T. Bergholz (Bearb.): Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jh., Bd. 18

Titel
Rheinland-Pfalz I. Herzogtum Zweibrücken, Grafschaften Veldenz, Lützelstein, Sponheim, Sickingen, Manderscheid u.a.


Herausgeber
Bergholz, Thomas
Reihe
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts 18
Erschienen
Tübingen 2006: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
732 S.
Preis
€ 199,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Konersmann, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld

Bei der vorliegenden Edition handelt es sich um die erste vollständige und kritisch kommentierte Veröffentlichung einschlägiger Kirchenordnungen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken und der Grafschaften Pfalz-Veldenz, Sponheim, Sickingen, Manderscheid, Oberstein, Falkenstein und Hohenfels-Reipoltskirchen. Die für den deutschen Südwesten typische geographische Streuung des Herrschaftsgebietes ist auf einer Karte im Anhang veranschaulicht. Auf ihr sind auch die Besitzungen der Grafen von Leiningen, der Wild- und Raugrafen und der Kurpfalz sowie die geographische Position der Reichsstädte Landau, Speyer und Worms eingetragen. Die Kirchenordnungen der Kurpfalz wurden bereits 1969 in Band 14 dieser Reihe veröffentlicht, während die Ordnungen der anderen territorialen und städtischen Obrigkeiten demnächst in Band 19 ediert werden.

Gemäß der breiten geographischen Streuung des Herrschaftsbesitzes zwischen Bonn und Straßburg bzw. Odenwald, Kraichgau und Mosel befinden sich die entsprechenden Archivalien in unterschiedlichen kirchlichen, städtischen und staatlichen Archiven verschiedener Bundesländer und Nationalstaaten, so dass die historische Forschung mit erheblichen logistischen Problemen konfrontiert ist. Auf Initiative des seit 2002 bei der Heidelberger Akademie der Wissenschaften angesiedelten Instituts für Evangelische Kirchenordnungen haben die Kirchenhistoriker Gottfried Seebaß und Eike Wolgast mit Hilfe hauptamtlicher Mitarbeiter die aufwendige und wichtige Editionsarbeit wieder aufgenommen, die bereits 1902 von dem Kirchenrechtshistoriker Emil Sehling am Institut für evangelisches Kirchenrecht in Göttingen begründet worden war.

In dieser Editionsreihe wird das in Gesetzestexte gegossene positive Recht evangelischer Obrigkeiten von der Reformationszeit bis zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges durch Wiedergabe einschlägiger Kirchenordnungen dokumentiert, um den vielfältigen historischen und interdisziplinären Forschungszweigen eine verlässliche Quellengrundlage zu bieten. Deswegen ist es besonders hervorzuheben, dass die Herausgeber den Entstehungsvorgang des evangelischen Rechts und die Beteiligung kirchlicher Amtsträger an der Rechtsschöpfung berücksichtigen. Hierin sehen sie auch eines der wesentlichen Kriterien für die Auswahl der Verordnungen, um sie etwa von “Landes- und Policeyordnungen” abzugrenzen (S. IX). Ob dieses Auswahlkriterium allerdings trennscharf genug ist, lässt sich mit guten Gründen – insbesondere im Fall der res mixta – bezweifeln. So wurden beispielsweise die Schulordnungen von dem Bearbeiter des vorliegenden Bandes, Thomas Bergholz, nicht aufgenommen, geschweige denn, dass er auf ihre Edition in der Reihe ‚Monumenta Germaniae Paedagogica‘ aufmerksam gemacht hätte. Die nachgeschobene Begründung, dass "Lehr- und Stundenpläne" für die Aufgaben dieser Edition nicht relevant seien (S. XI), überzeugt in Anbetracht der seit einigen Jahren unter konfessionellen Gesichtspunkten wieder auflebenden Bildungs- und Schulgeschichte nicht; das gilt erst recht für die lebhaften Forschungsfelder der ‚Konfessionsbildung‘ und ‚Konfessionalisierung‘, auf die weder die Herausgeber in ihrem Vorwort noch der Bearbeiter des vorliegenden Bandes in den Einleitungen zu den Herrschaftsgebieten rekurrieren. Die auffallende Zurückhaltung gegenüber den genannten Forschungszweigen lässt – gelinde gesagt – eine bemerkenswert kritische Distanz zu der gesellschaftsgeschichtlich akzentuierten Frühneuzeitforschung erkennen. Dementsprechend wird von Bergholz in den Einleitungen auch eher selten auf ältere und neuere Befunde der Konfessionalisierungsforschung, etwa von Johann Friedrich Gerhard Goeters, Volker Press, Meinrad Schaab, Bernard Vogler und auch des Rezensenten, Bezug genommen.

Der Schwerpunkt der Edition dieses Bandes liegt bei den Kirchenordnungen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken, dem nach der Kurpfalz größten Territorialstaat des linksrheinischen Südwestens. Über die Hälfte der 732 Seiten entfallen allein auf das Herzogtum. Im Zentrum steht hierbei mit Recht die große Kirchenordnung Herzog Wolfgangs von 1557, bei der es sich um eine mehr oder weniger geschickte Kompilation aus verschiedenen älteren Kirchenordnungen anderer Herzogtümer handelt, insbesondere diejenigen Pfalz-Neuburgs und Mecklenburgs, um deren genauen Abgleich sich Thomas Bergholz verdient gemacht hat. Dass diese Kirchenordnung nicht nur für die Geschichte des Kirchenregiments im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, sondern auch für das seiner Nebenlinien, Kondominate und auch für das in den Grafschaften anderer evangelischer Obrigkeiten von erheblicher Bedeutung war, erläutert Bergholz in den Einleitungen. Allerdings ist es schlichtweg falsch, die Kirchenordnung Christians III. für die Hintere Grafschaft Sponheim von 1720 als Nachdruck der Kirchenordnung Herzog Wolfgangs zu bezeichnen (S. 623f.). Denn an den Bestimmungen der jüngeren Kirchenordnung ist unter anderem die Auseinandersetzung mit der pietistische Bewegung1 unverkennbar und auch bereits nachgewiesen worden.2 Ansonsten finden sich in der Edition zum Herzogtum einige Kirchenordnungen wie die Korrekturen zur Kirchenordnung von 1605 und die Pfarrkonventsordnung von 1616, deren Wortlaut bisher nicht bekannt war.

Weitere Schwerpunkte der Edition bilden die Kirchenordnungen der Grafschaften Pfalz-Veldenz und Sponheim, die zusammen etwa ein Drittel der 732 Seiten umfassen. Sie weisen insbesondere im Vergleich zu denen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken einige bemerkenswerte Unterschiede auf, etwa hinsichtlich des Censorenamtes bzw. der presbyterialen Kirchenzucht, die an dieser Stelle aber nicht thematisiert werden können. Im Übrigen hat die stichprobenhafte Überprüfung der Verlässlichkeit des Registers am Beispiel dieses Laienamtes zu dem enttäuschenden Ergebnis geführt, das hier offenbar nicht immer mit der gebührenden Sorgfalt gearbeitet worden ist. Denn unter dem Stichwort ‚Presbyter‘ werden zwei Textpassagen angezeigt, in denen das Wort aber gar nicht verwendet wird, stattdessen jedoch von ‚Censores‘ die Rede ist. Dass das Presbyteramt verbunden mit erweiterten Befugnissen expressis verbis erst in den 1630er-Jahren unter hessischem und hugenottischem Einfluss im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken eingeführt wurde, hätte Thomas Bergholz durch Berücksichtigung der vorliegenden Forschung bekannt sein können.

Trotz der genannten Monita liegt mit dem vorliegenden Band der Edition von Kirchenordnungen ein wichtiges Hilfsmittel nicht nur für die Kirchengeschichte des deutschen Südwestens, sondern auch für eine vergleichende Kirchengeschichte und für die ohnehin vergleichend arbeitende Konfessionalisierungsforschung vor. Die hier angesprochenen Monita sollten zu einer Wiederbelebung der Interdisziplinarität ermuntern, die schon einmal wesentlich weiter gediehen war als in der Gegenwart.

Anmerkungen:
1 Vgl. Walther Koch, Der Pietismus im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und Volkskunde 34 (1967), S. 1-160.
2 Vgl. Frank Konersmann, Kirchenregiment und Kirchenzucht im frühneuzeitlichen Kleinstaat. Studien zu den herrschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Kirchenregiments der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken, 1410-1793, Köln 1996, S. 452-456, 497, 534-536, 560, 565-574.

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