T. Winkelbauer: Gundaker von Liechtenstein als Grundherr

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Titel
Gundaker von Liechtenstein als Grundherr in Niederösterreich und Mähren. Normative Quellen zur Verwaltung und Bewirtschaftung eines Herrschaftskomplexes und zur Reglementierung des Lebens der Untertanen durch einen adeligen Grundherrn sowie zur Organisation des Hofstaats und der Kanzlei eines „Neufürsten“


Autor(en)
Winkelbauer, Thomas
Reihe
Fontes rerum Austriacarum, Fontes Iuris, Bd. 19
Erschienen
Anzahl Seiten
559 S.
Preis
€ 69,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lorenz Mikoletzky, Österreichisches Staatsarchiv, Wien

Schon im 17. Jahrhundert galt die Verwaltung der liechtensteinischen Güter und Herrschaften in Österreich, Böhmen, Mähren und Schlesien als vorbildlich und diese Meinung kann nach der „Lektüre“ der vorliegenden voluminösen Publikation auch vier Jahrhunderte danach bestätigt werden. Ein solcher Nachweis muss aber auch für die Leserinnen und Leser klar ausgearbeitet werden, denn sonst ist einer derartigen Publikation lediglich ein Platz im Bibliotheksregal bestimmt. Vielen Untersuchungen in ähnlicher Form ist dieses Schicksal nicht erspart geblieben.

Doch in diesem Fall war mit Thomas Winkelbauer ein Historiker ersten Ranges an die Arbeit gegangen, ein Autor, der sich durch wesentliche vorangehende bzw. parallel durchgeführte Untersuchungen schon ausweisen konnte. Diese Arbeiten (seine Habilitationsschrift über Gundaker von Liechtenstein – 1999 und die zweibändige österreichische Geschichte 1522-1699 – 2003) haben ihn, wie er selbst feststellt, daran „gehindert“ die vorliegende Publikation schon früher zugänglich zu machen. Und doch tragen diese Forschungen viel dazu bei, dass dieser Quellenband erscheinen konnte.

Auf den ersten Blick erscheint die Menge der erhaltenen Unterlagen zur Verwaltung und Bewirtschaftung sowie zur Reglementierung des Lebens seiner Untertanen aus der Zeit Gundakers von Liechtenstein, die vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis in dessen erste Hälfte reichen und auch noch durch Instruktion, Dekrete und dergleichen seiner Nachkommen ergänzt werden, enorm.

Winkelbauer gehört zu der aus der Sicht des Archivars heute bedauerlicherweise seltener werdenden Species von lehrenden Historikerinnen/Historikern die selbst in Archiven forschen und anhand von Originalquellen arbeiten. Bei ihm ist noch die Lust zu bemerken, den „Gluthauch“ der Geschichte in der Hand zu halten, wie dies Alphons Lhotsky einmal forderte. Und dass dieses Material erhalten blieb ist der Sorgsamkeit von Archivarinnen und Archivaren zu verdanken, die die Quellen nach ihrem ständigen Gebrauch in ihren Gewahrsam nahmen und in weiterer Folge dem Interessierten zur Verfügung stellen konnten. Im speziellen Fall ist dies das Hausarchiv der Regierenden Fürsten von Liechtenstein, in dem sich die hier verwendeten Akten befinden. Der derzeitige Fürst hat auch die Drucklegung finanziell ermöglicht.

Insgesamt fanden 102 Stücke Eingang in die vorliegende Publikation, die sich in Polizeiordnungen, Instruktionen, Patente, Dekrete und Patente gliedern, durch die den Untertanen Vorgaben gegeben werden. Darunter finden sich Anweisungen für Pfleger, Dorfrichter, Müller oder Buchhalter. Eine Weinbergordnung, eine Zunftordnung, aber auch eine Spinnrobot, Brotback-, Bräuordnungen sowie Maßnahmen gegen Wucher oder betreffend die Eintreibung von Abgaben und Schulden liegen hier vor. Begreiflicherweise, durch den hier umfassten Zeitraum zu belegen, bildet die Gegenreformation einen wesentlichen thematischen Schwerpunkt.

Zu den Dokumenten gehört auch ein Dekret vom 6. Juli 1654 an den Pflegamtsverwalter der Herrschaft Ungarisch Ostra wegen einer bevorstehenden Sonnen- und Mondfinsternis. In diesem wird unter Hinweis auf den kommenden 12. August, an dem „ein erschröckliche und gahr sehr geferliche finsternus an der sonnen sich ereignen wirdt“, angeordnet, dass der Pflegamtsverwalter von 9.00 bis 12.00 Uhr zu Hause bleiben solle, „die fenster und thieren auf das peste verwahren, damit soviel müglich diese zeut uber sie kein lufft ahnkhome, kein wasser selbiges zeit und tages trincken, auch früe etwas essen sollen…“ (S. 441). Dasselbe habe bei der für den 27. August vorausgesehenen Mondfinsternis zu geschehen. – Ein interessantes kulturhistorisches Dokument, herausgehoben aus der Menge anderer bedeutender wirtschaftshistorischer/sozialgeschichtlicher Beispiele.

Diesen Quellen, die die Geschichte eines Hofstaates ungemein lebendig und vieles dem Nachgeborenen verständlich machen, wird von Winkelbauer eine über die Erklärung der Quellen hinausgehende, akribische Einleitung vorangestellt: Es ist eine eigenständige Geschichte zum Thema geworden. Ein eindrucksvolles Zeitbild liegt hier vor, ein Bild eines bedeutenden Grundherren, der auch als Hof- und Staatsmann wesentliche Zäsuren setzte, nicht allein durch seine Konversion vom Protestanten zum „glühenden“ Katholiken (1602), dem der Herausgeber schon eine eigene, nicht weniger bedeutende Arbeit widmete.

Die Durcharbeitung der Edition gereicht zum Vergnügen, da eine interessante Thematik die andere ablöst.

Man darf der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ihrem Obmann Werner Ogris und vor allem dem Bearbeiter Thomas Winkelbauer allerherzlichst gratulieren und für diese ausgezeichnete Arbeit, die auch durch ihre imposante Literaturliste beeindruckt, danken.

Ein positives Beispiel dafür, dass Editionen, trotz einiger Verzögerungen, doch in absehbarer Zeit beendet werden können.

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