Quellen aus dem Stadtarchiv St. Gallen

: Medizinische Fürsorge in der Stadt St.Gallen: Mittelalterliche und frühneuzeitliche Dokumente aus dem Stadtarchiv St.Gallen. Interaktive Leseübungen und Kommentare. Zürich 2009 : Chronos Verlag, ISBN 978-3-0340-0998-0 CD-ROM € 18,00

: Dokumente des 13. bis 20. Jahrhunderts aus dem Stadtarchiv St. Gallen. Interaktive Leseübungen und Kommentare. Zürich 2006 : Chronos Verlag, ISBN 978-3-0340-0845-7 CD-ROM € 18,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dietmar Schiersner, Pädagogische Hochschule Weingarten

Eine historische Ansicht der Stadt St. Gallen, der Eingang zum Archivgebäude der Ortsbürgergemeinde, die Tür zum Benutzerraum, ein Blick auf die Buchrücken der Findmittel, und da endlich liegt sie vor dem Betrachter: die Archivalie – brüchiges Papier, schwer entzifferbare Schrift. Die Animation am Anfang beider CD-ROMS mit Dokumenten aus dem Stadtarchiv St. Gallen imitiert das, was Studierende der Geschichte häufig als Archivschock erfahren. Doch hilft die interaktiv gestaltete Publikation sogleich über den ersten Schrecken hinweg, führt ein in das korrekte Transkribieren historischer Schriften und präsentiert dabei eine Fülle interessanter Inhalte aus Jahrhunderten der Stadtgeschichte St. Gallens.

Beide Publikationen sind im wesentlichen gleich aufgebaut und gestaltet: 15 bzw. 18 „Übungen“ führen anhand von Beispielen aus dem Stadtarchiv St. Gallen in das Lesen alter Handschriften vom 13. bis zum 20. bzw. 18. Jahrhundert ein. Es sind sämtlich Quellenausschnitte von geringem Umfang – wenige Zeilen –, mit denen ein mikroskopisches Lesen intendiert ist. „Regeln“ formulieren Transkriptionsrichtlinien und weisen auf Besonderheiten historischer Graphien hin. Ein Abschnitt mit weiterführender „Literatur“ (auf der zweiten CD mit „Hintergrund“ überschrieben) gibt vor allem die Möglichkeit, intensiver in die jeweilige Thematik der vorgestellten Quellenausschnitte einzudringen. „Über das Archiv“, aber auch zur Geschichte der Stadt St. Gallen informieren einige abschließende Seiten. Bei der technischen Konzeption der CDs wurden Ideen des an der Universität Zürich entwickelten E-Learning-Projektes „Ad fontes“ verwendet; inhaltlich wurde vor allem zurückgegriffen auf Dokumente, die Ernst Ziegler in den teilweise vergriffenen Heften zur Paläographie bereits publiziert hatte.

Auch die Übungen selbst sind sämtlich nach demselben Schema aufgebaut. Eine Beilage zu einem Brief aus Glarus (1782), das Signalement der „letzten Hexe“ Anna Göldin, beispielsweise wird zunächst in einer Gesamtansicht präsentiert, der einführende Informationen zu Personen und historischem Hintergrund beigegeben sind. Es schließen sich kurze einleitende Anweisungen zur Transkription an, die auf die konkreten Herausforderungen der vorliegenden Graphie Bezug nehmen, etwa auf die Umsetzung von Kürzungsstrichen. Abschnittsweise ‚Übungshäppchen’ folgen, wobei wenige Zeilen in ein eigenes Feld übertragen werden können – eine Lupenfunktion kann beim Entziffern helfen – und abschließend vom Programm Buchstabe für Buchstabe oder Wort für Wort eine
Rückmeldung angefordert werden kann. Alternativ kann sich der Nutzer auch gleich den ganzen Abschnitt transkribiert und mit weiteren Detailinformationen versehen zeigen lassen. Der Hinweis auf weiterführende Literatur schließt die Übungseinheit ab.

Die mit Bedacht ausgewählten Quellen stammen sämtlich aus dem Stadtarchiv St. Gallen. Dabei werden exemplarische oder ‚besondere’ Inhalte – zugleich nicht zu schwer lesbare Graphien – präsentiert. Während die erste CD Schlaglichter auf sieben Jahrhunderte städtischer Geschichte zu werfen vermag, indem von der Privat- und Kaiserurkunde, über das Steuerbuch, eine Zunftsatzung oder eine Speiseordnung bis hin zum Gemeinderatsprotokoll die Vielfalt archivalischer Überlieferung vorgestellt wird, ist auf der zweiten CD ein thematischer Längsschnitt unter dem Aspekt medizinischer Fürsorge im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen St. Gallen angelegt. Neben einer Vielzahl typischer und häufig überlieferter Quellen, von der Spitalordnung bis zu Auszügen aus Rechnungsbüchern, werden wiederum auch eher außergewöhnlichere Themen angeschlagen, etwa Kinder oder geistig Kranke im Spital.

Insgesamt gelingt es bei beiden CDs, paläographisches Üben und inhaltliches Lernen geschickt und motivierend zu verknüpfen. Die Publikation ist damit sowohl für den Unterricht an Schulen – allerdings nach entsprechender Auswahl und mit zusätzlicher Aufbereitung – als auch für den universitären Bereich – sei es für archivkundliche oder inhaltlich entsprechend fokussierte Veranstaltungen – gut geeignet.

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Medizinische Fürsorge in der Stadt St.Gallen: Mittelalterliche und frühneuzeitliche Dokumente aus dem Stadtarchiv St.Gallen
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Dokumente des 13. bis 20. Jahrhunderts aus dem Stadtarchiv St. Gallen
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