Konversionen in der Frühen Neuzeit

: Konversionen in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft. Zürich und Luzern im konfessionellen Vergleich. Epfendorf 2009 : bibliotheca academica Verlag, ISBN 978-3-928471-73-2 455 S. € 49,00

: Konversionen im Umkreis des Wiener Hofes um 1700. . Wien 2010 : Böhlau Verlag, ISBN 978-3-205-78486-9 285 S. € 39,80

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Constantin Rieske, Institut für Geschichte, Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg

Bereits seit mehreren Jahren sind frühneuzeitliche Konversionen in der Geschichtswissenschaft ein beliebtes Forschungsobjekt.1 Die Untersuchung individueller Glaubenswechsel steht dabei ebenso häufig im Fokus wie zum Beispiel Fragen nach der Bedeutung von Konversionen für transkonfessionelle Entwicklungen und religiöse Indifferenz. Mit den Studien von Heike Bock und Ines Peper liegen nun zwei weitere Arbeiten vor, die sich dem Thema der innerchristlichen Konversion in der Frühen Neuzeit widmen.

In ihrer quellengesättigten Dissertation untersucht Heike Bock Konversionen in der Alten Eidgenossenschaft am Beispiel des reformierten Zürich und des katholischen Luzern. Innerchristliche Glaubenswechsel gelten hierbei als „strukturelle[r] Bestandteil von Konfessionskulturen“ (S. 378). In acht Kapiteln wird verfolgt, wie sich „die Entwicklung des Konversionsgeschehens als ein die Herausbildung konfessionellen Bewusstseins und konfessionellen Selbstverständnisses begleitendes […] Phänomen interpretieren lässt“ (S. 383). Im Mittelpunkt stehen die Rolle der konfessionellen Zugehörigkeit für Vertreter der Konfessionskulturen in einer „Situation konfessionellen Wettbewerbs“ (S. 379) und die Bedeutung des Glaubenswechsels für das Individuum.

In der Einleitung stellt Bock nach einem knappen Überblick über die Leitfragen ihrer Arbeit und die Geschichte des Begriffs „Konversion“ fest, dass Konversionen in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft überraschenderweise bislang kaum analysiert wurden. Für das reformierte Zürich und das katholische Luzern, zwei „sich religiös und politisch voneinander abschottenden Orten“ (S. 26), sieht die Autorin ihr Erkenntnisinteresse im „Auftreten von Konversionen, ihren politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Begleitumständen, dem Umgang der jeweiligen Obrigkeit mit Konvertiten sowie den Auswirkungen von Konfessionswechseln auf die betroffenen Individuen“ (S. 26). Bocks Ziel ist es, die Quellen dafür systematisch, komparativ und multiperspektivisch auszuwerten und exemplarische Fallbeispiele makrogeschichtlich zu kontextualisieren (S. 26). Der Untersuchungszeitraum reicht vom letzten Drittel des 16. Jahrhunderts bis 1798.

Zunächst skizziert die Autorin ausführlich die Verfassung, Politik und konfessionellen Verhältnisse Zürichs und Luzerns. Sie gibt damit hilfreiche thematische Vorinformationen zur komplizierten religiös-politischen Welt der Eidgenossenschaft. Zudem stellt Bock den auf Thomas Kaufmann zurückgehenden Begriff „Konfessionskultur“2 in seiner Bedeutung für ihre Arbeit vor. Im dritten Kapitel werden dann die formalen Aspekte der Konversionen, das heißt das Zusammenspiel der einzelnen Konvertiten und der ausführenden Institutionen im jeweiligen rechtlichen Rahmen betrachtet. Besonderen Wert legt Bock auf die Missionsstrategien der beiden Kirchen, die sie um Übersichten zu den Konversionszahlen ergänzt.

Das vierte Kapitel widmet sich den unterschiedlichen Unterstützungsleistungen, die Konvertiten in den einzelnen Gemeinden in Anspruch nehmen konnten. Ohne solche Förderungen war es vielen Konvertiten nicht möglich, den Glauben zu wechseln, da dies in fast allen Fällen einen Ortswechsel und einen Bruch mit familiären und wirtschaftlichen Bindungen zur Folge hatte. Bock zeigt, dass die Züricher und Luzerner Stadtobrigkeiten dabei immer abwägen mussten, wie viele Konvertiten aufgenommen und unterstützt werden konnten und wie stark das Abhängigkeitsverhältnis der Konvertiten von der jeweiligen Herrschaft war. Die „Praxis des obrigkeitlichen Umgangs mit Konvertiten“ (S. 133) wird im reformierten Zürich unter anderem an der Auszahlung von Reise- und Zehrgeldern deutlich – „notwendigen Ausgaben an Essen und Trinken […], die insbesondere auf Reisen entstanden“ (S. 141) und durchziehenden Proselyten häufig von den kommunalen Behörden gewährt wurden.

Im fünften Kapitel wird den Konvertiten und ihrer Mitwirkung im politischen Gemeinwesen nachgegangen. Inwieweit glückte die Integration in ein neues Gemeinwesen? Welchen Konvertiten gelang es, schneller Anschluss zu finden, und was waren die Praktiken der Niederlassung? Der sechzig Seiten starke Abschnitt bietet vor allem für den Bereich des Kirchen- und Schulwesens neue Erkenntnisse zu den Betätigungsfeldern von Konvertiten, die hier offenbar besonders schnell Fuß fassen konnten.

Erfahrungen und Konflikte im Zuge des Glaubenswechsels werden im sechsten Kapitel beschrieben. Bock beleuchtet die Phasen der „Ablösung“ – zum Beispiel von der Familie und der alten Obrigkeit – und des „Neuanfangs“. Sie kommt zu dem Schluss, dass „der grundsätzliche Status von Fremdheit und Heimatlosigkeit den Konvertiten und Konversionswilligen am neuen Aufenthaltsort sowohl die politische und soziale Integration als auch die wirtschaftliche Bestreitung des Lebensunterhaltes erschwerte“ (S. 319). Dies hatte in vielen Fällen eine unfreiwillige Mobilität zur Folge, in der Bock ein „prägendes Merkmal frühneuzeitlicher Glaubenswechsler“ (S. 319) erkennt.

Im vorletzten Kapitel fragt die Autorin danach, wann und warum Konversion eine Handlungsoption für Menschen in der Frühen Neuzeit sein konnte. Im Zentrum stehen unterschiedliche Konversionskontexte wie Arbeitsmigration und Armut, aber auch konfessionelle Mischehen. Bock schlägt für die zukünftige Beschäftigung mit dem Thema einen „handlungsorientierten Ansatz vor, der auf Kontexte abzielt und individuelle Handlungsoptionen“ (S. 376) untersucht und sich als Brücke zwischen der Analyse subjektiver Motive von Konvertiten und kollektiv prägender Strukturelemente wie der Konfession verortet. Ein ausführliches Fazit bildet den Abschluss der Arbeit. Auf das Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Personen- und Ortsregister folgt zudem eine englische Zusammenfassung.

Insgesamt ist Heike Bock eine qualitativ hochwertige und gut lesbare Arbeit gelungen, die viele neue Befunde über Konversionen in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft liefert. Auf der Basis gründlicher Quellenrecherchen wird gezeigt, wie sich in Konversionen die Grenzüberschreitung von Konfessionskulturen manifestierte. Auch die Ergebnisse des Vergleichs zwischen Zürich und Luzern, vor allem die Darstellung der Abhängigkeiten der Konvertiten von den sie aufnehmenden Obrigkeiten, überzeugen. Jedoch geraten durch die Betonung des Stellenwerts von „Konfession“ die einzelnen Konvertiten, das heißt die „Ebene der historischen Individuen“ (S. 13), gelegentlich aus dem Blick. Insbesondere die Bedeutung von Glaubenswechseln für die sozialen Bezugspartner, zum Beispiel die Familie und Gemeinde, wird selten deutlich.

Einen ganz anderen Schwerpunkt setzt Ines Peper in ihrer Doktorarbeit „Konversionen im Umkreis des Wiener Hofes um 1700“. Die Autorin widmet sich dem Glaubenswechsel der späteren Kaiserin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, der Mutter Maria Theresias. Analytisch eingebettet wird deren Übertritt von der lutherischen zur katholischen Kirche in eine Reihe weiterer Konversionen zum katholischen Glauben, die sich am Wiener Hof zwischen etwa 1670 und 1720 ereigneten. Von ergiebigem Quellenmaterial ausgehend, stellt Peper nach der Untersuchung vieler einzelner Fürsten- und Adelskonversionen den Fall Elisabeth Christines in einen politik-, sozial- und religionsgeschichtlichen Kontext. In sechs Kapiteln verknüpft sie makrohistorische Untersuchungen zu Fürstenkonversionen und Kirchenreunionsverhandlungen im 17. und 18. Jahrhundert mit einer umfassenden Mikroanalyse der Einzelkonversion. Dabei rekonstruiert Peper detailliert die gesamte Phase des Glaubenswechsels aus unterschiedlichen Perspektiven, wie zum Beispiel der der vielen theologischen Gutachten zur Validität der Konversion.

Einleitend bietet die Autorin zunächst einen gründlichen Forschungsüberblick, der die ersten Ansätze der Konversionsforschung ebenso einbezieht wie die wichtigsten Arbeiten aus Religionssoziologie und Anthropologie. Anschließend stellt Peper heraus, dass ihre Arbeit von der „aus der Anthropologie entlehnten Vorstellung einer konfessionellen Grenze, die durch Konversionen überschritten wurde und die sich als mehr oder weniger durchlässig erweisen konnte“ (S. 21), geprägt sei. Durch einen exemplarischen Zugang zu vielfältigem Quellenmaterial, „das von Archivquellen aus kirchlichen und staatlichen Archiven in Rom, Wien und Wolfenbüttel bis zu frühneuzeitlichen Druckschriften reicht, die in Bibliotheken in Wien, Rom, Wolfenbüttel, München, London und Mainz eingesehen werden konnten“ (S. 21), gelingt ihr Vorhaben. Abgeschlossen wird die Einleitung von einer knappen und präzisen Geschichte des Begriffs „Konversion“, die jedoch genauer auf die Verwendung des Begriffs durch die katholische Kirche hätte eingehen können.

Im ersten Kapitel betrachtet die Autorin einzelne Konversionen protestantischer Reichsfürsten in der Zeit von 1650 bis 1750. Plastisch beschreibt sie sowohl die Voraussetzungen als auch die Auswirkungen dieser Konversionen. Der historische Überblick bietet insbesondere anhand der Berichte des päpstlichen Nuntius in Wien interessante Einblicke in die politischen Implikationen und die diplomatischen Bestrebungen, welche die Glaubenswechsel begleiteten. Sinnvoll ergänzt wird das Kapitel durch die Darstellung der Bemühungen um eine Wiedervereinigung der christlichen Kirchen, wie zum Beispiel des in Teilen vom Wiener Hof unterstützten Unionsversuchs des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz am Ende des 17. Jahrhunderts.

Das zweite Kapitel behandelt die Konvertitenkasse am Wiener Hof im Kontext der habsburgischen Religionspolitik und damit eine wichtige Voraussetzung für die zahlreichen Glaubenswechsel. Nach der Schilderung der rechtlichen Grundlagen des Protestantismus in der Habsburgermonarchie analysiert Peper ausführlich anhand von Einzelfällen die Situation von Protestanten in Wien und Niederösterreich sowie das alltägliche Zusammenleben. Im Anschluss werden Konversionen im Rahmen repressiver landesfürstlicher Rekatholisierungsmaßnahmen und vor allem der Konvertitenkasse am Wiener Hof dargestellt. Gezielt sollten verarmte Angehörige des niederen Adels finanziell unterstützt werden, denen keine Aufstiegsmöglichkeiten in Reichskirche oder kaiserlichem Dienst offen standen.

Das dritte Kapitel geht auf die beachtliche Anzahl von Konversionen im Umkreis des Wiener Hofes zwischen 1650 und 1750 ein. Durch mehrere exemplarische Kurzbiografien aus bereits publiziertem Material wird die enge Korrelation zwischen individuellem Karriereverlauf und Konversion deutlich. Das Kapitel illustriert, in „welch hohem Maß die personellen Beziehungen zwischen Kaiserhof und Reich von Konvertiten getragen wurden und wie stark die Anziehungskraft des Wiener Hofes als katholisches Herrschaftszentrum war“ (S. 110).

Den Kern der Arbeit bildet die Untersuchung der außerordentlich gut dokumentierten Konversion der späteren Kaiserin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel (1691-1750). Peper beschreibt zunächst sehr anschaulich, wie der Konversionsunterricht im Einzelnen verlief und wie ein geeignetes persönliches Umfeld für die Prinzessin geschaffen wurde. Die wichtigste Quelle bildet hierbei das Tagebuch des evangelischen Superintendenten Christian Heinrich Behm, eines engen Vertrauten der Prinzessin in der Phase vor der Hochzeit. Doch auch die Analyse des diplomatischen Briefwechsels zwischen dem Wiener Hof und dem Hof Braunschweig-Wolfenbüttel zeigt, wie stark beide Häuser um eine erfolgreiche Heiratspolitik bemüht waren und welchen großen Stellenwert der Glaubenswechsel von Elisabeth Christine darin einnahm. In weiteren spannend geschriebenen Unterkapiteln zeichnet Peper den Verlauf der Reise der Prinzessin nach Wien, ihre öffentliche Konversion in Bamberg am 1. Mai 1707 und ihr religiöses Leben im Anschluss an die Konversion nach.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Gutachten, die die Konversion theologisch legitimieren sollten. Im Mittelpunkt stehen das Gutachten des Helmstedter Professors Johannes Fabricius von 1704 und die öffentliche Diskussion, die sich daran entzündete. Die „Debatte betraf […] zentrale religiöse Probleme und Entwicklungen der Umbruchszeit zwischen Barock und Aufklärung“ (S. 151) und rief aufgrund des Drucks der Schriften in deutscher Sprache und der Prominenz der Konvertitin große Aufmerksamkeit unter Laien hervor.

Im letzten Analysekapitel erstellt Peper aus den bereits untersuchten frühneuzeitlichen Druckschriften ein Modell „der in deutschsprachigen Publikationen zwischen ca. 1670 und 1720 üblichen Darstellung innerchristlicher Konversionen“ (S. 185). Hierbei geht sie sowohl auf die häufig genannten Motive für Konfessionswechsel als auch auf Hinderungsgründe von Konvertiten ein. Die Interpretation von „Konversionen als soziale[n] Grenzüberschreitungen“ (S. 217) verleiht dem Modell hohe Erklärungskraft.

Den Abschluss findet die Arbeit in einem recht knappen Resümee. Im Ganzen hat Ines Peper eine fundierte Analyse von Konversionen im Umkreis des Wiener Hofs im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert vorgelegt. Besonders die multiperspektivische und fesselnde Darstellung der Konversion Elisabeth Christines von Braunschweig-Wolfenbüttel gewährt erhellende Einsichten zu Adelskonversionen im Spannungsfeld zwischen persönlicher Religiosität, dynastischer Heiratspolitik und Diplomatie.

Mit den Studien von Heike Bock und Ines Peper setzt sich der jüngere Trend einer Neuentdeckung des Phänomens Konversion in der Frühen Neuzeit fort.3 Während Bock Glaubenswechsel mit Fragen nach den Formen konfessioneller Identitätsbildung und der Durchsetzung konfessioneller Praktiken verknüpft, folgt Peper einer sozialhistorisch ausgerichteten Kulturgeschichte, um individuelle und kollektive Erfahrungen zu untersuchen. Beide Arbeiten überzeugen und demonstrieren, dass unter Rückgriff auf verschiedene methodische Ansätze noch wichtige Erkenntnisse für das Verständnis frühneuzeitlicher Konversionen zu gewinnen sind.

Anmerkungen:
1 Vgl. nur Ute Lotz-Heumann / Jan-Friedrich Mißfelder / Matthias Pohlig (Hrsg.), Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit, Gütersloh 2007.
2 Thomas Kaufmann, Einleitung: Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, in: Kaspar von Greyerz u.a. (Hrsg.), Interkonfessionalität – Transkonfessionalität – binnenkonfessionelle Pluralität. Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh 2003, S. 9-15.
3 Vgl. etwa Jörg Deventer, Konversion und Konvertiten im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Stand und Perspektiven der Forschung, in: Aschkenas 15/2 (2005), S. 257-270 (Themenschwerpunkt: Juden – Christen – Juden-Christen. Konversionen in der Frühen Neuzeit).

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