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Titel
Ritter und Raufbolde. Vom Krieg im Mittelalter


Autor(en)
Clauss, Martin
Reihe
Geschichte erzählt 20
Erschienen
Darmstadt 2009: Primus Verlag
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
€ 16,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karolina Meyer-Schilf, Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg

Die Reihe ‚Geschichte erzählt‘ richtet sich in erster Linie an interessierte Laien und nicht an ein versiertes Fachpublikum. Der von Martin Clauss verfasste 20. Band mit dem Titel „Ritter und Raufbolde. Vom Krieg im Mittelalter“ ist gewohnt ansprechend gestaltet und beinhaltet auf insgesamt 144 Seiten viele Abbildungen in Schwarzweiß sowie ein sehr knappes Quellen- und Literaturverzeichnis. In Anbetracht der Zielgruppe erscheint die Literaturauswahl (insgesamt nur neun Titel) aber gerade noch ausreichend, zumal dort neben dem älteren Klassiker von Contamine auch wesentliche neuere Überblicksdarstellungen zum Krieg im Mittelalter genannt werden.1 Die Quellenangaben sind mit einem Hinweis versehen, dass insbesondere auf die leichte Auffindbarkeit der Übersetzungen und Quelleneditionen Wert gelegt wurde. Immer wieder eingeschobene blaue Kästen mit Erklärungen der verschiedenen mittelalterlichen Waffen sind informativ und runden das attraktive Erscheinungsbild ab.

Der Primus-Verlag, in dem die Reihe „Geschichte erzählt“ erscheint, bewirbt das Buch mit den Worten: „Martin Clauss entwirft dagegen ein vielschichtiges Bild vom Krieg im Mittelalter, das sich einer Wirklichkeit annähert, in der der Krieg in erster Linie Tote und keine Helden erzeugt.“2 Neben der Darstellung der verschiedenen Aspekte mittelalterlicher Kriegführung wird hier also auch besonderer Wert auf die Abgrenzung zur heute vermeintlich verbreiteten Ritterromantik gelegt.

Viel Raum benötigt Clauss dafür, das ernste Thema Krieg von heutigen populären Mittelalterbildern abzugrenzen. Immer wieder wird Bezug genommen auf die von Filmen und Fantasy-Literatur kolportierte romantische Verklärung des Mittelalters mit strahlenden Rittern und zarten Fräulein. Dass solche Vorstellungen vom Mittelalter nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen, andererseits aber auch im Mittelalter der Unterhaltungswert eine große Rolle spielte, macht er dem Leser deutlich. So zeigt Clauss durch zahlreiche, durchaus bunt gemischte Quellenbeispiele die mittelalterliche Kriegsberichterstattung auch in ihrer Funktion als Unterhaltungsfaktor (S. 85) und stellt sie insofern der heutigen Rezeption von Ritterfilmen und -romanen gegenüber. Aber wen hat Martin Clauss vor Augen, wenn er schreibt: „Heute gibt es Ritter nur noch im Kino und in den Vorstellungen eines bestimmten Menschen- oder genauer Männerschlages, der sich ‚ritterlich‘ um Ehre und Anstand, Höflichkeit und Moral bemüht – angeblich so wie die Ritter des Mittelalters.“ (S. 123)? Indem Clauss die heute populären Mittelalterbilder skizziert und zweifellos zu Recht die Heroisierung der Gewalt unter anderem durch Filme mit „Laurence Olivier als Heinrich V.“ (S. 139) beklagt – dabei gibt es sicherlich ungeeignetere Kandidaten als den übrigens 1947 zum Ritter geschlagenen Olivier –, verliert er sein ursprüngliches Anliegen, nämlich die differenzierte Darstellung des mittelalterlichen Krieges, zuweilen aus dem Blick.

Über manche Strecken fehlt der berühmte ‚rote Faden‘, was schon durch einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis deutlich wird. Das Buch ist unterteilt in sechs Kapitel: Nach der Einleitung folgt zunächst ein Kapitel über die Rolle der drei Stände im Krieg („Adel, Klerus, Bauern“), sodann werden die unterschiedlichen Formen des Krieges („Feldschlacht, Belagerung und Kriegszug“) erläutert. Darauf folgt ein Kapitel mit der Überschrift „Gewalt trifft alle – Die Opfer des Krieges“, in dem Gewalt gegen Frauen ebenso thematisiert wird wie die (unterhaltende) Bedeutung der Berichterstattung über den Krieg. Der Einstieg in dieses Kapitel ist nicht ganz gelungen, denn der Satz „Im Krieg gibt es immer Opfer, auch im Mittelalter“ (S. 78) ist, wie manche anderen Aussagen auch, wenig erhellend. Clauss bemüht sich um eine moderne, einfache Sprache – und übertreibt es dabei hin und wieder: Sätze wie „Es ging wild zu auf den Schlachtfeldern des Mittelalters“ (S. 49) oder „Man konnte auf dem Schlachtfeld viel gewinnen, aber auch viel verlieren.“ (S. 55) sind häufig anzutreffen, jedoch nicht unbedingt weiterführend.

Das nächste Kapitel „Wer den Krieg entscheidet – Helden und Feiglinge“ ist das gelungenste des ganzen Buches, hätte aber vielleicht eher am Anfang stehen können. Hier beschreibt Clauss sehr anschaulich die verschiedenen Aspekte der mittelalterlichen Ritterkultur – von der Ausstattung mit Waffen und Panzerung über die Bedeutung der Schlachtrösser hin zur kulturellen und militärischen Bedeutung dieses Standes. In diesem Kapitel zeigt Martin Clauss, dass man den mittelalterlichen Krieg und die daran Beteiligten gleichzeitig spannend und seriös darstellen kann. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Clauss sich erst jetzt, im vorletzten Kapitel seines Buches (es folgt nur noch das medienkritische Kapitel „Unser Bild vom Krieg im Mittelalter“), von der sicher nicht leicht zu bewältigenden Zielvorgabe freimachen kann, eine für Laien konzipierte, unterhaltende und dennoch wissenschaftlich fundierte Darstellung des mittelalterlichen Krieges zu schreiben. Wissenschaftlich fundiert bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nicht, dass etwa ein großer Fußnotenapparat vorhanden wäre; am Ende befinden sich je zwei Seiten Anmerkungen und das erwähnte Quellen- und Literaturverzeichnis, schließlich noch ein Bildverzeichnis. In Anbetracht dessen, dass der eigentliche Textteil nur 139 Seiten umfasst und sich darüber hinaus eher an interessierte Laien richtet, ist das aber in Ordnung.

Insgesamt erscheint die Konzeption des Buches dennoch wenig an das Zielpublikum angepasst, auch wenn vordergründig der Eindruck entsteht, gerade die lockere Erzählweise und der unkonventionelle Kapitelaufbau komme auch Lesern mit weniger historischer Vorbildung entgegen. Dies war sicher die Intention von Autor und Verlag. Das Gegenteil ist allerdings der Fall; gerade ein Publikum, das mit epochenspezifischen Problemstellungen nicht vertraut ist, benötigt eine klare Erzählstruktur, die hier häufig fehlt. Trotz der Bemühungen um Eingängigkeit fügt sich diese Darstellung des mittelalterlichen Krieges nicht so recht zu einem einheitlichen Bild, sondern zeigt vielmehr in Schlaglichtern verschiedene Aspekte des mittelalterlichen Krieges. In Anbetracht der Kürze des Buches kann dabei naturgemäß nicht besonders in die Tiefe gegangen werden.

Anmerkungen:
1 Philippe Contamine, La guerre au moyen âge, Paris 1980. Ferner neben Malte Prietzel, Krieg im Mittelalter, Darmstadt 2006 (vgl. dazu die Besprechung von David Bachrach: Rezension zu: Prietzel, Malte: Krieg im Mittelalter. Darmstadt 2006, in: H-Soz-u-Kult, 14.02.2007, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-1-109>), auch der gerade erschienene Titel des Autors: Martin Clauss, Kriegsniederlagen im Mittelalter, Darstellung, Deutung, Bewältigung, Paderborn 2009.
2 Vgl. Verlagsinformation des Primus-Verlages: <http://www.primusverlag.de/detail.php?artikel_id=124098958433&PHPSESSID=34a62cf3b6ba5bd214bc275ef4c90b9b0b9b> (31.12.2009).

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