Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies [JIPSS]

Cover
Titel
Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies [JIPSS].


Herausgeber
Beer, Siegfried; Martin Moll
Anzahl Seiten
ca. 150 S. pro Heft
Preis
€10,00 pro Heft
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sönke Neitzel, Historisches Seminar Abt. IV, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Geschichte der Nachrichtendienste hat sich in Deutschland trotz vielfältiger Ansätze noch nicht zu einem etablierten Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung entwickeln können. So gibt es hierzulande nur wenige Universitätshistoriker, die sich dieses Themas annehmen. Der bekannteste dieser kleinen Schar ist zweifellos Wolfgang Krieger aus Marburg. Mehrfach hat er angemahnt, dass die Intelligence History ein „field in a search for scholars“1 sei. Das Thema wird in Deutschland seit langem vor allem Journalisten und Verschwörungstheoretikern überlassen. Eine seriöse Forschung ist daher umso notwendiger. Neben den klassischen Fragen nach Struktur, Organisation und Zielsetzung von Nachrichtendiensten, ergeben sich vor allem für kulturgeschichtliche Ansätze reichhaltige Arbeitsfelder: So ist die Frage, ob es unterschiedliche Intelligence-Kulturen gab – somit nationale Unterschiede in der Art und Weise, wie die Akkumulierung von Wissen betrieben und als Ganzes wahrgenommen wurde – bislang noch nicht bearbeitet worden.

Angesichts der stiefmütterlichen Behandlung der Geschichte der Nachrichtendienste in Deutschland ist es überaus begrüßenswert, dass das „Austrian Center for Intelligence, Propaganda und Security Studies“ seit 2007 eine gleichnamige Fachzeitschrift publiziert, die zweimal im Jahr erscheint. Herausgegeben wird das JIPSS von Siegfried Beer, dem führenden österreichischen Intelligence-Experten, der an der Universität Graz lehrt und – dies verrät ein Blick auf das Advisory Board – international bestens vernetzt ist.

Das Organ versteht sich als ein Diskussionsforum für den weiten Bereich der Intelligence Studies. Da die Nachrichtendienste in ihrer modernen Form erst im 20. Jahrhundert entstanden sind, konzentrieren sich die Herausgeber vor allem auf Beiträge zur Zeitgeschichte, vor allem in erster Linie natürlich zur Geheimdienstgeschichte des Kalten Krieges – einem Feld, das vor allem von der britischen und amerikanischen Forschung besonders intensiv bearbeitet wird. Die 150 bis 200 Seiten starken Bände enthalten zu zwei Dritteln Essays und Aufsätze, das letzte Drittel umfasst Rezensionen, Interviews und eine nützliche Chronik über aktuelle Ereignisse der Nachrichtendienste.

Das JIPSS ist neben dem englischen Marktführer „Intelligence and National Security“ und dem in Deutschland erscheinenden „Journal of Intelligence History“ nunmehr die dritte westeuropäische Zeitschrift, die sich des Themas der Nachrichtendienste annimmt. Es dürfte vor allem für jüngere Forscher ein willkommenes Organ zur Publizierung ihrer Forschungsergebnisse sein und belegt ein beachtliches Interesse an der Nachrichtendienstgeschichte in Österreich. Aus deutscher Sicht ist zweifellos bemerkenswert, dass das JIPSS vom österreichischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung gefördert wird, was einmal mehr das international gestiegene Interesse an der Thematik unterstreicht.

Von den mittlerweile fünf erschienenen Heften sollen an dieser Stelle zwei näher besprochen werden. Heft 2/2007 befasst sich in insgesamt neun Beiträgen mit dem Titelthema „Holy War, Total War, Cold War“. Besonders interessant ist hier ein Beitrag des Düsseldorfer Historikers Salvador Oberhaus über die deutsche Propaganda in Ägypten während des Ersten Weltkrieges. Anhand bislang nicht ausgewerteter Akten des Auswärtigen Amtes kann der Verfasser zeigen, wie kläglich die deutschen Versuche scheiterten, in der wichtigen britischen Kolonie den Djihad zu entfesseln. Dies freilich nicht nur, weil es schon aus logistischen Gründen überaus problematisch war, Agenten nach Ägypten einzuschleusen, da der Vorstoß auf den Suezkanal 1915 gescheitert war. Eines der größten Hindernisse waren die türkischen Befehlshaber vor Ort, die keinerlei Interesse an einem Heiligen Krieg in Ägypten hatten, der sich nicht nur gegen die Briten, sondern mittelfristig auch gegen sie selber richten musste.

In dem Abschnitt über den Totalen Krieg wird in mehreren Beiträgen paradigmatisch aufgezeigt, wie sehr die immer weiter fortschreitende Kommunikationskontrolle ein Produkt der Totalisierung des Krieges im 20. Jahrhundert gewesen ist. In den Beiträgen von Florian Altenhöner über die Bahnüberwachungsreisen in Württemberg im Ersten Weltkrieg und Tamara Scheer über das K. (u.) k. Kriegsüberwachungsamt werden freilich auch die Grenzen der Kommunikationskontrolle aufgezeigt. Weder in Deutschland noch in Österreich-Ungarn konnte es gelingen, die öffentliche Kommunikation mit staatlichen Maßnahmen so zu beeinflussen, wie man es sich seitens der Regierungen wünschte. Beide Beiträge zeigen einmal mehr auf, dass die Mittelmächte im Ersten Weltkrieg dem Phänomen der Kriegsmüdigkeit und Kritik letztlich hilflos gegenüberstanden – auch weil man vor der Errichtung eines totalen Überwachungsstaates stets zurückschreckte. Bezeichnend ist, dass das Kommando der Hochseeflotte am 21. Oktober 1918 die Einstellung der Eisenbahnüberwachungsreisen empfahl, da die Sicherheit der Kontrolleure nicht mehr gewährleistet schien.

Weitere, überaus gelungene Beiträge, so etwa aus der Feder von Marcus Liebold über die nationalsozialistische Neuordnung der norwegischen Presse in den Jahren 1940 bis 1945 oder Mario Muiggs über den Mythos der Alpenfestung, runden dieses Heft ab.

Im Heft 2/2008 liegt der Schwerpunkt mehr auf der Zeit des Kalten Krieges. Unter den sieben Aufsätzen sei an dieser Stelle nur jener von Helmut Müller-Enbergs erwähnt. Er befasst sich mit den unlängst aufgekommenen Gerüchten, dass das österreichische Abwehramt von der Stasi unterwandert war. Mit beeindruckender Quellenkenntnis vermag er nachzuweisen, dass die HVA keine Quelle im österreichischen Geheimdienst hatte. „Der ‚Stasi-Alarm‘ entpuppt sich schlicht als Fehlalarm“. Mithin ein wichtiger Beitrag, der dazu beitragen dürfte, den Mythos der alleswissenden Staatssicherheit ein Stück weit zu relativieren.

Das JIPSS ist zweifellos ein Organ, das das Interesse an Forschungen zur Geschichte der Nachrichtendienste weiter beflügeln wird. Es bleibt zu hoffen, dass es sich neben den beiden anderen, bereits auf dem Markt eingeführten Zeitschriften etablieren kann. Gewöhnungsbedürftig bleibt einzig das Format.

Anmerkung:
1 Wolfgang Krieger, German Intelligence History. A field in search of scholars, in: L. V. Scott; P. D. Jackson (Hrsg.), Understanding Intelligence in the twenty-first century, New York 2004, S. 42-53.

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