K. Schlecking: Adelige Unternehmer im geistlichen Staat

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Titel
Adelige Unternehmer im geistlichen Staat. Die Hütten- und Hammerwerke der Freiherren von Dücker zu Menden-Rödinghausen im 18. Jahrhundert


Autor(en)
Schlecking, Katja
Reihe
Westfalen in der Vormoderne 6
Erschienen
Münster 2010: Aschendorff Verlag
Anzahl Seiten
219 S.
Preis
€ 35,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wilfried Reininghaus, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Die 2009 in Paderborn angenommene Dissertation untersucht die Unternehmen einer im Herzogtum Westfalen begüterten Adelsfamilie zwischen 1725 und 1800, vor allem in der Zeit nach 1763. Neugierig macht vor allem der Umstand, dass die von Dücker ihre Hütten- und Hammerwerke südlich von Menden, direkt an der Grenze zwischen dem kurkölnischen Sauerland und der preußischen Grafschaft Mark, anlegten. Ursprünglich auf kurkölnischem Boden gelegen, verlegten sie 1775 die Anlagen auf das preußische Ufer der Hönne. Damit rückt automatisch ein Vergleich zwischen der kurkölnischen und der preußischen Wirtschaftspolitik im südlichen Westfalen in den Vordergrund. Jenseits der Regionalgeschichte hat dieser Vergleich auch auf der Ebene des Alten Reichs seine Berechtigung, gilt es doch, die älteren Urteile über die Rückständigkeit der geistlichen Territorien zu revidieren. Der Maßstab der „borussischen“ Geschichtsschreibung kann heute nicht mehr angelegt werden. In der Zwischenzeit ist die Forschungslücke kleiner geworden. Der von H. Klueting 2009 herausgegebene Band über das Herzogtum Westfalen vor der Säkularisation trägt dazu bei.1 Die Verfasserin hat diesen parallel erschienenen Band nicht mehr berücksichtigen können.

Grundlage der Dissertation war das Adelsarchiv der von Dücker, das bisher noch nicht von der wissenschaftlichen Forschung ausgewertet wurde. Nach einem Einstieg über die politischen und wirtschaftlichen Strukturen des Herzogtums Westfalen werden die Familie von Dücker und ihre Unternehmen kurz vorgestellt. Der Rezensent hätte sich die Schilderung der persönlichen Umstände der Unternehmer etwas ausführlicher gewünscht; so bleiben deren Handlungsmotive im Dunklen. Das 1636 erworbene Gut Rödinghausen gehörte nicht zu den allergrößten, doch reichte vor allem der Waldbesitz aus, um nach 1700 die Verhüttung und Weiterverarbeitung von Eisen in der Nähe des Guts aufzunehmen. Die Grundlagen boten eigene, erzarme sowie fremde Gruben in der Nachbarschaft. Nach dem Siebenjährigen Krieg expandierte das Unternehmen, wofür die von Dücker auswärtige Pächter einbezogen. Darunter waren auch Eberhard Pfandhöfer, als früher Hüttenexperte wegen seiner Beteiligung an der Gründung der Gutehoffnungshütte bei (Oberhausen-)Sterkrade bekannt, sowie J. C. Rumpe aus Altena und die Grafen Landsberg, deren Hüttenbetriebe bei (Balve-) Wocklum durch die ältere Arbeit von Frank-Lothar Hinz2 in die Forschung eingeführt sind. Weitere Pächter wie der Postmeister Vollrath aus Sterkrade und die Dortmunder Honoratiorenfamilie Schaeffer bleiben insofern wenig konturiert, weil die Forschungsergebnisse über sie zu wenig berücksichtigt werden.

Ein Glanzstück ist die detaillierte Analyse der Betriebsformen in den drei Unternehmensteilen Erzgruben, Hütte und Hammerwerke. Technik, Personal- und Arbeitszeit finden darin auch aufgrund der guten Quellengrundlage eine Darstellung, die man sich – auch wegen des Fehlens von quellengesättigten Arbeiten für diese Zeit – ruhig ausführlicher gewünscht hätte. Auch die Schilderung des adligen Unternehmertums mit all seinen technischen und kaufmännischen Schwierigkeiten überzeugt. Allerdings bleiben Fragen offen. Mit guter Systematik der Bilanzen wird ermittelt, dass im Durchschnitt die Einnahmen kaum die Ausgaben deckten. Warum aber betrieben die von Dücker dann überhaupt ihr Unternehmen? Bestanden die in der Zusammenfassung (S. 203) angeführten „großen Eigeninteressen“ in einer Gewinnerwartung? Suchten die Adligen Verwendung für das Holz aus ihren Wäldern? Der mit eingebrachte Vorschlag, mit den Unternehmen sei eine Art Beschäftigungspolitik für die „armen Leute“ der Umgebung installiert worden, überzeugt den Rezensenten nicht. Wahrscheinlich waren es die Marktchancen, die sich durch feste Absatzkanäle in Richtung nördliches Westfalen und Niederrhein sowie in einem Einzelfall in den Raum Olpe boten und die die von Dücker wie andere adlige Unternehmer des kölnischen Westfalen in der Frühneuzeit wahrnahmen. Zusammen mit dem unternehmerischen Handeln anderer adliger, katholischer wie evangelischer Familien dieses Raums gerät damit endgültig das Dogma vom handels- und wirtschaftsfernen Adel ins Wanken. In einem Schlusskapitel werden die Bergbehörden im Herzogtum Westfalen und in der Grafschaft Mark miteinander verglichen. Das westfälische Bergamt Olpe war korrupt und arbeitete wenig effizient, doch handelte das märkische Bergamt auch nicht nach dem Direktionsprinzip.

Zusammenfassend: Der große Wert der Arbeit liegt in der Fallstudie, die vor dem Hintergrund der im Titel angesprochenen Gegenüberstellung von adligem Unternehmer und geistlichem Staat eine Bedeutung weit über die regionale Ebene gewinnt. Nebenbei wird die Ergiebigkeit der Adelsarchive für die Wirtschaftsgeschichte der frühen Neuzeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Anmerkungen:
1 Harm Klueting (Hrsg.), Das Herzogtum Westfalen, Bd. 1, Münster 2009.
2 Frank-Lothar Hinz, Die Geschichte der Wocklumer Eisenhütte 1758-1864 als Beispiel westfälischen adligen Unternehmertums, Altena 1978.

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