R. Zedinger: Franz Stephan von Lothringen

Cover
Titel
Franz Stephan von Lothringen (1708-1765). Monarch, Manager, Mäzen


Autor(en)
Zedinger, Renate
Reihe
Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts 13
Erschienen
Anzahl Seiten
VIII, 375 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Hansen, Historisches Seminar, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Nicht erst die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts hat Franz Stephan von Lothringen (1708-1765) als Randfigur erscheinen lassen. Seine fehlende historische Präsenz hängt auch mit der etwas eingeschränkten Überlieferung seit seinem Tod zusammen. Maria Theresia ließ die verbliebenen schriftlichen Zeugnisse ihres Ehemanns in den Beständen reduzieren und trug dazu bei, dass Franz Stephan für politisch weniger bedeutsam gehalten werden konnte. Erst in den letzten Jahrzehnten hat man den Lothringer allmählich wiederentdeckt. Der Historikerin Renate Zedinger kommt mit ihren zahlreichen wichtigen Arbeiten hierfür ein besonderes Verdienst zu. Nun hat sie auch eine aufschlussreiche Biographie über Franz Stephan von Lothringen vorgelegt.

Diese Biographie zeigt nicht nur souverän und eindrucksvoll das Leben Franz Stephans und die historischen Kontexte, in denen es sich vollzog. Sie macht vielmehr auch die damit eng verbundenen politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Interessen, Kenntnisse und Betätigungen des Monarchen deutlich. Denn trotz der erwähnten Eingriffe existieren noch zahlreiche Dokumente, die entsprechend Auskunft zu geben vermögen, etwa die privaten Konferenzaufzeichnungen und Briefe Franz Stephans. Solche Quellen, die nur verstreut in zahlreichen Archiven zu finden sind, wurden von Zedinger erschlossen. Und so gewinnt erst in der nun vorliegenden Zusammenschau das Bild von Franz Stephan deutlich an Kontur.

Eingeleitet wird die Biographie durch die Beschreibung der Herkunft Franz Stephans in Form einer konzentrierten Darstellung der politischen Bedingungen und Entwicklungen des Herzogtums. Ein Grundproblem, von dem auch Franz Stephan nicht unberührt blieb, war die Auseinandersetzung mit Frankreich. Mehrere Jahrzehnte hielten die Franzosen im 17. Jahrhundert Lothringen besetzt und ließen von ihrem Interesse auch nicht ab, als sie das Land nach dem Friedensvertrag von Rijswijk 1697 räumen mussten. Die geflohene lothringische Herzogsfamilie rückte durch ihre Aufnahme in Wien näher an die Habsburger heran. Karl V. von Lothringen heiratete 1678 Erzherzogin Eleonore. Ihr Sohn Leopold, der 1698 wieder in Nancy einziehen konnte, versuchte dann zwischen den beiden Mächten zu bestehen. Dies zeigte sich mitunter an seinem Repräsentationsanspruch, der sich an Wien und Versailles orientierte. Leopold, der selbst mit der Tochter Herzog Philipps von Orléans – des Bruders Ludwigs XIV. – verheiratet war, bemühte sich, seinen Sohn Leopold Klemens mit dem Hause Habsburg zu verbinden. Dessen Tod im Jahr 1723 führte jedoch dazu, dass Franz Stephan derjenige war, der am Wiener Hof erzogen wurde und später Erzherzogin Maria Theresia heiraten sollte.

Die Wiener Jahre endeten für Franz Stephan, als Leopold von Lothringen 1729 plötzlich starb und er als Herzog Franz III. nach Lothringen zurückkehren musste. Der neue Regent stand für Veränderungen. Er schuf das an Versailles orientierte Zeremoniell ab und leitete, mit einem hohen Schuldenberg konfrontiert, einen Reformprozess ein, an dem überwiegend Bürgerliche beteiligt waren. Den Einfluss seiner nach politischer Betätigung suchenden Mutter versuchte man dabei gering zu halten. Allerdings verblieben die Reformen in einem Anfangsstadium. Angesichts eines drohenden Krieges und einer Annexion durch Frankreich verließ Franz Stephan auf kaiserliche Aufforderung hin 1731 Lothringen und trat eine längere Rundreise unter anderem nach Antwerpen, London und Potsdam an. Hier habe Franz Stephan es auch verstanden, „persönliche Kontakte für zukünftige Planungen im wirtschaftlich-wissenschaftlichen Bereich herzustellen und politische Möglichkeiten auszuloten“ (S. 60). Zedinger interpretiert die Reise als eine Zäsur, weil Franz Stephan mit dem Verlassen seines Territoriums in dieser Zeit auch verdeutlicht habe, dass er auf der Seite Habsburgs stehe.

Ab 1732 beginnt die von Kaiser Karl VI. ausgehende besonders enge Einbindung Franz Stephans, die in der Biographie klar nachgezeichnet wird. Der Kaiser bot ihm nicht nur die Statthalterschaft in den Niederlanden bzw. Ungarn an. Vor allen Dingen nahm Franz Stephan fortan an den Beratungen der Geheimen Konferenz teil, wodurch er in das politische Geschehen einbezogen wurde. Noch vor seiner Heirat mit Maria Theresia im Jahr 1736 wurde er so an seine spätere Rolle als politisch versierter Mitregent herangeführt. Zu Recht hält Zedinger auch das Gewicht Franz Stephans als Mitregent in den ersten Jahren für größer als gemeinhin angenommen. Sie verweist dabei auf die noch hinreichend vielen Belege, die allein den täglichen Arbeitsanfall dokumentieren. Abgesehen von seiner Wahl zum Kaiser 1745 änderte sich die Rolle Franz Stephans entscheidend 1753 mit der Ernennung des Grafen Kaunitz zum Haus-, Hof- und Staatskanzler. Kaunitz verfolgte andere politische Interessen als der Mitregent. Dies zeigt sich beispielsweise an der von Kaunitz forcierten Bündnispolitik mit Frankreich, die Franz Stephan ablehnte. Zedinger verweist als weiteres Indiz in diesem Zusammenhang auch auf seinen „Widerstand gegen die von Maria Theresia und Kaunitz geplante Heiratspolitik“ (S. 94). Erst nach dem Tod Franz Stephans 1765 wurden die angestrebten Hochzeiten mit Mitgliedern des Hauses Bourbon verwirklicht.

Wie eigenständig, vielfältig und wirkmächtig Franz Stephan agieren konnte, verdeutlicht die Biographie vor allem in der Darstellung Franz Stephans als Großherzog der Toskana. Er war bemüht, sein Großherzogtum aus dem habsburgischen Machtbereich herauszuhalten, so dass es einen möglichst unabhängigen Weg gehen konnte. Wenngleich viele lothringische Adelige und Künstler in die Toskana zogen und Spuren hinterließen, sah sich Franz Stephan auch der Pflege des Medici-Erbes verpflichtet. Hinsichtlich seiner Politik sind bereits viele Maßnahmen als Vorarbeiten zu den Reformen seines Sohnes und Nachfolgers Leopold (Pietro Leopoldo d’Asburgo-Lorena) zu betrachten. Auch seine Kirchenpolitik erscheint bereits als „ein weiterer Schritt lothringischer und habsburgischer Anstrengungen auf dem Weg zum Reformkatholizismus im Staatskirchentum josephinischer Prägung“ (S. 172).

Dass Franz Stephan in der Toskana und überhaupt einen selbständigen Weg ging, spiegelt sich auch im so genannten Kaiserhaus wider, dem 1740 erworbenen Palais in der Wallnerstraße, das zu Franz Stephans administrativem und politischem Zentrum wurde. Renate Zedinger vermag überzeugend darzulegen, wie die vielen künstlerischen und wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Tätigkeiten des Regenten von hier ihren Ausgang nahmen und mit welchen weiteren Personen sie verknüpft waren. Dabei wird auch deutlich, welches Potential in der weiteren Beschäftigung mit Franz Stephan und seinem Kreis steckt. Hierauf weist Zedinger selbst in ihrer Einleitung hin, betrachtet sie ihre vorgelegte Arbeit doch als „unvollendete Darstellung, die aber vielleicht Anhaltspunkte für zukünftige Forschungen geben kann“ (S. 16). Unvollständig ist die vorliegende Biographie dadurch aber keineswegs. Einzig irritierend ist, dass die Übersetzung einiger französischsprachiger Zitate wohl vergessen wurde. Eine konsequente Übersetzung wäre wünschenswert. Der gute Gesamteindruck bleibt hiervon aber unberührt. Renate Zedinger hat eine gelungene, wichtige und anregende Biographie über Franz Stephan von Lothringen vorgelegt.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension