jahrhundert, die zwei nebeneinander laufende Krieger ohne Bart zeigt, wobei der eine mit der Ausrüstung eines Hopliten, der andere mit der eines Bogenschützen ausgestattet ist. Beide tragen einen Speer über der Schulter, wobei der Bogenschütze bemerkenswerter Weise zwar über einen Köcher, nicht aber über einen Bogen verfügt. Peter Krentz geht der Frage nach, welcher historische Kontext hier dargestellt ist und widerlegt zunächst die Thesen, beim Bogenschützen könnte es sich um eine Amazone oder einen Skythen handeln (S. 183–186). Der Autor vermutet vielmehr, es handele sich hierbei um eine Szene aus der Schlacht von Marathon, und startet einen äußerst lesenswerten Exkurs über das tatsächliche Gewicht einer Hoplitenausrüstung, wobei er sich etwa auf experimental-archäologisch ermittelte Daten stützt (S. 188–197). Daran schließt sich die Behandlung der Frage an, wie lange man überhaupt mit einer solchen Ausrüstung laufen konnte (S. 197–201). Abschließend gelangt Krentz zur Überzeugung, dass es sich bei beiden Personen auf der Douris-Schale um Athener in der Schlacht bei Marathon handelt, die gerade zum Angriff übergegangen sind, wobei der Hoplit seine schwere Lanze an den Bogenschützen übergeben hatte, um selbst lediglich einen leichten Wurfspeer zu führen (S. 201–204).

Im Mittelpunkt des Aufsatzes von Hans van Wees („‚Those Who Sail Are to Receive a Wage‘: Naval Warfare and Finance on Archaic Eretria“, S. 205–226) steht eine auf die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts v.Chr. datierte Inschrift aus Eretria (IG XII.9 1273.1274, Zeilen 10–16 = SEG 41, 725), aus der hervorgeht, dass die Besatzungen der Kriegsschiffe von Eretria Sold erhielten – und dies rund 40 Jahre bevor ein derartiger Vorgang für Attika belegt ist. Nach einer Auflistung aller Einzelheiten zum Text der Inschrift und ihrer möglichen Interpretationen (S. 206–210) befasst sich van Wees mit der generellen Bedeutung von Sold für die Kriegsführung im Griechenland des 6. und 5. Jahrhunderts (S. 210–214). Daraufhin beleuchtet der Autor die Etablierung eines solchen „Marine-Soldes“ in Eretria vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung am Ende des 6. Jahrhunderts (S. 214–221) und kommt zu dem Schluss, dass mit dieser Maßnahme den Veränderungen in der Kriegsschifffahrt Rechnung getragen wurde (S. 222–226). Wie bei dem vorangegangenen Beitrag steht auch in „Coinage and the Transformation of Greek Warfare“ (S. 227–252) von Matthew Trundle der Aspekt des Geldes im Vordergrund. Negativ ist hier anzumerken, dass Trundle auf Untergliederungen verzichtet, was den Aufsatz etwas unübersichtlich macht. Beleuchtet wird hier die Bedeutung des Münzwesens für die Entwicklung der Kriegsführung im Griechenland des 5. und 4. Jahrhunderts auf unterschiedlichen Ebenen, wobei auch Aspekte wie Prestige nicht ausgespart werden. Trundle gelingt eine prägnante Zusammenfassung dieser Aspekte.

Ein Resümee des aktuellen Forschungsstandes zum Themenbereich der karthagischen Flotte liefert Louis Rawlings („The Carthaginian Navy: Questions and Assumptions“, S. 253–287), wobei zunächst die archäologisch nachweisbaren Einrichtungen dieser Seekriegsmacht behandelt werden (S. 260). Nach der Untersuchung der literarischen und archäologischen Quellen geht Rawlings Fragen der Ressourcen der Flotte (S. 265-272) sowie der verwendeten Schiffstypen (S. 272–274) nach. Weiterhin behandelt der Beitrag den opus moderandi der punischen Flotte (S. 274–278) und die bekannten Seegefechte der Karthager (S. 278–285).

Im ersten Teil seines Aufsatzes „Phalanges in Rome?“ (S. 289–303) befasst sich Nathan Rosenstein mit den verschiedenen Forschungsansätzen zur Transformation der Armee Roms in der Königszeit in eine Hopliten-Truppe und unterstützt dabei die These von Hans van Wees, dass im griechischen Raum diese Kampfweise erst am Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr. in voller Entfaltung auftritt, weshalb eine solche Phalanx im römischen Heer bereits im Kontext der sogenannten Heeresreform des Servius Tullius seiner Meinung nach als unwahrscheinlich zu erachten ist (S. 289–292). Im Folgenden erörtert der Autor die Frage, ob es ein militärisches Ereignis wie etwa die Niederlage an der Allia oder einen Gegner auf dem Schlachtfeld gab, der Rom zur Einführung einer solchen Phalanx veranlasst haben könnte, wofür es aber nach Rosenstein keinen nachhaltigen Beleg gibt (S. 294). Auf Grund der Quellenlage sei es nicht möglich, ein definitives Urteil über entsprechende Entwicklungen zu fällen: Allem Anschein nach habe sich die römische Armee bereits in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts zur Manipular-Armee gewandelt, wobei der Weg dorthin realiter so gut wie nicht nachvollzogen werden könne (S. 302f.).

Mit der Entwicklung der Kriegsführung Caesars befasst sich David Potter („Caesar and the Helvetians“, S. 305–329), der zunächst darauf verweist, dass sich Caesars militärische Schilderung sehr stark an den literarischen Darstellungen der entsprechenden Leistungen seines Onkels Marius orientierten (S. 305–307). Potter führt weiter aus, dass die römische Armee zur Zeit Caesar nur noch in Ansätzen etwas mit dem exercitus Romanus zu tun hatte, wie ihn Polybios beschreibt, und dass wir daher von Übergangsphase am Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr. ausgehen müssen, in der verschiedene Modelle parallel existierten (S. 307–315). Ein Teil des Wandels, so der Autor, habe darin bestanden, dass sich in der späten Republik auch die Rekrutierungsmöglichkeiten verändert hätten: Nun seien ganze Einheiten aus demselben Landstrich Italiens ausgehoben worden (S. 318–331). Auch dem Centurionat sei in dieser Phase eine ganz andere Bedeutung als zu Polybios’ Zeiten zugekommen, als die Soldaten diese Charge noch aus ihren eigenen Reihen gewählt hätten. Potter betont, dass in der späten Republik der Rang des Centurio als passend für Männer höherer sozialer Abstammung wie etwa dem Ritterstand erachtet wurde (S. 321–325). Im Laufe des Gallischen Krieges habe sich Caesar von seinem Vorbild Marius sukzessive gelöst, so Potters Fazit (S. 325–329).

Der Sammelband richtet sich in erster Linie an eine in der antiken Militärgeschichte bereits kundige altertumswissenschaftliche Leserschaft. Er kann ohne jegliche Einschränkung zum Kauf empfohlen werden, da er eine Fülle unterschiedlicher Ideen und innovativer Ansätze in sich vereint, die zu weiteren Untersuchungen anregen.

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