D. Schläppi (Hrsg.): Helvetische Revolution

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Titel
Umbruch und Beständigkeit. Kontinuitäten in der Helvetischen Revolution von 1798


Herausgeber
Schläppi, Daniel
Erschienen
Basel 2009: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
106 S.
Preis
€ 18,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Laure Ognois, Eberhard-Karls-Universität Tübingen / Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Im Rahmen der 1. Schweizerischen Geschichtstage im März 2007 in Bern forderten die Veranstalter die „Auseinandersetzung mit der Neubewertung des Ereignisses in der Geschichte“ (S. 7). Daniel Schläppi, der Herausgeber des vorliegenden Bandes, entschloss sich, ein Panel zur Helvetischen Revolution unter dem Namen „Konstantes in Zeiten des Umbruchs“ anzubieten. Die vorliegende Publikation besteht aus den fünf Beiträgen, die Daniel Schläppi (Habilitand an der Universität Bern), Danièle Tosato-Rigo (Professorin für Geschichte der frühen Neuzeit an der Universität Lausanne), Andreas Würgler (Privatdozent für Neuere Geschichte und Schweizer Geschichte an der Universität Bern), Andreas Fankhauser (Staatsarchivar des Kantons Solothurn) und André Holenstein (Professor für ältere Schweizer Geschichte und vergleichende Regionalgeschichte an der Universität Bern) auf der Sektion präsentierten.

In seiner Einleitung „Die Helvetik (1798-1803) – Neue Ansätze zum Verhältnis von Wandel und Kontinuität anhand von Sondierbohrungen an einer paradigmatischen Epochenschwelle“ stellt Schläppi neben Intention, Fragen, Methoden und Thesen des Bandes die vier weiteren Beiträge kurz vor. Ausgehend von der Zeit der Helvetik, die in der alten, sowohl nationalen als auch liberalen Schweizer Historiographie als der Umbruch schlechthin in der Schweizergeschichte gedeutet wird, möchte Schläppi weg von der traditionellen Aufgabe der historischen Forschung (Beschreibung und Begründung des Wandels) hin zur Analyse der „unterbliebenen beziehungsweise unterbundenen Veränderungen“, zum „Aufspüren epochen-übergreifender Kontinuitäten“ (S. 12). „Das Ereignis als Katalysator für Konstantes“ (S. 13) wird zum methodisch und inhaltlich übergreifenden Postulat des Bandes erhoben, womit die Zeit der Helvetischen Republik (1798-1803) als Bruch in der Schweizer Geschichte relativiert, gar revidiert wird. Die vier weiteren Beiträge, die auf traditionelle Forschungsfelder wie die Verfassungs-, Politik- und Verwaltungsgeschichte fokussieren, sollen jeweils die übergreifende These des Bandes illustrieren.

Danièle Tosato-Rigo beleuchtet zunächst die Auseinandersetzung des Waadtlandes mit der Revolution von 1798, die sie kontrastierend mit derjenigen des Kantons Basel behandelt. In ihrem Beitrag, der auf den Erfahrungen der politischen Eliten während der Revolution basiert, stellt sie die These auf, dass die städtischen politischen Eliten in der Waadt die Revolution gezielt unterstützten und befeuerten, um damit ihre politische Macht zu sichern. Somit revidiert Tosato-Rigo die Idee, dass die Revolution in der Waadt „von unten“ ausgelöst wurde. Darüber hinaus zeigt sie, wie sich aus der waadtländischen Revolution eine Kontinuität ergab.

Andreas Würgler widmet sich in seinem Beitrag den Bittschriften in der Zeit zwischen dem Ancien Régime und der Helvetischen Republik. Diese Ego-Dokumente, in denen sich die Bevölkerung zu Wort meldete, bilden eine gute Quelle, um den kommunikativen Umgang zwischen Regierenden und Regierten zu erfassen. Sie sind nicht nur „Spiegel des Umbruchgeschehens, das andere vorantreiben, sondern auch aktive Kommentare desselben in Gestalt ausformulierter Forderungen“ (S. 51). Fokussierend auf den sprachlichen und inhaltlichen Wandel der Bittschriften untersucht Würgler die Veränderungen in der Sprache und im Tonfall, in den Inhalten und schließlich in den Argumentations- und Legitimationsmustern der Petitionen. Er kommt zu dem Schluss, dass die Kommunikationsmuster während des Übergangs vom Ancien Régime zur Helvetik unverändert blieben. Lediglich die Themen der Bittschriften (Einquartierungen etc.), die das Produkt des jeweiligen situativen Kontexts waren, änderten sich in der Helvetischen Republik.

In seinem Aufsatz „Die ‚Staats=Machine’ der Helvetischen Republik. Institutionelle und personelle Kontinuität innerhalb eines revolutionären Verwaltungsapparats“ untersucht Andreas Fankhauser den revolutionären Behördenapparat. Dabei zeigt er, wie die stark hierarchische Struktur des helvetischen Staates auf Vertreter und Institutionen des Ancien Régime zurückgriff, um die Verwaltung am Laufen zu halten. „Ohne Rückgriff auf die Strukturen und Institutionen des Ancien Régime wäre die Helvetische Republik vermutlich bereits vor 1802 zusammengebrochen“ (S. 82).

Schließlich plädiert André Holenstein in seinem Beitrag dafür, die Helvetik „in die im späten Ancien Régime einsetzende, längerfristige Dynamik“ einzubetten (S. 85). Nur so könne man die Deutung der Helvetik als Zäsur relativieren, die von den zwei Meistererzählungen über die Helvetische Republik propagiert wurde. Der Umbruchcharakter der Epoche wird bemerkenswerterweise sowohl von der konservativen Historiographie, welche die Periode aufgrund des Zentralismus und der französischen Fremdherrschaft als „Irrweg“ und unschweizerisches Experiment bezeichnet, als auch von der liberalen, linksbürgerlichen Geschichtsschreibung, welche die Helvetik als Anfang und Gründungsmoment der modernen Schweiz wahrnimmt, besonders hervorgehoben. Basierend auf der Lektüre der Helvetischen Verfassung sieht Holenstein in der Epoche eine „republikanische Variante des aufgeklärten Reformabsolutismus“ (S. 101).

Es sind nicht nur Denkanstöße über die Helvetische Republik, die der Band von Schläppi anbietet, sondern gründliche, am Beispiel der Ergebnisse von Forschungsprojekten erprobte Thesen, die mit der Zeit und den Reflexionen gereift sind. Die Solidität der Gesamtargumentation spiegelt die hohe Qualität und die große Erfahrung der Autoren mit dieser komplexen und politisch immer noch stark umstrittenen Zeit der Schweizer Geschichte wider. Die öffentliche Debatte, die unmittelbar nach den Vorträgen des Panels auf den 1. Schweizer Geschichtstagen ausbrach, zeigt deutlich, dass die Erforschung der Helvetik und ihre Deutung noch in den Kinderschuhen stecken.

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