J. M. McPherson: Für die Freiheit sterben

: Für die Freiheit sterben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges. Köln 2009 : Anaconda Verlag GmbH, ISBN 978-3-866-47267-9 1004 S. € 14,95

: Der amerikanische Bürgerkrieg. . Beck Verlag 2010 : C.H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-56251-8 144 S. € 7,90

: Der Amerikanische Bürgerkrieg 1861-1865. . Stuttgart 2009 : Theiss Verlag, ISBN 978-3-806-22232-6 208 S. € 24,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rüdiger von Dehn, Historisches Seminar, Bergische Universität Wuppertal

„Der Krieg markierte den Übergang zu einer USA im Singular. Aus der Union wurde eine Nation, und heute sprechen Amerikaner von ihrer Union meist nur noch in einem historischen Zusammenhang.“ (S. 845) Diese wenigen Worte von James McPherson reichen im Grunde aus, um die Bedeutung des „U.S. Civil War“ zu beschreiben. 1861 war es keineswegs selbstverständlich, von „der“ Union zu sprechen. Bevor die ersten Schüsse im amerikanischen Bürgerkrieg fielen, waren die USA weit davon entfernt, eine Nation zu sein. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert hatten sich sowohl im Norden als auch im Süden unterschiedlichste Lebens- und Gesellschaftsauffassungen entwickelt. In den Reihen der „Southern Aristocracy“ wollte man seine eigenen Wege gehen – mit dem Ziel der Gründung einer Konföderation. Im industrialisierten Norden hatte man kaum Verständnis für einen solchen politischen Sonderweg der Baumwoll- und Sklavenstaaten, zumal der Süden so die Zukunft der Union – und damit der USA als solche – in Frage stellte. Diese galt es zu wahren und zu verteidigen. Von Washington D.C. bis Maine wurden die Männer zu den Waffen gerufen. Ähnliches geschah von Virginia bis Texas; ein Bürgerkrieg war nicht mehr abzuwenden.

Es gibt wenig andere, die die Geschichte des amerikanischen Bruderkrieges so ausführlich erzählen und darstellen wie James McPherson. 1988 hatte er mit seinem Werk Standards gesetzt, die bis heute kaum erreicht, gar übertroffen werden konnten. Zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung bringt der Anaconda-Verlag das 1989 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Großwerk erneut auf den Markt. Änderungen zum 1988er-Manuskript sucht man vergebens. Es ist der Klassiker alter Art, der in ein neues Gewand gesteckt wurde. Mehr ist zum zwanzigjährigen Jubiläum nicht geschehen. Demnach ist es wenig verwunderlich, dass weder die Bibliografie noch der Anmerkungsapparat auf den neuesten Stand gebracht worden sind. Freilich heißt dies, dass ein jeder, der sich mit dem Thema auseinandersetzen will, nicht an McPherson vorbeikommt.

Die thematische Breite in McPhersons Werk erstreckt sich über 28 chronologisch angeordnete Kapitel. Bezeichnenderweise fängt die Beschreibung des Bürgerkriegs nicht erst 1861 an. McPherson sucht die Gründe für den Bruderkampf in den Jahren davor. So richtet er den Blick auf die Geschehnisse in Mexiko 1846-48. Eben hier entzündete sich neues Feuer in der Debatte um die Zukunft der Sklaverei in den USA. Nach den ersten sieben Kapiteln beschreibt der Princeton-Emeritus das Jahr 1860 – und damit die Wahl Lincolns zum Präsidenten der USA – als neue Revolution auf US-amerikanischem Boden.

Dem schließt sich die Reflexion des Kriegsgeschehens an. Freilich geht jeder fehl, der annimmt, dass McPherson eine reine militärgeschichtliche Darstellung zu Papier gebracht hat. Vielmehr handelt es sich um eine US-amerikanische Gesellschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, die ganz durch die Diskussion über die Sklaverei geprägt ist. In seiner Darstellung werden politische, militärische und sozio-ökonomische Entwicklungen ineinander verwoben. Dies geschieht auf einer narrativen Ebene, zu der sich McPherson bekennt. Gerade dies macht die sehr gute Lesbarkeit des Werkes aus.

Der Anhang (Kurzbiografien, eine Zeittafel sowie ein ausführlicher Anmerkungsapparat) erlaubt es, McPhersons Bürgerkriegsgeschichte auch als ein Handbuch zu nutzen. Die auf mehr als 100 Seiten verteilten Endnoten bieten genug Ansatzpunkte, um einzelne Aspekte des Civil War vertiefend zu behandeln. Der Bildteil wird durch die reichhaltigen Bestände aus der Library of Congress sowie aus dem U.S. Army Military History Institute ausgestaltet. Ohne Zweifel bestätigen die Fotos den Eindruck des ersten Massenkrieges, der seine Dynamik durch den Ausbau der Eisenbahn und die artilleristische Zerstörung ganzer Städte gewann.

McPherson lässt keinen Zweifel daran, dass man sich der beiden unterschiedlichen Freiheitsideale im Norden und im Süden klar werden muss. Gleichsam betont er die Wichtigkeit der Person Abraham Lincolns, ohne die die Eskalation der Sklaverei-Diskussion – als identitätsstiftendes Politikum – hin zum Bürgerkrieg kaum zu verstehen ist.1 Dabei weiß McPherson zu zeigen, inwieweit sich die Grenzen zwischen der Sklaverei und dem Ideal der Freiheit im Krieg auflösten und immer wieder zusammensetzten. Seine Darstellung ist und bleibt ein Standardwerk, das nichts Neues reflektiert –, aber entscheidende Grundlagen für die Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg bildet.

Freilich ist es ein mehr als schwieriges Unterfangen, McPherson eine aktuelle deutsche Bürgerkriegsstudie gegenüberzustellen. Denn: Udo Sautters Beschreibung des „Civil War“ ist im Grunde nicht mit dem „Battle Cry of Freedom“ zu vergleichen. Der Aufbau und die Reflexionsweise unterscheiden sich gänzlich von McPherson. Sautter unterteilt seine Schilderung in sechs Teilbereiche, die thematisch angeordnet sind. Der erste Teil ist ganz auf die Vorgeschichte des Krieges hin abgestimmt und endet mit der überraschenden Frage: „Wer war schuld?“ (S. 44ff.). Eben dort wird ein straffer Forschungsbericht entwickelt, in dem wichtige Werke zur Historiographie des Amerikanischen Bürgerkriegs und Selbstzeugnisse damaliger Akteure diskutiert werden. Im zweiten Kapitel zeichnet der Tübinger Amerika-Historiker die von ihm erkannten Chancen der beiden Kriegsparteien im Konflikt nach. Dem schließt sich im dritten Teilkapitel die Beschreibung der ersten Kämpfe im Osten und im Westen an. Von dort wird der Blick weggeführt und auf die Heimatfronten des Südens und Nordens gerichtet. Im fünften Kapitel wird die Befreiung der Sklav/inn/en diskutiert und analysiert. Zu guter Letzt wird die Endphase des Waffenganges erzählt. Sautter arbeitet sich von Themenkomplex zu Themenkomplex, was auf Kosten der Chronologie geschieht. Für ihn ist klar, dass der Krieg dafür sorgte, dass die USA ihren ganz eigenen Weg in die Moderne gingen.

Sautter wird nicht müde, dies immer wieder zu betonen und zu wiederholen. Dabei wird die besondere Bedeutung der Eisenbahn und der industrialisierten Rüstungsindustrie unterstrichen. Die unionstreuen Staaten sind dafür als Beispiel zu benennen.

Aus Sautters Sicht ist die Frage der Sklaverei eng mit Überlegungen zur Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft sowie zur Bedeutung der Wirtschaft in den USA zu verbinden. Wie eine Fußnote wirkt seine zusammenfassende Bemerkung: „Der Bürgerkrieg brachte die amerikanische Nation auf den Weg in die Moderne, weiterhin ohne dass es ihr bewusst war und in mancher Hinsicht wider ihren Willen, tiefergründend noch als durch den Gebrauch des Gewehrs mit gezogenem Lauf.“ (S. 191)

Wünschenswert wären kurze biografische Skizzen der Hauptakteure des Krieges gewesen. Als Ergänzung zum Glossar hätte dies sicherlich machbar sein können. So bleibt die Personengeschichte über diverse Textabschnitte verteilt. Zudem ist die eine oder andere inhaltliche Doppelung zu hinterfragen, wie sie im Zusammenhang der Draft Riots von 1863 immer wieder auftreten.

Statt einer zusammenfassenden Bibliografie finden sich lediglich „Anregungen zu weiterer Lektüre“. Diese sind für die eigene Recherche bedingt nützlich, da nur die Titel und das jeweilige Jahr der Veröffentlichung angegeben worden sind. Kurz: Die Lesehinweise kommen mehr einem bibliografischen Essay gleich. Vor diesem Hintergrund werden Belege für Zitate, Daten und Fakten vergeblich gesucht.

Sautters Darstellung ist eine gelungene Einführung in die Geschehnisse des Bürgerkrieges. Dabei lässt er jeden zu Wort kommen – von Henry David Thoreau über Lincoln bis hin zu den kommandierenden Generälen der Union und in den Reihen der Confederate States of America. Analog gelingt es ihm, immer wieder Anekdoten aus dem Kriegs- und Alltagsgeschehen einzustreuen. Es ist ein Überblickswerk Sautter’scher Tradition, das keineswegs die Lektüre anderer Darstellungen des Bürgerkrieges verhindert, – sondern fördern und beflügeln wird.2

Eine solche ist unter anderem Michael Hochgewenders 142-Seiten-Darstellung, in der der epochale Bruderkrieg auf amerikanischem Boden reflektiert wird. Hochgeschwender gelingt es, auf wenigen Seiten eine kleine Gesellschafts-, Militär-, Verfassungs- und Politikgeschichte anschaulich zu entwickeln. Die Übergänge sind fließend.

Es ist bemerkenswert, dass fünf Teilkapitel ausreichen können, um im Wesentlichen den Transformationsprozess der USA zu einer Nation während bzw. nach dem Civil War zu beschreiben. Dabei bleibt kein Themenbereich unberührt. So wird der Krieg als amerikanischer Volkskrieg diskutiert, in dem alle Ethnien der USA eingebunden waren. Gleichsam wird die Bedeutung der Wehrpflicht für die Südstaaten wie auch für die Union beleuchtet. Dabei verliert Hochgeschwender keineswegs die Menschen aus den Augen, die ihr Leben als Soldat fristen oder auf den Plantagen im Süden um das eigene wirtschaftliche Überleben kämpfen. Selbst die internationale Dimension des Waffengangs kommt nicht zu kurz. Sie wird durch den Blick auf Westeuropa mit berücksichtigt. Wie Sautter oder McPherson kommt Hochgeschwender nicht ohne eine angemessene Berücksichtigung der Person Abraham Lincolns aus, der zum zivilreligiösen Schutzpatron der amerikanischen Nation aufsteigt. Dabei ist er nur ein Teil des „Mythos Bürgerkrieg“, der im letzten Teil des Buches konstatiert wird. In diesem Zusammenhang werden in aller Kürze die Sinnstiftung des Krieges sowie die amerikanische Identitätsbildung in Nord und Süd untersucht.

Aus Hochgeschwenders Sicht gilt es, den Bürgerkrieg im Interesse einer komplexen Analyse seiner Ursachen und seiner Folgen nicht ausschließlich als Krieg um der Sklavenfrage willen zu interpretieren. Vielmehr gehe es darum, ihn in einem globalen Kontext „als Nationsbildungs- oder Nationswerdungskrieg“ (S. 139) anzusehen. Der Einfluss McPhersons ist hier gut erkennbar. Der Krieg war, so Hochgewender, unvermeidbar gewesen und ebnete den USA den Weg in die Moderne.

Wer sich aktuell im deutschsprachigen Raum mit der Geschichte des Amerikanischen Bürgerkriegs beschäftigt, der wird an keinem der drei besprochenen Werke vorbeikommen können. McPhersons Schrift kann als allumfassend und enzyklopädisch bewertet werden. Sautter bietet eine weitreichende Einführung. Hochgeschwender ermöglicht einen Schnelleinstieg ins Thema – orientiert an neuer Forschungsliteratur, ohne Berücksichtigung von Quellen. Keine der drei Darstellungen sollte in einer gut sortierten Universitätsbibliothek fehlen.

Anmerkungen:
1 Georg Schild und Jörg Nagler bestätigen dies vor dem Hintergrund ihrer vorgelegten Lincoln-Biographien. Siehe dazu: Georg Schild, Abraham Lincoln. Eine politische Biographie, Paderborn 2009; vgl. die Rezension von Rüdiger von Dehn, in: H-Soz-u-Kult, 20.07.2009, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2009-3-055> (16.06.2010). Jörg Nagler, Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident. Eine Biographie, München 2009; vgl. die Rezension von Norbert Finzsch, in: H-Soz-u-Kult, 21.05.2009, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2009-2-129> (16.06.2010).
2 Udo Sautter, Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart 2006.

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