L. Reyels: Die Entstehung des ersten Vertrags von Lomé

Cover
Titel
Die Entstehung des ersten Vertrags von Lomé im deutsch-französischen Spannungsfeld 1973-1975.


Autor(en)
Reyels, Lili
Reihe
Nomos Universitätsschriften Geschichte 18
Erschienen
Baden-Baden 2008: Nomos Verlag
Anzahl Seiten
207 S.
Preis
€ 39,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulf Engel, Institut für Afrikanistik, Universität Leipzig

In den Beziehungen zwischen Europa und Afrika nimmt das Vertragswerk von Lomé einen besonderen Platz ein. Die Assoziierung von 1975 stellte de facto eine Kompensation für die vom Norden abgelehnte so genannte Neue Weltwirtschaftsordnung dar. Mit dem Lomé-Vertrag boten die Europäer den so genannten AKP-Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks Handelspräferenzen, in begrenztem Maße Exporterlösstabilisierung sowie Formen der finanziellen und technischen Zusammenarbeit an. Der Vertrag knüpfte an eine Reihe von Abkommen an, die ab 1957 zunächst die frankophonen Kolonien Afrikas und später die ehemaligen Kolonien Frankreichs und Großbritanniens durch Präferenzhandelsabkommen an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) banden. In ihrer Arbeit, die im Jahr 2007 als Dissertation bei Rainer Hudemann (Neuere und Neuste Geschichte) an der Universität des Saarlandes entstanden ist, geht Lili Reyel der Frage nach, wie der 18-monatige Verhandlungsprozess über Lomé-I in das deutsch-französische Verhältnis einzuordnen ist und welche Rolle die beiden Nachbarn in der Aushandlung des Vertrages gespielt haben. Die Arbeit stützt sich auf zentrale Aktenbestände in Berlin, Koblenz und Paris sowie auf einige Interviews mit damaligen Entscheidungsträgern (wir etwa Dieter Frisch, dem früheren Generaldirektor für Entwicklung bei der EU-Kommission sowie Alwin Brück, dem ehemaligen Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, BMZ).

Lili Reyel beschreibt die Verhandlungen um den Lomé-Vertrag als komplexes Mehrebenenproblem, in dem sich die Interessen der Akteure deutlich brechen. Dies gilt auch für die Bundesrepublik, die im Übergang zu den 1970er-Jahren trotz aller entwicklungspolitischen Rhetorik klare außenpolitische und wirtschaftsideologische Interessen vertrat. Schön wird beschrieben, dass es – anders als in Frankreich – den Experten in den Stäben, und nicht den Spitzen der Ministerialbürokratie oder gar dem Präsidialamt vorbehalten war, das Regelwerk auszuhandeln, wobei das BMZ in diesem Prozess weitgehend marginalisiert war. Frankreich verstand es während des gesamten Verhandlungsprozesses, seine nationalen Interessen über die nach Brüssel entsandten Beamten mit Nachdruck zu vertreten (ob die französischen Beamten wegen der Kolonialvergangenheit der grande nation tatsächlich „besser qualifiziert“ waren als andere, sei allerdings dahingestellt). Im Verhältnis zwischen Paris und Bonn galt jedenfalls, dass sich auch in den 1970er-Jahren ähnliche Verhaltensmuster niederschlugen, wie bereits bei der – in dieser Arbeit nicht weiter thematisierten (vgl. S. 25) – Assoziierung der frankophonen Kolonien im Rahmen der Römischen Verträge von 1957, die der Bundesrepublik damals von Paris ultimativ abgepresst worden war. Obgleich das Interesse der Bundesregierung, Frankreichs Afrikapolitik querzufinanzieren, deutlich abgenommen hatte, überließ Bonn seinem Nachbarn die Ausgestaltung der konkreten Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten weitgehend – die Bundesregierung organisierte die Unterstützung der USA für die nicht eben GATT-konformen Handelspräferenzen, während Frankreich die Gespräche mit den AKP-Staaten führte.

Mit der Konzentration auf die europäische Dimension der Beziehungen zu Afrika wird in einem überschaubaren, aber zentralen Bereich der Politik gegenüber dem afrikanischen Kontinent eine wichtige Forschungslücke geschlossen. Mindestens ebenso bedeutsam ist es, dass mit dieser Arbeit auch ein wichtiger Baustein zum Verständnis der in der historiographischen Nord-Süd-Forschung noch immer zu stark vernachlässigten Beziehungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt wird.

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