J. Teitelbaum (Hrsg.): Political Liberalization in the Persian Gulf

Titel
Political Liberalization in the Persian Gulf.


Herausgeber
Teitelbaum, Joshua
Erschienen
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
€ 60,87
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Demmelhuber, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Erlangen-Nürnberg

Der Sammelband von Joshua Teitelbaum (Senior Fellow am Moshe Dayan Center for Middle Eastern and African Studies, Universität von Tel Aviv) beschäftigt sich mit dem Phänomen der politischen Liberalisierung, das über viele Jahre in Bezug auf die Golfregion als Widerspruch angesehen wurde. So wurden die politischen Systeme meist als statisch und unreformierbar betrachtet, in Hinblick auf ihre traditionsverhaftete Staats- und Herrschaftsordnung. Teitelbaum greift diesen Widerspruch einleitend auf und formuliert darauf aufbauend das Forschungsinteresse des Sammelbandes, nämlich die politische Liberalisierung in den Golfstaaten zu untersuchen und dabei die Demokratisierungsfrage kritisch zu beleuchten. Ausgangspunkt ist hierbei ein dezidiert sicherheitspolitischer Ansatz. Dabei bezieht er sich auf die US-amerikanischen Bestrebungen in der Demokratieförderung und Terrorismusbekämpfung seit 2001. Die entsprechenden neokonservativen Prämissen sind vor allem in der Einleitung deutlich zu erkennen. Gerade dieser sicherheitspolitische Anspruch führte bei der Auswahl der Länderstudien auch zur Einbeziehung des Irans und Iraks (neben den klassischen sechs Golfmonarchien). Teitelbaum hat es in dem vorliegenden Sammelband, der überwiegend aus einem Workshop im Jahre 2004 am Moshe Dayan Center in Tel Aviv hervorging, vermocht, einige der führenden Forscher auf diesem Gebiet zusammenzuführen, allen voran Michael Herb (Autor von »All in the Family: Absolutism, Revolution and Democracy in the Middle Eastern Monarchies«), Mary Ann Tétreault (Autorin von »Stories of Democracy: Politics and Society in Contemporary Kuwait«) und Christopher M. Davidson (Autor von »Dubai: The Vulnerability of Success«).

Der Aufbau des Buches ist zweigeteilt: Nach einer Einführung in die Thematik politischer Liberalisierungsprozesse in der Golfregion folgen drei Unterkapitel, die sich eher aus konzeptioneller Sicht mit den regionalen Determinanten dieser Wandlungsprozesse beschäftigen. Joseph Kostiner (Moshe Dayan Center, Tel Aviv University) analysiert in einem sehr kurzen, achtseitigen Abschnitt die Grenzen der Liberalisierung in den Golfstaaten, Jill Crystal (Auburn University) folgt mit einer Diskussion des vielfach diskutierten Nexus von wirtschaftlicher und politischer Liberalisierung und schließlich gibt Onn Winckler (Haifa University) eine kritische Bestandsaufnahme des Rentierstaatsansatzes und seiner nur noch eingeschränkten Gültigkeit in den Staaten des Golfkooperationsrates im Kontext sich verändernder Arbeitsmarktstrategien. Im zweiten Teil des Buches schließen sich dem konzeptionellen Teil die Länderstudien an (Saudi-Arabien, Kuwait: zwei Artikel, Bahrain, Katar, Oman, VAE, Irak und Iran). Methodik und Analysemuster unterscheiden sich in den einzelnen Fallstudien je nach Disziplin der Autoren, so dass das Buch islamwissenschaftliche, ökonomische, wirtschaftshistorische, politische und soziologische Ansätze zusammenführt. Gerade deswegen wäre es nötig gewesen, die verbindenden Elemente zwischen den einzelnen Kapiteln in der Einleitung des Sammelbandes deutlicher herauszuarbeiten. Teitelbaum beschränkt sich jedoch darauf, diese nur kurz zu referieren. Dem ist noch hinzuzufügen, dass man bei einem Sammelband zu einem aktuellen Thema eigentlich vermuten möchte, dass auch die einzelnen Beiträge aktuell sind. Leider ist dies aber nicht der Fall. Die meisten Beiträge sind noch auf dem Stand der Konferenz von 2004, als sie als Vorträge gehalten wurden. Nur bei einigen Ausnahmen ist dies nicht der Fall, wie gleich noch näher zu zeigen sein wird.

In der Tat haben in den Golfstaaten mit unterschiedlicher Ausprägung Reformprozesse eingesetzt, die zu einer substantiellen Liberalisierung und der Etablierung von semi-demokratischen Mechanismen (z.B. ansatzweise freie Wahlen) geführt haben. Teitelbaum setzt dieses Phänomen, das in der Forschung, wie er zu Recht bemerkt, noch nicht genügend Aufmerksamkeit erfahren hat (S. 5), von etwaigen Demokratisierungsprozessen ab und schließt sich der These an, dass es sich dabei um liberalisierte Autokratien handle (S. 16). Eine klare Differenzierung von Liberalisierung und Demokratisierung bleibt Teitelbaum in seinem einleitenden Kapitel jedoch schuldig. In seiner kritischen Bewertung der zumeist in der Forschung verwendeten Variablen politischer Reform- bzw. Demokratisierungsprozesse (vor allem in der Arabischen Welt) arbeitet Teitelbaum nur einen Teilbereich des Forschungsstands heraus, mit einer recht einseitigen, kulturrelativistischen Auswahl der Referenzliteratur (unter anderen Samuel P. Huntington und Bernard Lewis). Er spricht des Öfteren von arabischstämmigen Forschern, die die Kompatibilität von Demokratie mit arabisch-islamischen Werten abstreiten, obgleich er hierbei nur auf seit Jahrzehnten in den USA lebende Forscher oder auf die Übersetzungsarbeit des höchst umstrittenen »Middle East Media Research Institute« (MEMRI) verweist. 1

Den analytischen und inhaltlichen Kritikpunkten in der Einleitung zum Trotz, gibt es in dem Sammelband auch einige gut ausgearbeitete und inhaltlich überzeugende Artikel. Hier sind vor allem die Beiträge von Jill Crystal, Onn Winckler, Michael Herb, Mary Ann Tétreault und Christopher M. Davidson zu nennen. Wenn auch auf dem Stand von 2004, nimmt sich Jill Crystal (S. 37ff.) dem Zusammenhang der politischen und wirtschaftlichen Liberalisierung in den Golfstaaten an, skizziert den jeweiligen Stand der Reformen in den einzelnen Golfstaaten und versucht dabei zukünftige Szenarien und Akteurskonstellationen für weitere Reformprozesse zu zeichnen. Insbesondere die Möglichkeit einer Allianz von liberalen und religiösen Kräften zur Durchsetzung von konstitutionellen Reformen (unter anderem im Justizwesen) wurde bis dato in der Forschung noch nicht hinreichend diskutiert. Onn Winckler (S. 59ff.) analysiert im Folgekapitel das sich in der Veränderung befindliche Rentiersystem in den Golfstaaten aus ökonomischer Sicht. Seine im Mittelpunkt stehende Variable ist dabei die spezifische Arbeitsmarktpolitik in den einzelnen Golfökonomien (»dualer Arbeitsmarkt«), vor allem in Bezug auf die Abhängigkeit vom Import von niedrig und hoch qualifizierten Arbeitskräften. Basierend auf einer Skizze der besonderen historischen Genese der Strukturen und Mechanismen der Arbeitsmigration am Golf, versucht Winckler die Implikationen dieser Arbeitsmarktstrategie für politische Liberalisierungsprozesse zu konkretisieren. Auf Grund der andauernden Stärke der herrschenden Regime ist sein Fazit jedoch unentschlossen: »These regimes are solid and stronger than ever, and can be expected to enjoy nearly absolute power, at least for the foreseeable future.« (S. 85)

Besonders positiv heben sich in Teitelbaums Sammelband die Artikel von Michael Herb und Mary Ann Tétreault zu Kuwait (S. 133ff.) und von Christopher M. Davidson (S. 223ff.) zu den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hervor. Herbs Beitrag – der laut Konferenzbericht2 an der Veranstaltung nicht teilnahm – glänzt durch Aktualität, was die Probleme Kuwaits bei der Herausbildung eines parlamentarischen Systems betrifft (Stand 2007). Vor allem seine Analyse des kuwaitischen Parlamentarismus und seinen Implikationen für den politischen Liberalisierungsprozess sowie seine Diskussion einer möglichen weiteren Parlamentarisierung der konstitutionellen Monarchie ist ein wichtiger Beitrag zum besseren Verständnis Kuwaits. Herb macht dabei deutlich, dass es weniger die in der Literatur häufig genannten Gründe für das Demokratiedefizit sind, wie z.B. die hohen Renteneinkommen durch Rohstoffexporte, sondern vielmehr die »inability of the opposition [in parliament, T.D.] to unite around a reform agenda, which itself owes much to hesitation among Kuwaiti voters concerning the wisdom of making a full transition to democracy.« (S. 138) Herbs Beitrag prognostiziert Kuwaits Entwicklung optimistischer als Mary Ann Tétreault in ihrer Mikrostudie zu veränderten Geschlechterrollen, Liberalisierung und Formen formeller und informeller politischer Partizipation in Kuwait (S. 107ff.). Treffend resümiert sie: »Whoever thinks that economic liberalization is the "easy" first step toward political democratization should look a little more closely at how this process actually works in an economical situation.« (S. 129) Davidsons Beitrag schließlich – ebenso wie Herb laut Veranstaltungsbericht kein Teilnehmer des Workshops – diskutiert ähnlich ambitioniert die ökonomische und politische Dimension von Liberalisierungsprozessen in den VAE unter besonderer Berücksichtigung der beiden führenden Emirate Abu Dhabi und Dubai. Analog zu Herb und Tétreault zeichnet den Artikel die Aktualität der verwendeten Daten aus (Stand 2007/08). Insbesondere die Beschreibung des für die VAE typischen Herrschaftsmodells, nämlich die Kombination von traditionellen, neopatrimonialen und rentierstaatlichen Strukturen bzw. Mechanismen ist ein wichtiger Beitrag zur polit-ökonomischen Forschung zu den Arabischen Golfmonarchien. Davidson zeigt zudem mit Hilfe seiner intimen Kenntnisse der Situation vor Ort, wie die ökonomische Liberalisierung und die Errungenschaften in den Informationstechnologien in den VAE zu einer graduellen politischen Liberalisierung führten. So war die Herrschaftselite der VAE durch den Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) gezwungen, auch der International Labor Organisation (ILO) beizutreten. Als Folge dessen wurden die Freiräume der Selbstorganisation und Interessensvertretung von Arbeitern nachhaltig erweitert und geduldet. Gerade letzteres sieht Tétreault in Kuwait, das in der politischen Liberalisierung den VAE eigentlich weit voraus ist, nicht gegeben, sondern betrachtet Nebeneffekte des Beitritts zu ILO und WTO auch als Gefahr für formale und informelle Räume des politischen Diskurses (S. 129ff.).

Zusammenfassend lässt sich der Sammelband von Joshua Teitelbaum nur bedingt empfehlen. Einigen guten bis sehr guten Kapiteln steht eine nur mäßige, den inhaltlichen Rahmen vorgebende Einleitung gegenüber, die es nicht vermag, inhaltlich und konzeptionell hinreichend in die Thematik einzuführen und außerdem viel zu sehr von den ideologischen Grundannahmen der US-amerikanischen Außenpolitik unter Bush jr. geprägt ist. Die fehlende Aktualität der einzelnen Artikel ist ein gewichtiges Defizit, das einzig durch jene, im Nachhinein eingefügte Artikel von Herb und Davidson gemindert wird.

Anmerkungen:
1Mohammed El Oifi, Mittler oder Zensor - MEMRI, das umstrittene Informationsbüro..., in: Inamo 44 (2005), S. 46-49.
2 Einsehbar auf <http://www.dayan.org/commentary/Bulletin40Web.pdf> (19.10.2009).

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