Cover
Titel
The Moguls and the Dictators. Hollywood and the Coming of World War II


Autor(en)
Welky, David
Erschienen
Anzahl Seiten
448 S.
Preis
$ 45,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karl Christian Führer, Fachbereich Geschichte, Universität Hamburg

„Casablanca“, der Warner-Bros.-Film von 1943 mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman, gehört dank Fernsehen und DVD heute auch in Deutschland zum allgemeinen kulturellen Erbe: Kernszenen wie das musikalische ‚Duell‘ zwischen der „Wacht am Rhein“ und der „Marseillaise“ in „Rick’s Café“ oder die nebelumflorte Schlussszene auf dem Flughafen, die Bogarts „wunderbare Freundschaft“ mit dem französischen Polizeipräfekten (Claude Rains) besiegelt, sind jedem präsent, der sich auch nur ein wenig für Film und Kino interessiert. Dieses Meisterwerk, das zu den vergleichsweise subtilen antifaschistischen Propagandafilmen Hollywoods aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs gehört, wird von David Welky in seinem Buch „The Moguls and the Dictators“ nicht erwähnt, denn er befasst sich mit Hollywoods Geschichte vor dem Eintritt der USA in den Krieg. Dabei wird eindringlich deutlich, wie schwer sich die amerikanische Filmindustrie in den 1930er-Jahren und selbst noch 1939/40 damit tat, zum politischen Zeitgeschehen Stellung zu nehmen. Welky beschreibt diese Schwierigkeiten und ihre zögerliche Überwindung als einen Prozess, in dem Hollywood sich selbst als „an important player in contemporary policy discussions“ neu erfindet und eine „mature cultural identity“ (S. 339) entwickelt.

Politisch kontroverse Themen galten den Studiobossen in den Friedensjahren zwischen den beiden Weltkriegen als sicheres Kassengift. Zudem wachte die 1934 eingerichtete „Production Code Administration“ (PCA) als Instanz der Selbstzensur penibel darüber, dass fremde Nationen und Völker in Hollywood-Filmen „respectful“ behandelt wurden (zumindest dann, wenn es nicht um Farbige, Asiaten oder Lateinamerikaner ging). So wurden weder das faschistische Italien noch das nationalsozialistische Deutschland vor 1939 für Hollywood zum Filmthema. Hinter der Leinwand aber begann sich die Filmwelt bereits zu ändern. Im Juni 1936 entstand die „Hollywood Anti-Nazi League“, in der Drehbuchautoren, Regisseure und auch einige bekannte Schauspieler öffentlichkeitswirksam gegen die NS-Diktatur protestierten. Auch der Spanische Bürgerkrieg politisierte das glitzernd-mondäne Hollywood: Wenn selbst ein Star wie Joan Crawford sich für die Sache der bedrohten Republik aussprach, dann war Engagement für die ‚gerechte‘ politische Sache erkennbar auf dem besten Weg, zum „mainstream“ zu werden.

Die Studiobosse und Produzenten aber blieben äußerst vorsichtig. Welky zeigt das sehr schön an dem unabhängig produzierten Film „Blockade“ von 1938, der eigentlich eine entschiedene Stellungnahme für die Spanische Republik sein sollte, am Ende aber doch nur als flauer Genre-Mischmasch ohne klar erkennbare politische Botschaft in die Kinos kam. Ein Meilenstein wurde hingegen „Confessions of a Nazi Spy“ der Warner Bros., der in den USA Ende April 1939 uraufgeführt wurde. Dieser erste echte Anti-Nazi-Film Hollywoods ist zwar eher kruder Art; als Versuch, aktiv im Kino Politik zu treiben, gebührt ihm aber doch ein „revolutionary status“ (S. 116). Harry Warner, der einzige Hollywood-Mogul, der – wenigstens gelegentlich – für Themen offen war, die den anderen Studios und der PCA als „riskant“ galten, profilierte sich mit diesem Streifen als engagierter Antifaschist. Mit der Wahrheit nahm er es dabei allerdings nicht sehr genau: Der Film benutzte einen aktuellen Spionagefall, um nicht nur eine NS-freundliche Organisation von Deutsch-Amerikanern (den „German-American Bund“), sondern gleich auch noch die deutsche Regierung für das Treiben der Spione verantwortlich zu machen, obwohl die recht dilettantisch agierenden echten Täter auf eigene Faust gehandelt hatten. Der Film entwarf dennoch das Bild einer großen NS-Verschwörung, die von Joseph Goebbels höchst persönlich geleitet wurde (der deutsch-jüdische Emigrant Martin Kosleck erschien bis 1945 dann noch in vier weiteren Hollywood-Filmen in dieser Rolle).

Welky zeigt, wie mutig die Produktion dieses Films in der politisch höchst angespannten Situation im Winter und Frühjahr 1938/39 war: Harry Warner und seine Mitarbeiter identifizierten hier amerikanischen Patriotismus und Antifaschismus – und diese Gleichsetzung war in der US-amerikanischen Gesellschaft damals alles andere als konsensfähig. Bezeichnenderweise wollte auch Europa Warners Botschaft kaum hören: „Confessions of a Nazi Spy“ wurde im Sommer 1939 in der Schweiz, den Niederlanden und in Schweden sowie Norwegen verboten. Die Amerikaner aber zeigten zumindest Interesse: Mit einer Kasseneinnahme von 1,53 Millionen Dollar bei Produktionskosten von 681.000 Dollar erbrachte Warners Wagnis „a healthy profit“ (S. 130).

Weitere antifaschistische Spielfilme aus Hollywood kamen erst im Sommer 1940 in die Kinos. Neben Alfred Hitchcocks „Foreign Correspondent“, den der privat stets unvoreingenommene Joseph Goebbels in seinem Tagebuch als Meisterwerk der Propaganda würdigte, gehören zu dieser Handvoll von Filmen auch Werke eher fragwürdiger Art. Dem Metro-Goldwyn-Mayer-Film „The Mortal Storm“ etwa, der im nationalsozialistischen Deutschland spielt, gelang das Kunststück, den Antisemitismus der Nazis zu beklagen, ohne die Verfolgten eindeutig als Juden zu identifizieren, weil das Studio antisemitische Vorurteile des amerikanischen Publikums fürchtete. Absurderweise erscheint die NSDAP in diesem Film pauschal als antireligiöse Bewegung, die sogar das Läuten der Kirchenglocken unterband. Auch in dem Warners-Film „The Man I Married“, in dem eine Amerikanerin schrittweise das wahre (böse) Gesicht ihres deutschen Ehemannes entdeckt, eliminierte das Studio sorgfältig jeden Bezug auf Juden und die Judenverfolgung. Das amerikanische Publikum reagierte bestenfalls verhalten auf beide Filme; für die NSDAP aber boten sie den willkommenen Anlass, den Filmimport aus den USA grundsätzlich zu stoppen. Charly Chaplins „The Great Dictator“, der im Oktober 1940 Premiere hatte, brandmarkt Hitler und die Nationalsozialisten zwar (im Gewand der Allegorie) offen als Antisemiten. Auch dieser Film aber belegt, wie schwierig es sein kann, eine politische Botschaft zu bieten und gleichzeitig doch auf die Kasse zu schielen: Die pathetische Ansprache des Hynkel-Doppelgängers am Ende des Films galt schon vielen Zeitgenossen als der hilflos misslungene Versuch, auf konkrete politische Fragen mit Allgemeinplätzen zu antworten.

Für die Jahre 1940/41 spricht Welky trotz solcher Probleme generell von einem wachsenden politischen Selbstbewusstsein Hollywoods. Mit einer Reihe von pro-britischen Filmen und ausgesprochen positiven Darstellungen des amerikanischen Militärs positionierten sich die Studiobosse zunehmend deutlicher als „Interventionisten“, die einen Kriegseintritt der USA an der Seite Englands befürworteten. Damit riskierten sie den Konflikt mit einer lautstarken Bewegung von „Isolationisten“, die den überaus populären Flieger Charles Lindbergh als Galionsfigur aufweisen konnte. Auch rechtsstehende Politiker stießen sich an Hollywoods mehr oder weniger offenen Plädoyers für eine neue atlantische Allianz. Im September 1941 zitierten sie eine ganze Reihe wichtiger Filmmanager wegen „Kriegstreiberei“ vor ein „sub-committee“ des Senats. Diese Verhandlungen wurden für die „Isolationisten“ jedoch zu einem PR-Desaster. Ihre führenden Männer erwiesen sich als Film-Ignoranten, die kaum einen der so scharf kritisierten Filme selbst gesehen hatten. Schon vor Pearl Harbor war damit der weitere Weg Hollywoods abgesteckt: Zum Zeitpunkt der Anhörungen befanden sich zwölf anti-nationalsozialistische Filme in der Produktion.

Welky bietet mit seinem sehr lebendig geschriebenen Buch einen genauen Blick auf eine wichtige Epoche der amerikanischen Filmgeschichte. Er zeigt, wie kompliziert die Entstehungsgeschichte einzelner Filme sein kann, weil politische Interessen, ökonomische Erwartungen, Interventionen verschiedener Zensurinstanzen und Rücksichtnahmen auf „das Publikum“ ihre Entstehung beeinflussen. Gelegentlich bietet der Autor ein Übermaß an Anekdoten, aber das stört weniger als sein teilweise recht unkritischer Blick auf die behandelten Filme. Die Frage, wie stark politisch gut gemeinte Propaganda die Realität verzerren darf, wird nicht gestellt. Auch interessiert sich Welky nicht für die Ähnlichkeiten zwischen Hollywoods filmischer Propaganda und der Kinoproduktion des „Dritten Reichs“, die etwa bei Darstellungen des Militärs mit Händen zu greifen sind. Hier wie dort finden wir das Militär als Schmiede der „Volksgemeinschaft“; hier wie dort gilt männlicher Heroismus im Angesicht des Todes als höchste Tugend. Um zu klären, wie ‚erwachsen‘ Hollywood in den Kriegsjahren tatsächlich war, sollten jedoch auch solche Fragen diskutiert werden.

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