N. Schepkowski: Johann Ernst Gotzkowsky

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Titel
Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin


Autor(en)
Schepkowski, Nina Simone
Erschienen
Berlin 2009: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
X, 594 S.
Preis
€ 89,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter-Michael Hahn, Landesgeschichte, Universität Potsdam

Zwar haben schon in der Vergangenheit Gelehrte wie Ernst Consentius, Georg Malkowsky, Walter Stengel und vor allem Paul Seidel sowie in jüngerer Zeit Helmut Börsch-Supan aus unterschiedlichen Perspektiven die ältere Kultur- und Kunstgeschichte der Berliner Residenzlandschaft erhellt. Aber zahlreiche Fragen etwa zur Geschmacksbildung und dem Kunsthandel blieben dennoch weitgehend unbearbeitet. Dies war und ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass im Kontext preußischer Staatsbildung dem kulturellen Faktor als Mittel der Identitätsstiftung und politischen Profilierung oftmals eine eher mäßige Beachtung geschenkt wurde. Überdies rückte Berlin als ein kulturelles Zentrum erst mit dem 19. Jahrhundert verstärkt ins öffentliche Bewusstsein und damit auch in das der wissenschaftlichen Forschung.

Diese Situation veranschaulicht die vorliegende, gründlich recherchierte Dissertation von Nina Simone Schepkowski in mehr als einer Hinsicht vortrefflich. Im Mittelpunkt der Studie steht mit Johann Ernst Gotzkowsky ein frühneuzeitlicher Unternehmer, der in seiner Person nüchternen Geschäftssinn, Bürgertugenden und Hofnähe, sozialen Ehrgeiz und Bedenkenlosigkeit bestens vereinte. Frühzeitig erkannte er in der Versorgung des Fürstenhofes, insbesondere des Berliners, mit Luxusgütern aller Art ein für sich ertragreiches Geschäftsfeld. Waren es anfangs große Porzellanservice aus Meißen und kostbare Tabakdosen, die Gotzkowsky dem preußischen König Friedrich II. lieferte, so traten später Gemälde in den Vordergrund seiner Aktivitäten. Seinen Bestand an meisterlichen Bildern hatte Gotzkowsky in zwei, wohl in geringer Auflage gedruckten Katalogen dokumentiert, um sich einerseits als Händler-Sammler einen Namen in einer breiteren Öffentlichkeit zu machen und um andererseits die Gemälde einem potenziellen Kundenkreis offerieren zu können.

Gotzkowskys Bildervorrat wird von der Autorin auf Herkunft, Zuschreibung und späteren Verbleib im Detail untersucht. Damit verwoben wird ein ausführlicher Abriss der unternehmerischen Aktivitäten ihres damaligen Besitzers, der allerdings immer wieder an quellenbedingte Grenzen stößt. Dennoch wird sehr deutlich, wie eng Wohl und Wehe Gotzkowskys mit dem Verhalten seines fürstlichen Protektors und seiner fürstlichen Klientel verbunden waren. Warenhandel und das mit vielfältigen Risiken behaftete Kreditgeschäft mit einem Fürstenhaus waren unlösbar miteinander verflochten.

Deshalb weitet die Verfasserin ihren Blick häufig über den eigentlichen Gegenstand ihrer Darlegungen aus. Dadurch fällt mancher bemerkenswerte Seitenblick auf den friderizianischen Kunstbetrieb. So sehen wir einen preußischen Monarchen, der in seinem Bildergeschmack in hohem Maße von seinen intellektuellen Beratern abhängig war, der auch nicht wie andere Monarchen eine Form von persönlicher Kennerschaft entwickelte. Er entsprach darin in vieler Hinsicht jedoch seinen Amtsvorgängern auf dem Hohenzollernthron. Nicht minder spannend sind die Beobachtungen zu den Hintergründen und näheren Umständen des Verkaufs der wichtigsten Teile der Sammlung Gotzkowsky an die russische Herrscherin Katharina II. Politischer Druck, überlegene Geldmittel und die Hoffnung auf Wohlverhalten von Seiten des Zarenhofes waren die bestimmenden Motive für die preußischen Akteure, wobei die Nachwirkungen des Siebenjährigen Krieges noch allenthalben zu spüren waren.

Aufschlussreich sind die Darlegungen zum Bilderbestand, der in mehreren Anhängen illustriert wird. Sie geben genauere Auskunft über den gesamten Gemäldevorrat, damalige Zuschreibungen und dessen exakte ökonomische Bewertung. Auch Gotzkowsky war in der Auswahl und Bewertung der Gemälde von seinen Lieferanten stark abhängig. Über Leipzig wickelte er seine wichtigsten Geschäfte ab, und sächsische Amtsträger waren seine maßgebenden Partner. Ein erheblicher Teil der Gemälde hatte der Berliner Kaufmann im Grunde über den sächsischen Hof bezogen.

In Friedrichs Sammlung sollte daher so manches Bild, welches in Dresden nur das Magazin geziert hatte, hängen. Dagegen nahm der König davon Abstand, etliche der kostbaren niederländischen Gemälde, die später zu den Prunkstücken der Petersburger Eremitage zählen sollten, aus Gotzkowskys Sammlung anzukaufen. Dies dürfte vor allem auf den Einfluss des Marquis d’Argens zurückzuführen gewesen sein. Überdies trug er wohl auch die Verantwortung dafür, dass zahlreiche Werke – wie die Autorin im Einzelnen nachweist – aus diesem Bestand fälschlicherweise renommierten Künstlern zugeschrieben und deshalb von Friedrich II. erworben wurden.

In Anbetracht der schwierigen Quellenlage ist es Schepkowski bestens gelungen, einerseits Entstehung und Verbleib der größten privaten Berliner Gemäldesammlung im 18. Jahrhundert zu klären und andererseits durch eine Vielzahl von aufschlussreichen Details die Kunstpolitik Friedrichs und ihre praktische Umsetzung zu beleuchten. In einer Residenzstadt, deren Kunstbetrieb noch in jeder Hinsicht auf Personen und Güter von außen dringend angewiesen war, um pulsieren zu können, stellte ein Unternehmer wie Gotzkowsky die große Ausnahme dar. Mit Wagemut und großem Engagement hatte er trotz kriegerischer Zeiten einen Bestand an Gemälden zusammengetragen, der hinsichtlich Menge und Qualität herausragte. Allein dem preußischen König hatte der Sinn gemangelt, diese ungewöhnliche Gelegenheit in ihrer vollen Tragweite zu erkennen und zu nutzen.

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