Engler, Bernd; Scheiding, Oliver (Hrsg.): A Companion to American Cultural History. From the Colonial Period to the End of the 19th Century. Trier 2009 : WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, ISBN 978-3-86821-112-2 440 S. € 35,00

: Key Concepts in American Cultural History. From the Colonial Period to the End of the 19th Century. Trier 2007 : WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, ISBN 978-3-88476-975-1 748 S. € 45,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Volker Depkat, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Universität Regensburg

Die von zwei renommierten Amerikanisten herausgegebenen Bände sind ein Hilfsmittel für die amerikakundliche Lehre in Deutschland und Europa, das speziell auf die Belange von Hochschuldozent/inn/en zugeschnitten ist, die ein nicht-amerikanisches Publikum unterrichten. Am Leitfaden zentraler Wertvorstellungen, Diskursmuster und Sinnsysteme erörtern beide Bände quellennah, detailgesättigt, kenntnisreich und diskussionsoffen Kontexte, Transformationsprozesse und Problemkonstellationen der US-Kultur vom 16. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Dabei wissen sich die Herausgeber dem Diversitäts- und Plurilitätsparadigma verpflichtet, das für die historische Annäherung an die USA seit den 1980er-Jahren leitend geworden ist. Es ist also keine teleologische Siegesgeschichte anglo-amerikanisch-protestantischer Kultur, die hier rekonstruiert wird. Vielmehr wird der Blick auf die Kulturgeschichte der USA bestimmt durch die ethnische Vielfalt im ‚vormodernen‘ Amerika, die diskursive Offenheit der hier behandelten ideologischen Formationen, die machtgefügten Kämpfe über Deutungshoheiten sowie die reformulierende Anpassung der „key concepts“ an die wiederholt sich wandelnden Kontexte der US-amerikanischen Kulturgeschichte.

Die beiden Bände sind thematisch und didaktisch auf das Engste ineinander verzahnt. „Key Concepts in American Cultural History“ ist eine Anthologie, die insgesamt 322 Dokumente – Texte und Bilder gleichermaßen – zur US-Kulturgeschichte zusammenträgt und sie in vierzehn Themenblöcke gruppiert. Am Anfang stehen die frühen europäischen Wahrnehmungen und Konzeptualisierungen Amerikas (Kapitel 1) und die frühe Auseinandersetzung der Europäer mit den Indianern (Kapitel 2). Dann folgen Abschnitte zu den amerikabezogenen Sinnstiftungen der Puritaner (Kapitel 3), den heilsgeschichtlichen Deutungen der frühen amerikanischen Geschichte (Kap. 4) sowie den Endzeiterwartungen des „Millennialism“ (Kapitel 5). Anschließend werden „Great Awakening & Enlightenment“ (Kapitel 6), die Revolutionsperiode (Kapitel 7) sowie die Zeit der Frühen Republik (hier in der Datierung von 1789 bis 1830; Kapitel 8) ausführlich berücksichtigt. Es folgen die Abschnitte „Expansionism“, „Transcendentalism“, „Women’s Roles in American Society“, „Slavery“, „Civil War & Reconstruction“ und „Gilded Age: Problems at Home and Abroad“.

Die in den einzelnen Kapiteln zusammengetragenen Textauszüge sind von wenigen Ausnahmen abgesehen in der Regel ein bis zwei Seiten lang und auf die Passagen konzentriert, die im Hinblick auf die in den Vordergrund gerückten „key concepts“ besonders aufschlussreich sind. Die Texte werden mit nur wenigen, sehr behutsamen Modernisierungen im Sprachstand ihrer frühesten verfügbaren Druckversion in zuverlässiger Transkription reproduziert und zielführend annotiert, um sie dem heutigen Leser zu erschließen. Die meisten Texte sind kanonisch und schon oft anthologisiert worden, doch finden sich immer wieder auch einige bislang eher marginale und dennoch einschlägige Texte. Hinzu kommen viele visuelle Dokumente, die konsequent mit Schrifttexten gruppiert werden, um sie als eigenständige Akte visueller Kommunikation in übergreifenden kulturellen Sinnstiftungsprozessen zu interpretieren. Die Textauszüge sind in der Regel zu kurz, um zu tiefen Einsichten in die einzelnen Texte zu kommen. Deshalb liegt die Stärke dieser Zusammenstellung in der Breite des Horizonts, der in den einzelnen Abschnitten abgeschritten wird. Zudem verbreitert ein die gedruckte Anthologie komplementierendes „e-Text Project“ die Materialbasis fortlaufend. Deshalb haben Student/inn/en – und das ist die imaginierte Leser/innen/schaft, auf die hin diese Anthologie in erster Linie ausgerichtet ist – am Ende eines jeden Kapitels einen auf Primärmaterial basierenden, vertieften und differenzierten Überblick über die mit dem jeweiligen Thema verbundenen Aspekte, Dimensionen, Grundprobleme und Kontroversen.

Da sich die Kontexte der Texte allein aus den Dokumenten der Anthologie und der jedem Abschnitt vorangestellten zwei- bis dreiseitigen Einleitung nicht so ohne weiteres erschließen, haben die Herausgeber der Anthologie den „Companion to American Cultural History“ an die Seite gestellt. Er enthält vierzehn von ausgewiesenen Expert/inn/en verfasste Beiträge, die auf der Basis der in der Anthologie zusammengetragenen Dokumente die kulturprägende Bedeutung der „key concepts“ erörtern, die Dokumente durch „close readings“ interpretieren und aufeinander beziehen, sie dabei zugleich breit kontextualisieren und in ihrem Wandel in der Zeit beschreiben. Die Beiträge des „Companion“ folgen exakt der thematischen Gliederung der Anthologie, und sie sind fast alle auch von den Gelehrten verfasst, die schon für die Auswahl der Dokumente in der Anthologie verantwortlich zeichnen.

Jeder einzelne Abschnitt des „Companion“ folgt dem gleichen Schema: Auf das problemorientierte und sich nah am Material bewegende „reading“ der schriftlichen und visuellen Dokumente folgt eine Reihe von didaktischen Handreichungen für den Seminarraum: Zunächst werden die für den Abschnitt zentralen „Key Concepts and Major Themes“ mit Verweisen auf die relevanten Dokumente der Anthologie definiert. Dann folgt ein Abschnitt „Comparisons – Contrasts – Connections“, der, wiederum unter fortlaufendem Verweis auf Dokumente der Anthologie, die Offenheit der „key concepts“ durch kontrastive Vergleiche aufscheinen lässt, diachrone Kontinuitäten und Diskontinuitäten sichtbar macht und neue thematische Fluchtlinien aufzeichnet. In einem weiteren Abschnitt werden „Reading and Discussion Questions“ für die konkrete Arbeit mit den Texten vorgeschlagen. Abschließend werden unter „Resources“ zunächst die wichtigsten Titel der Forschungsliteratur in Form einer kommentierten Bibliographie vorgestellt, dann folgt eine zweite Bibliographie, die die thematisch einschlägige Forschungsliteratur auflistet, um so Wege für die eigene Weiterarbeit zu bahnen.

Konzeptionell setzen die beiden Bände in der Vermittlung der US-Kulturgeschichte mithin auf Quellenkenntnis gepaart mit detailliertem und in die Tiefe gehendem Faktenwissen. Sie sind in doppelter Hinsicht dialogisch strukturiert, und zwar einerseits auf der Ebene des Materials selbst, weil verschiedenen Positionen, alternative Deutungen und Reinterpretationen konsequent einbezogen werden. Andererseits laden die Beiträge des „Companion“ durch die Hinweise auf alternative Lesarten und kontrastive Vergleiche, durch „Study Questions“ und nicht zuletzt durch die sorgfältigen Hinweise auf die Forschungsliteratur fortlaufend zur Diskussion ein. So wird im „Companion“ die Leser/innen/lenkung in didaktischer Absicht zwar einerseits sehr weit getrieben, andererseits aber in jedem einzelnen Abschnitt dann doch auch wieder überwunden.

Kritisch anzumerken ist freilich, dass die Bände insgesamt noch viel konsequenter entlang von „key concepts“ hätten strukturiert werden können. In der vorliegenden Form stehen systematische Kapitel wie „Early Conceptualizations of America“, „Providential Readings of American History“ oder „Millennialism“, die in der Tat von einem „key concept“ her organisiert sind, neben chronologischen Abschnitten, die sich, wie beispielsweise „Revolutionary Period“, „Early Republic“ oder „Civil War & Reconstruction“, einzelnen Perioden der US-Geschichte widmen. In diesen chronologischen Kapiteln ist es insgesamt sehr viel weniger klar, über welche „key concepts“ sie in ihrem Kern zusammengehalten sind, als in den systematisch angelegten Abschnitten, in denen die kulturprägenden Wertideen und Diskursformationen jeweils scharfes Profil gewinnen. In diesem Zusammenhang verwundert allerdings, dass die Herausgeber die auch für die Geschichte der US-amerikanischen Kultur so zentralen verfassungsrechtlichen Konzepte „Rights“, „Constitution“ und „Federalism“ nicht berücksichtigen.

Diese Kritik tut der Leistung von Engler und Scheidung jedoch keinen Abbruch. Sie haben mit den beiden Bänden ein wertvolles Hilfsmittel für die akademische Lehre bereitgestellt, das angesichts der Realitäten in universitären Seminarräumen am Beginn des 21. Jahrhunderts sehr nützlich ist. Die in der Anthologie zusammengetragenen Texte sind zuverlässig transkribiert und hilfreich annotiert, die Erörterungen im „Companion“ bewegen sich nah an den Quellen, sind so faktengesättigt wie kenntnisreich und leisten das, was sie leisten sollen, nämlich die breite, problemorientierte Kontextualisierung der historischen Dokumente und ihre diskussionsoffene Einordnung in den Gang der US-Kulturgeschichte. Manche mögen die in diesen beiden Bänden betriebene Didaktisierung als zu weit getrieben empfinden, aber es bleibt ja jedem, der mit diesen Bänden arbeitet, selbst überlassen, zu welchen Grad er deren didaktische Angebote nutzt. Wenn Engler und Scheidung auf dem Niveau weitermachen, das sie mit diesen beiden Bänden erreichen, ist das angekündigte Nachfolgeprojekt zum 20. und 21. Jahrhundert schon jetzt willkommen.

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