L.R. Sklaroff: Black Culture and the New Deal

Titel
Black Culture and the New Deal. The Quest for Civil Rights in the Roosevelt Era


Autor(en)
Sklaroff, Lauren Rebecca
Erschienen
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
€ 25,36
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Holder, International Graduate Centre for the Study of Culture, Justus Liebig Universität Giessen

Die Hilfsmaßnahmen und Reformen des New Deal, des staatlichen Förderprogramms im Kampf gegen die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre während der Präsidentschaft Franklin Delano Roosevelts, beschränkten sich nicht nur auf den wirtschaftlichen Bereich, sondern umfassten ebenfalls den kulturellen Sektor. Die hier vorliegende Studie der Historikerin Lauren Rebecca Sklaroff schließt an die bereits existierende kulturhistorische Forschung zu diesem Thema an 1 und widmet sich dem Zusammenhang von Rooseveltscher Kulturförderpolitik und ihren Verbindungslinien zur afroamerikanischen Kulturproduktion und dem Kampf um afroamerikanische Bürgerrechte. Dieser thematische Fokus erlaubt es, wie Sklaroff betont, gleich zwei historiografische Desiderate zu füllen. Zum einen gewährt die Studie systematischen Einblick in die Rolle des Staates als „cultural producer“ während des New Deal und Zweiten Weltkrieges (S. 8), eine kulturhistorische Forschungslücke, welche bisher noch nicht systematisch bearbeitet worden ist, und zum anderen leistet die Monografie einen Beitrag zur Forschung des „Long Civil Rights Movement“, eine Rekonzeptualisierung, welche die Ursprünge der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 1930er-Jahren während des New Deal verortet und dessen Signifikanz für die „klassische“ Phase der Bürgerrechtsbewegung während der 1950er- und 1960er-Jahre betont (S. 3).2

Der Zusammenhang von Kulturförderpolitik, afroamerikanischer Kulturproduktion und dem Kampf um afroamerikanische Bürgerrechte wurde dabei von einem innerparteilichen Konflikt in Roosevelts Partei geprägt. Trotz einiger in Bürgerrechtsfragen progressiv denkender „New Dealer“ verhinderte eine einflussreiche Gruppe von Befürwortern von Rassentrennung und Segregationspolitik innerhalb der Demokratischen Partei die Umsetzung signifikanter struktureller politischer, ökonomischer und sozialer Fortschritte auf legislativer Ebene, umso mehr da Roosevelt aus eigenem parteipolitischen Interesse auf diese Gruppe von Südstaatenpolitikern Rücksicht nahm. Somit gewannen die kulturellen Förderprogramme des New Deal als Aushandlungsfeld von afroamerikanischen Bürgerrechten an Bedeutung und müssen als wichtiges Instrument Rooseveltscher Bürgerrechtspolitik betrachtet werden. Demzufolge, so Sklaroffs These, stellt der New Deal einen bedeutsamen Wendepunkt innerhalb der Geschichte der afroamerikanischen Kulturproduktion dar, da staatliche Fördermaßnahmen erstmals anderweitig nicht vorhandene kulturelle Produktionsräume und Repräsentationsmöglichkeiten schufen und so ein „black cultural advancement“ und eine „cultural emancipation“ ermöglichten (S. 2). Dies muss nicht zuletzt im Kontext der diskursiven Repräsentationsgeschichte des „Afroamerikaners“ in der Geschichte der Vereinigten Staaten gesehen werden, denn trotz eines kurzzeitigen Aufblühens afroamerikanischer Kultur während der Harlem Renaissance in den 1920er- und 1930er-Jahren, wurde das Bild der Afroamerikaner/innen innerhalb der amerikanischen Kultur immer noch von rassistischen Stereotypen eines inferioren schwarzen „Anderen“ dominiert. Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist die staatliche Kulturpolitik unter Roosevelt mit der damit verbundenen Schaffung solcher kultureller Repräsentationsmöglichkeiten als wichtiger Moment in der Geschichte der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung zu verstehen.

Im Fokus der sechs Kapitel stehen dementsprechend der „cultural apparatus“ der Roosevelt Regierung (S. 10), seine konkreten Kulturfördermaßnahmen und Austauschbeziehungen mit den afroamerikanischen Kulturschaffenden. Während das erste Kapitel der Studie einleitend die breiteren historischen Rahmenbedingungen ins Blickfeld nimmt, widmen sich die folgenden zwei Kapitel konkreten Kulturförderprogrammen. Dabei greift das zweite Kapitel das „Federal Theater Project“ auf und die Geschichte seiner „Negro Units“, den Teilbereichen des FTP, die sich mit der Produktion afroamerikanischer Theaterstücke befassten, insbesondere das vom FTP produzierte Musical „Swing Mikado“ und zeigt anhand dieser Analyse beispielhaft wie Bedeutungen von „blackness“ innerhalb dieses Kulturförderprogramms produziert und ausgehandelt wurden. Das dritte Kapitel widmet sich dem „Federal Writers‘ Project“ und dem afroamerikanischen Dichter und Bürgerrechtsaktivisten Sterling Brown, der in der „Negro Affairs“ Abteilung des FWP eine exponierte Rolle einnahm und für die Konzeption der „American Guide Series“ verantwortlich war, eine Reihe von historischen Publikationen, die sich gegen die rassistische Geschichtsschreibung vieler weißer Historiker der Zeit richteten und sich um eine adäquate Inkorporation afroamerikanischer Geschichte bemühten. Kapitel vier befasst sich mit der symbolischen Konstruktion von Joe Louis durch das „Office of War Information“ (OWI). Als eine der bekanntesten afroamerikanischen Persönlichkeiten wurde der Box-Schwergewichtsweltmeister von der amerikanischen Regierung während des Zweiten Weltkrieges zum symbolischen Modell afroamerikanischen Mutes, der Aufopferung und egalitären Teilhabe am Krieg konstruiert und sollte als solches Propagandakonstrukt eines rassenübergreifenden „Amerikanismus“ Rassismus und Segregation innerhalb der US-Armee überdecken und die Moral der afroamerikanischen Soldaten im Kampf gegen Faschismus und Nationalsozialismus heben. Kapitel fünf und sechs nehmen sich der Medien Radio und Film an und explizieren anhand der Radiosendung „Jubilee“, produziert vom AFRS, dem „Armed Forces Radio Service“ sowie der Kinofilme, die im Kontext des dem OWI unterstehenden „Bureau of Motion Pictures“ produziert wurden, einmal mehr den Zusammenhang von kulturellen Repräsentationsmöglichkeiten und Rooseveltscher Kulturförder- und Bürgerrechtspolitik.

Dabei gelingt es Sklaroff überzeugend, einerseits die Möglichkeiten einer rassenübergreifenden Kooperation innerhalb respektiver Kulturförderprogramme aufzuzeigen, andererseits jedoch auch ihre Grenzen und die inhärenten Konflikte um Selbst- und Fremdrepräsentationen, Instrumentalisierung und Inkorporation. Somit legt die Historikerin mit ihrer Monografie eine gehaltvolle und inhaltlich anspruchsvolle Studie vor, welche die Rolle des Staates, der Roosevelt Regierung und ihrer Kulturfördermaßnahmen aufzeigt und dabei vielfältige, positive wie negative Verbindungslinien zwischen „Kultur“ und „Politik“, staatlichen Kulturfördermaßnahmen und afroamerikanischen Kulturschaffenden zu identifizieren und die Ambivalenz einer solchen „Politik der Repräsentation“ herauszustellen weiß. Aus kulturhistorischer Sicht sind dabei vor allem das vierte und fünfte Kapitel besonders gelungen und bieten ausnehmend spannende Einblicke in respektives Themenfeld.

Einige kleinere Schwachpunkte der Studie müssen jedoch ebenfalls erwähnt werden. Gerade in Bezug auf Sklaroffs These, die Kulturfördermaßnahmen der Roosevelt Regierung als signifikanten Wendepunkt in der Geschichte der afroamerikanischen Kulturproduktion zu deuten, wäre es wünschenswert gewesen, vermehrte diachrone Anschlusspunkte vor allem zur „Harlem Renaissance“ deutlicher herauszustellen; solche Unterschiede wie Kontinuitäten hätten dazu beigetragen, ihr Argument weiter auszudifferenzieren. So zum Beispiel im dritten Kapitel, wo der Zusammenhang zwischen Sterling Brown, der Inkorporation von afroamerikanischer Geschichtsschreibung in die „American Guide Series“ und Arthur Schomburgs berühmten Diktum „the American Negro must remake his past in order to make his future“3 zwar erwähnt, jedoch nicht näher ausgeführt wird. Darüber hinaus hätten die zahlreichen schwarz-weißen Abbildungen mehr in die Analyse inkorporiert werden können. Gerade im zweiten Kapitel, in der Analyse des Musicals „Swing Mikado“ mit seinen offensichtlich postkolonialen und orientalistischen Implikationen, hätten solch intermediale Aspekte der ansonsten schon sehr dichten Interpretation noch mehr analytische Schärfe verliehen.

Trotz dieser zugegebenermaßen recht kleinen Mängel, leistet Sklaroffs innovative Studie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur kulturhistorischen New Deal Forschung und schafft es, den Zusammenhang von staatlichen Kulturfördermaßnahmen, afroamerikanischer Kulturproduktion und Bürgerrechtsbewegung während des New Deal zu lokalisieren, sondern liefert darüber hinaus neue Impulse zur Forschung über die „lange“ afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung und ihrer Genese während des New Deal. Demzufolge ist die Monografie vor allem denjenigen Leser/innen wärmstens empfohlen, die sich sowohl für einen neuen, innovativen kulturhistorischen Blick auf den Themenkomplex des New Deal als auch auf die Entstehung der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung interessieren.

Anmerkungen:
1 So z.B. Richard Pells, Radical Visions and American Dreams. Culture and Social Thought in the Depression Years, New York 1974; Michael Denning, Cultural Front. The Laboring of American Culture in the Twentieth Century, New York 1997; Barbara Savage, Broadcasting Freedom. Radio, War, and the Politics of Race, 1939-1948, Chapel Hill 1999, oder Jerold Hirsch, Portrait of America. A Cultural History of the Federal Writers’ Project, Chapel Hill 2003.
2 Zum Konzept des “Long Civil Rights Movement” siehe vor allem Jaqcuelyn Dowd Hall, The Long Civil Rights Movement and the Political Uses of the Past, in: The Journal of American History 91.4 (2005), 66 pars, und Brenda Gillmore, Defying Dixie. The Radical Roots of Civil Rights, 1919-1950, New York 2008.
3 Arthur Schomburg „The Negro Digs Up his Past”, in: Alain Locke (Hrsg.), The New Negro, New York 1992 [1925], S. 231-237, S. 231.

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