R. S. Fogarty: Race and War in France

Cover
Titel
Race and War in France. Colonial Subjects in the French Army, 1914–1918


Autor(en)
Fogarty, Richard S.
Erschienen
Anzahl Seiten
374 S.
Preis
€ 47,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Adrian Wettstein, Dozentur Strategische Studien, Militärakademie an der der ETH Zürich (MILAK)

Die nichteuropäischen Truppenkontingente, die in den beiden Weltkriegen von ihren Kolonialherren auf den europäischen Schlachtfeldern eingesetzt wurden, sind in den beiden vergangen Dekaden von der historischen Forschung vermehrt thematisiert worden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dieser Untersuchungsgegenstand gut in die Forschungstrends dieser Zeit passt: „Farbige“ Truppen und die europaweit geführte Diskussion um sie eignen sich bestens zur Anwendung des gesamten militärgeschichtlichen Methodenspektrums, sind aber auch aus kultur- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive ein interessanter Untersuchungsgegenstand. Dabei lag das Schwergewicht der neueren Forschung deutlich auf den letztgenannten Ansätzen, was auch für die hier zu besprechende Studie gilt. Der Einsatz französischer Kolonialtruppen im Ersten Weltkrieg ist innerhalb dieses Themas von besonderer Bedeutsamkeit. Die Größe des Kontingents (rund 500.000 Soldaten), die Reaktionen vornehmlich von deutscher Seite und über Kriegsende hinaus, die deren Einsatz begleiteten, die weit ins 19. Jahrhundert zurückreichenden innerfranzösischen Diskussionen, schließlich das Spannungsfeld zwischen rassistisch und kolonialistisch motivierten Vorurteilen und dem republikanisch geprägten Gleichheitsideal machen die Untersuchung der französischen troupes indigènes besonders interessant.

In insgesamt sieben Kapiteln, die jeweils einen Themenkomplex behandeln, untersucht Richard Fogarty multidimensional den militärischen Diskurs zu diesem Spannungsfeld. Das erste Kapitel befasst sich mit der Rekrutierung der indigenen Truppen, wobei Umfang und zeitlicher Verlauf mit wechselnden politischen Vorstellungen in Frankreich und seiner Kolonialadministration in Verbindung gebracht werden. Das Kapitel „Race and Deployment of Troupes indigènes“ beschreibt mehrheitlich den organisatorischen Rahmen, in welchem die Soldaten eingesetzt wurden, und nur am Rande den eigentlichen Einsatz. Zum Kern seiner Untersuchung stößt der Autor in den folgenden Kapiteln vor. Er beschreibt dort die Beförderungspolitik und das trotz theoretischer Gleichrangigkeit hierarchische Verhältnis zwischen den weißen und den wenigen indigenen Offizieren. Besonders aufschlussreich ist das Kapitel zur Sprachpolitik, wo Fogarty beschreibt, wie die französische Armee ein stark vereinfachtes Französisch für die indigenen Truppen entwickelte, das den Rekruten rasch die notwendigen Sprachkenntnisse für die Ausbildung vermittelte, das aber auch geprägt war von der Annahme, dass die zu Unterrichtenden gar nicht über die intellektuelle Kapazität verfügten, die gesamte Komplexität der französischen Sprache zu erfassen. Auch die ambivalente Haltung zu den nichtchristlichen Religionen thematisiert Fogarty. Der Kampfmotivation wegen förderte zwar das französische Militär die Ausübung religiöser Praktiken und damit die Bereitstellung von entsprechendem Personal, gleichzeitig aber wurde vor allem der Islam als unvereinbar mit den französischen Idealen aufgefasst und wurde damit zum großen Hindernis bei der Naturalisierung der indigenen Veteranen. Im Kapitel über das Verhältnis indigener Soldaten zu französischen Frauen wird der Konflikt zwischen dem Gleichheitsideal, kolonialer Hierarchie und letztlich auch rassistischen Vorstellungen über die kolonisierten Völker besonders gut greifbar. Die Verleihung des Bürgerrechts an Veteranen, die nach den republikanischen Vorstellungen eng mit dem Waffendienst verbunden war, bildet schließlich den Inhalt des letzten Kapitels, wo Fogarty aufzeigt, dass es sich hierbei um ein leeres Versprechen handelte.

Aus diesen Untersuchungsgegenständen entwirft Fogarty ein Bild über das Verhältnis des französischen Militärs und der Kolonialbehörden gegenüber den Truppen aus den Kolonien. Dabei ist er zeitweise sehr stark von seiner Prämisse getrieben, aufzuzeigen, wie sehr rassistische Vorurteile in jedem einzelnen der genannten Bereiche das Verhältnis prägten – die relativierenden Erklärungen erwähnt er zwar, negiert sie aber oft ohne weitere Erklärung. Dennoch ist sein Schlussurteil deutlich differenzierter, als es die Lektüre der einzelnen Kapitel erwarten lässt. Besonders bedeutsam erscheint hierfür die saubere Herausarbeitung des in Frankreich vorherrschenden Rasseverständnisses, das vielmehr durch einen kulturellen als durch einen biologischen Zugang geprägt war, und damit Raum für eine „Verbesserung“ der kolonisierten Völker ließ – eine zwingende Voraussetzung für das in Frankreich prägende Ideal der Assimilation der kolonialisierten Völker. Dass dieser kulturelle Ansatz nicht konkurrenzlos war und wie rassistische Vorurteile, die eher einer biologischen Rasseinterpretation entsprangen, in der Behandlung der indigenen Truppen handlungswirksam wurden, zeigt Fogarty sehr genau auf. Besonders deutlich wird dies in der Unterscheidung zwischen so genannten „races guerrières“ (Westafrika) und „races non-guerrières“ (Indochina und Madagaskar), die auch über deren Verwendung in den Kampftruppen oder rückwärtigen Diensten entschied.

Zu den Stärken der Studie gehört die Wahl der Themen, an denen Fogarty die Politik der Armee gegenüber den indigenen Truppen untersucht. Mit ihnen deckt er die wichtigsten Spannungsfelder ab. Besonders positiv zu vermerken ist auch, dass Fogarty die oftmals vernachlässigte französische Literatur vorbildlich breit rezipiert. Die von Fogarty benutzten Quellen bilden einen ausgewogenen Korpus, wobei insbesondere die Feldpostzensurberichte von Bedeutung sind. Im Zusammenhang mit der Verwendung der Quellen muss aber eine erste Schwäche konstatiert werden. Mehrfach verwendet Fogarty Briefe einzelner Soldaten zur Illustration von Sachverhalten, kann diese dann aber nicht überzeugend von der individuellen Aussage auf eine breitere Basis stellen. Er zeigt im Einzelnen auch nicht auf, weshalb gerade jene Aussagen repräsentativ sein sollen. Deutlich wird dies etwa im Kapitel zum Geschlechterverhältnis, wo Fogarty überwiegend Quellen von Soldaten aus Indochina und Madagaskar verwendet, die nur einen Viertel des Kontingents ausmachten. Dazu fehlt leider jegliche methodische Auseinandersetzung mit den Feldpostbriefen – angesichts der umfangreichen Forschungen in diesem Bereich schwer verständlich. Wünschenswert wäre für die Behandlung des militärischen Diskurses auch der Zuzug der französischen Militärzeitschriften als Quelle gewesen, da hier seit der Jahrhundertwende eifrig über die Vor- und Nachteile des Einsatzes indigener Truppen diskutiert wurde. Damit hätte Fogarty einige seiner Schlüsse auf eine breitere Basis stellen können. Eine weitere Schwäche muss im Bereich des militärspezifischen Wissens konstatiert werden, was wohl auch dafür ausschlaggebend ist, dass das Kapitel über den Organisationsrahmen und den Einsatz der indigenen Truppen in seiner Qualität eindeutig abfällt.

Trotz dieser Schwächen ist die klar konzipierte und gut lesbare Studie eine wertvolle Ergänzung im Bereich des Einsatzes indigener Truppen durch die Kolonialmächte und der darum geführten Diskussionen.

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