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Titel
Sine fine. Die Entwicklung der römischen Außenpolitik von der späten Republik bis in den frühen Prinzipat


Autor(en)
Wendt, Christian
Reihe
Studien zur Alten Geschichte 9
Erschienen
Berlin 2008: Verlag Antike
Anzahl Seiten
297 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Jehne, Institut für Geschichte, Technische Universität Dresden

In seiner Berliner Dissertation (FU) hat es sich Christian Wendt zum Ziel gesetzt, ein „neues Verständnis von Außenpolitik“ – so der programmatische Titel seiner Einleitung (S. 9) – für die Zeit von Pompeius bis Nero zu entwickeln und zu untersetzen. Dazu will er den Wandel, den er für den frühen Principat diagnostiziert und den er in der späten Republik angelegt sieht, in eine allgemeinere Perspektive bringen. Dass ‚Außenpolitik‘ als zielgerichtete staatliche Kommunikation mit anderen Staaten für das einsame römische Imperium eine problematische Kategorie darstellt, reißt Wendt kurz an, lässt sich aber zu Recht nicht davon abhalten, diesen bequemen Terminus zu verwenden, fokussiert auf Aktionen von Repräsentanten der römischen res publica, die über das Reichsterritorium hinausgreifen (S. 11). Dezidiert will er ein über traditionelle staats- und völkerrechtliche Konzeptualisierungsformen hinauskommendes Modell entwickeln, das dem römischen Principat angemessener ist.

Die Arbeit ist im Wesentlichen chronologisch gegliedert. Zunächst geht es um die Zeit von Pompeius bis zu Octavian, sodann um die Neuschöpfung des Augustus und um die Rolle, die der Außenpolitik dabei zugedacht wurde, schließlich um die Periode der iulisch-claudischen Dynastie, bevor Bilanz gezogen wird. Mit Pompeius beginnt Wendt naheliegenderweise seine Untersuchungen.1 Dabei setzt er mit einer Reihe von vollmundigen Behauptungen ein, die eigentlich erst einmal begründet werden müssten, hier aber als Prämissen fungieren. Die erste – ich muss mich hier auf ein Beispiel beschränken – lautet: „Nach ihm [also Pompeius] konnte endgültig niemand mehr Politik gestalten, wie es in der Republik konsensualer Brauch gewesen war“ (S. 16) – warum eigentlich nicht? Mit solch spekulativen Festlegungen bekommt die Entwicklung, die Wendt aufzeigen will, von vornherein eine deterministische Schlagseite. Konsequent zeichnet Wendt denn auch ein Bild des Pompeius, in dem die Sprengung üblicher Formen und die Eigenmächtigkeiten betont und der Prozess als irreversibel gedeutet wird. Das kann man so sehen, aber man müsste dies stärker durchargumentieren. So ist die Einschätzung, dass außerordentliche Vollmachten früher vergeben worden seien, um danach wieder zur angestammten Ordnung zurückzukehren, sicher richtig, aber ich sehe nicht, dass das selbst bei dem Seeräuberimperium des Pompeius 67 v.Chr. anders gewesen sein soll (S. 18f.). Dass die durch die lex Manilia 66 v.Chr. übertragene Vollmacht zum Krieg gegen Mithradates und dessen Helfer das Seeräuberimperium nun weiter ausweitete und jede zeitliche Beschränkung aufhob (S. 20), scheint mir eine unnötig exzessive Interpretation zu sein. Pompeius wurden einige Provinzen des Ostens zugewiesen und der Krieg übertragen, er erhielt somit eine neue provincia, aber kein neues imperium. Also kommandierte Pompeius seit der lex Manilia eben nicht mehr in Spanien, wohl aber im Osten über die 50-Meilengrenze hinaus, die das Seeräuberkommando, von der Küste aus gerechnet, festgelegt hatte. Da er in Kleinasien auch Provinzstatthalter war, griff die normale Praxis, dass die Statthalterschaft so lange dauerte, bis ein Nachfolger entsandt und eingetroffen war. Im Krieg hatte Tigranes, der Verbündete des Mithradates, auch Teile Syriens kontrolliert, so dass der Eingriff des Pompeius in dieser Region schon durch sein Kriegskommando abgedeckt war. Wendts Resümee, es habe sich bei dieser Ausweitung der Feldzüge um „Unternehmungen des privatus Pompeius“ gehandelt (S. 24), überzeugt mich daher nicht. Auch dass Pompeius sehr lange kommandierte, ist zwar richtig, aber seine vier Jahre – 66 bis 62 – wurden von den sechs seines Vorgängers Lucullus – 73 bis 67 – noch übertroffen.

Mit dieser Überbetonung des innovativen Charakters des Ostkommandos wird der Boden bereitet für eine stark auf die persönliche Herrschaftsbildung orientierte Bewertung der umfassenden Regelungen des Pompeius im Osten, die in der Tat über das Übliche erheblich hinausgingen. Darin liegt zugleich eine generelle Linie des Buches, die dann auch bei den nachfolgenden Potentaten stark akzentuiert wird. Wendt sieht den Umbruchsprozess von der Republik zur Monarchie in reichs- und außenpolitischer Hinsicht wesentlich als Verstärkung der persönlichen Clientel der großen Einzelpersönlichkeiten, was den Aufgaben und Interessen der res publica wenigstens teilweise zuwider gelaufen sei. Über Pompeius schreibt Wendt, dass er „nicht eine originär römische Politik“ betrieb, und weiter: „er selbst, sein Ruhm und seine Wirkungsmacht standen stets im Mittelpunkt seiner Überlegungen“ (S. 27). Doch genau das ist traditionelle römische Politik! Jeder Statthalter dachte an seinen Ruhm und die Vergrößerung seiner Clientelen. Das Handeln des Pompeius und seiner Nachfolger war im Grundansatz konventionell, allerdings war die quantitative Steigerung der Anhängerschaften so gewaltig, dass sie in eine qualitative Veränderung umschlug. Pompeius ordnete eigenmächtig ein riesiges Gebiet in einer durchaus sachadäquaten Weise, wie Wendt zu Recht hervorhebt, und folglich hatten unzählige Menschen und Städte Vergünstigungen erhalten, für die sie nach patronalem Denken zu Dankbarkeit verpflichtet waren. Dass Pompeius dann nicht auf Rom marschierte, halte ich nicht für gar so verwunderlich wie Wendt (S. 34f.): Warum sollte der erfolgreiche Feldherr nach dem Sieg Hochverrat begehen?2

Mit Caesar, dem nächsten Protagonisten der personalisierten Außenpolitik, gelangt Wendt nach der Würdigung des Gallischen Krieges zum Bürgerkrieg und damit zu dem Geschehenszusammenhang, in dem sich das römische Reich in den Innen- wie Außenbeziehungen grundlegend veränderte. Hier sei die fides Romana durch die fides des Machthabers und Patrons ersetzt worden (S. 53). Das ist sicher richtig, und dass Caesar, ebenso wie nach ihm Antonius und Octavian, die Ausrichtung der Reichsbevölkerung auf seine Person betrieb, liegt auf der Hand.3 Doch ist das nicht nur die Folge der Ambitionen der großen Machthaber, sondern auch des Bürgerkriegs als Spaltungssituation, denn im Bürgerkrieg gerierten sich normalerweise beide Seiten als wahre Vertreter der römischen res publica und forderten in deren Namen Loyalität und Unterstützung ein. Diese Ansprüche der verfeindeten Parteien waren für die Provinzbewohner und auswärtigen Fürsten unentscheidbar und hoben sich gegenseitig auf – im Gegensatz zu den patronalen Beziehungen, die man als Person unterhielt und die man eben auch oder gerade im Bürgerkrieg mobilisieren konnte. Zugespitzt gesagt ist der Bürgerkrieg der ideale Wirkungsraum der personalen Beziehungen, da die institutionellen Gehorsamsansprüche von beiden Kampfparteien erhoben wurden. Dass aus dem römischen Bürgerkriegszeitalter eine personalisierte Struktur der Reichsordnung und Außenbeziehungen hervorging, ist also bis zu einem gewissen Grade folgerichtig.

Die Herausbildung der Großpatrone ist zweifellos ein relevanter Trend, den Wendt nun über Antonius und Octavian bis zur Begründung des Principats weiterverfolgt. Dort entwickelt er dann sein Modell etwas genauer. Er teilt die Herrschaft des Princeps in drei Sphären ein: Um den Kern Rom, das Zentrum der Welt, breitet sich das Clientelgebiet, zu dem die sogenannten Clientelfürstentümer genauso gehören wie das Reichsgebiet, und jenseits dessen folgt das clientelferne Territorium (S. 143). Das ist ein durchaus vernünftiger Ansatz, der von der Herrschaftsbeziehung und den Medien der Macht ausgeht. Aber selbstverständlich ist die strukturelle Ähnlichkeit der römischen Durchsetzungsformen im Reich und in den abhängigen Königreichen schon gesehen worden.4 Doch vielleicht sollte man zusätzlich nach der Fürsorgeverpflichtung des Princeps abstufen: Augustus war gegenüber den Bewohnern des Reiches und den Clientelkönigen, nicht aber gegenüber deren Untertanen zur Fürsorglichkeit verpflichtet.

Intensiv beschäftigt sich der Autor mit der Etablierung des augusteischen Principats, was ich hier nicht näher darlegen und kommentieren kann. Die Beherrschung des Reiches über vielfältige Clientelbindungen führt Wendt nicht so sehr vor, als dass er sie strukturell herleitet. Dennoch liegt hier sicher ein wesentliches Element der Macht des Augustus. Die Imago, letztlich das Außenbild des Princeps, wird als Motiv wie Ergebnis des Handelns sehr betont: Augustus musste bestimmten Rollenerwartungen entsprechen, und diese Rollen prägte er für seine Nachfolger vor, die sie besser oder schlechter ausfüllten. Zentrale Bedeutung misst Wendt der Fixierung auf den militärischen Erfolg bei, die sich aus den Verdiensten der summi viri der Republik herleitet, die Augustus auf seinem Forum monumentalisierte. So habe der Princeps eben nie die militärische Aktion einstellen können und sich als rector orbis terrarum in der dritten Sphäre bewähren müssen. Gerade der Erfolg in der dritten Sphäre, also jenseits des Clientelbereichs, habe dem Princeps aber erst den herrscherlichen Glanz verliehen (S. 262).

Das hier anzuzeigende Werk hat durchaus seine Qualitäten. Mutig geht der Autor die Frage an, wie denn das, was man leichthin als Außenpolitik zu bezeichnen pflegt, in der Zeit von der späten Republik bis zum etablierten Principat zu konzeptionalisieren ist. Dass er dazu ein eigenes Modell entwickelt, ist zweifellos bemerkenswert. Aber manches Mal bleiben seine Ausführungen etwas unklar, vor allem auch in der Verknüpfung der Argumente; seine Schlüsse erscheinen dann vorschnell. Dafür nur zwei Beispiele: Die behauptete Entwicklungslinie von einer völkerrechtlich zu fassenden Außenpolitik hin zur Clientelerweiterung der großen Feldherren, die Wendt als Entinstitutionalisierung begreift (S. 257f. und öfter), kann ich nicht so recht erkennen, denn selbst im Italien des 4. Jahrhunderts v.Chr. waren die persönlichen Kontakte der römischen Granden zu den Oberschichten italischer Städte schon zentrales Element der römischen Machterweiterung und -stabilisierung. Die römische Herrschaft war stets eine Mixtur von oft rechtsförmig formulierten Beziehungen zwischen Gemeinwesen und personalen Verbindungen. Im Übrigen ließ selbst noch Pompeius seine Verfügungen im Osten in Rom ratifizieren, seine persönliche Gefälligkeitsvergabe bedurfte also weiterhin der formalisierten Inkraftsetzung durch die Organe der res publica. Auch berücksichtigt Wendt bei seiner Betonung der Monopolisierungstrends im Clientelwesen nicht hinreichend die Strukturen eines Patronagesystems, das als genuin partikularer Redistributionsmechanismus potentiell in einem Spannungsverhältnis zur Rechtsordnung steht. Konkret bedeutet das, dass der große Princeps Augustus, falls er tatsächlich auf Reichsebene „direkter Patron war und folglich den Ansprüchen seiner Klienten nachkommen mußte“ (S. 263), ein großes Problem hatte, denn er konnte die Wünsche all seiner Clienten, da ja die Ressourcen immer zu knapp sind, niemals erfüllen. Der Monopolist musste daher konkrete Clientelbindungen in diffuse Fürsorglichkeitsrhetorik transformieren – und auf einmal gab es wieder Platz für Patrone einer subprincipalen Statusebene.5

Anmerkungen:
1 Obwohl man Sullas Wirken im äußeren Bereich nicht unterschätzen sollte, vgl. dazu jetzt Federico Santangelo, Sulla, the Elites and the Empire, Leiden u.a. 2007.
2 Der Hinweis von Wendt, Pompeius habe früher „keineswegs Gewalt oder die Drohung mit seinen Legionen gescheut“ (S. 34), ist richtig, aber die suggerierte Analogie besteht so nicht. In der Vergangenheit hatte Pompeius stets einen formalen Vorwand gehabt, warum er mit Truppen vor Rom marschieren konnte, was die Bereitschaft des Senats, ihm seine Wünsche zu erfüllen, natürlich gesteigert hatte. 62 v.Chr., bei der Rückkehr aus dem Osten, gab es einen solchen Vorwand nicht, folglich entließ er seine Truppen korrekt bei der Landung in Italien.
3 Vgl. dazu Martin Jehne, Der Staat des Dictators Caesar, Köln u.a. 1987, Kap. III 3: „Die Ausrichtung des römischen Reiches auf Caesar“ (S. 332–363).
4 Vgl. etwa Dieter Timpe, Herrschaftsidee und Klientelstaatenpolitik in Sallusts Bellum Jugurthinum, in: Hermes 90 (1962), S. 334–375, bes. 344f. u. 349–351.
5 Daher ist Wendts Kritik (S. 101f., Anm. 429) an den Überlegungen von Claude Eilers, Roman Patrons of Greek Cities, Oxford u.a. 2002, S. 185f., der nicht an einen umfassenden Patronat des Augustus glaubt, übereilt.

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