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Titel
Digitale Diplomatik. Neue Technologien in der historischen Arbeit mit Urkunden


Herausgeber
Vogeler, Georg
Reihe
Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 12
Erschienen
Köln 2009: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
VII, 362 S.
Preis
€ 52,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anne-Katrin Kunde, Institut für Geschichte des Mittelalters, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Die Benutzung digitaler Editionen bedeutet sowohl für Historiker als auch für historisch Interessierte seit geraumer Zeit über Ländergrenzen hinweg einen gewohnten, bequemen und zugleich effektiven Zugang zu historischen Quellen, besonders zu mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkunden. Von Anbeginn dieser Entwicklung stellten sich dabei Fragen vor allem nach der digitalen Editionstechnik, deren Planung und Durchführung, aber auch nach der Rolle der Archive und Bibliotheken in diesem Prozess und natürlich nach den Möglichkeiten der praktischen Nutzung der digital zur Verfügung gestellten Quellencorpora bzw. dem Einfluss der neuen Techniken auf das diplomatische Arbeiten.

Diesen Themenkreisen widmete sich eine international ausgerichtete Konferenz „Digitale Diplomatik. Die historische Arbeit mit Urkunden in der digitalen Welt“, die vom 28. Februar bis zum 2. März 2007 in München stattfand und deren Beiträge nunmehr in der Mehrzahl in schriftlicher Form vorliegen. Geboten wird dem Leser eine Bestandsaufnahme zu einer Vielzahl von Einzelprojekten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, den Niederlanden, Österreich, Schweden und der Slowakei, die vom Tagungsorganisator Georg Vogeler ausführlich eingeleitet und gebündelt worden sind („Digitale Diplomatik – Die Diplomatik auf dem Weg zur eScience?“, S. 1–12). Eröffnet wird die Reihe der Beiträge, die alle im Wesentlichen auf das jeweilige Vortragsmanuskript zurückgehen, durch den Beitrag Theo Kölzers (Bonn) „Diplomatik, Edition, Computer“ (S. 13–27), der neben einer Skizzierung der aktuellen hilfswissenschaftlichen Landschaft an deutschen Hochschulen die Chancen der digitalen Diplomatik für die Weiterentwicklung der traditionellen, bewährten Diplomatik hervorhebt, aber betont, dass dadurch „keine neue Methode und damit keine neue Diplomatik“ (S. 16) geschaffen werde. Alle mit jener verbundenen Vorzüge, wie etwa vereinfachte, großflächige Suchmöglichkeiten, Auswertung größerer Quellenmengen mittels anzuwendender intelligenter Suchkriterien, nicht zuletzt erhebliche Zeitersparnis für den einzelnen Forscher, bräuchten letztendlich aber stets den handwerklich gut ausgebildeten Historiker, der all die im Internet bereitgestellten Quellen zu verwerten wisse. In diesem Sinne wünscht er ein Hand-in-Hand-Gehen von technischer und fachlicher Kompetenz bei der Entwicklung digitaler Editionen, um Qualität und Nachhaltigkeit zu garantieren.

Vor dem Hintergrund der jeweiligen Entwicklungsstufen von der reinen Retrokonvertierung über eine digitale Reproduktion (beispielsweise Clemens Radl, Urkundeneditionen innerhalb der dMGH, S. 101–115), die virtuellen Editionen bis hin zu einem Gesamtcorpus an Urkunden (Karl Heinz, Monasterium.net: Auf dem Weg zu einem mitteleuropäischen Urkundenportal, S. 70–77), die gemeinsam abfragbar sind, stellten die Teilnehmer verschiedene Projekte vor, die an Archiven, Bibliotheken, Universitäten oder Akademien der Wissenschaften verankert sind (beispielsweise Christian Domenig, Die Klagenfurter Urkundendatenbank, S. 78–83; Andreas Gniffke, Das ‚Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300‘ im Internet, S. 91–100; Karsten Uhde, Der Archivar als Dienstleister der Diplomatiker, S. 108–199 oder Andreas Kuczera, Regesta Imperii Online, von der Internetpräsentation zur Internetedition, S. 84–90) und damit sowohl eine Bewahrung der Quellen als auch eine möglichst breite, gut abfragbare Quellengrundlage für weitere Urkundenforschungen zum Ziel haben. Dabei thematisierten sie die jeweils entwickelte Editionssoftware und die Praxis des digitalen Edierens (Benjamin Burkhard, EditMOM – ein spezialisiertes Werkzeug zur kollaborativen Urkunden-Erschließung, S. 255–270; Christian-Emil Ore, New digital assets – how to integrate them, S. 238–254), die praktische Umsetzung von Datensicherungsmethoden (beispielsweise Paolo Buonora, Long lasting digital charters. Storage, formars, interoperability, S. 222–237) oder auch Verfahren zur Analyse von Textstrukturen (beispielsweise Herbert Stoyan / Sebastian Schmidt, Textmining in Beständen digitalisierter Urkunden, S. 318–324). Der den Band abschließende Beitrag von Patrick Sahle („Vorüberlegungen zur Portalbildung in der Urkundenforschung“ S. 325-341) fasst verschiedene behandelte Fragen zusammen und beleuchtet zugleich zukünftige wünschenswerte Entwicklungen hin zu einem Urkundenportal, in dem die einzelnen Projekte in Fachgemeinschaften zusammenarbeiten und ihre Metadaten bereitstellen, wobei die einzelne Urkunde, die nach wie vor Gegenstand der diplomatischen Forschung bleibt, dauerhaft zu adressieren ist und damit einzeln benannt werden kann (S. 338). Abgerundet wird der Band durch kurze abstracts der Beiträge, die überwiegend, aber nicht durchgängig in englischer Sprache gehalten sind, sowie einem Autorenverzeichnis.

Dem an dieser Thematik Interessierten liegt hiermit in einer Zwischenbilanz ein guter Überblick über die in verschiedenen europäischen Ländern stattfindenden Digitalisierungsprojekte, deren technische Umsetzung, aber auch deren Nutzungsmöglichkeiten vor. Gerade weil an dieser Stelle längst nicht alle 27 versammelten Beiträge vorgestellt werden konnten, lädt er ein, sich über diese genauer zu informieren, die homepages der entsprechenden Unternehmen zu besuchen, zu stöbern und auch die seit 2007 erfolgten Veränderungen, Entwicklungen und Neuerungen nachzuvollziehen, die möglicherweise auch auf Anregungen zurückgehen, die auf der dem Band zugrunde liegenden Tagung gewonnen und ausgetauscht werden konnten.

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