C. Bartz: Köln im Dreißigjährigen Krieg

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Titel
Köln im Dreißigjährigen Krieg. Die Politik des Rates der Stadt (1618-1635). Vorwiegend anhand der Ratsprotokolle im Historischen Archiv der Stadt Köln


Autor(en)
Bartz, Christian
Reihe
Militärhistorische Untersuchungen 6
Erschienen
Frankfurt am Main 2005: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
VIII, 375 S.
Preis
€ 56,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Becker, Universitätsarchiv, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Die von der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München als Dissertation angenommene Arbeit von Christian Bartz hat sich das Ziel gesetzt, die Politik des Rates der Stadt Köln von 1618 bis 1635 nachzuzeichen und die Handlungsmotivationen zu ergründen (S. 5). Bartz geht es darüber hinaus darum, die militärische, politische und wirtschaftliche Bedeutung der Stadt in Hinblick auf die Kriegsgeschehnisse zu beurteilen und damit die Rolle zu bestimmen, welche diese Stadt im Dreißigjährigen Krieg spielte. Als Grundlage für seine Forschungen dienen Bartz die Ratsprotokolle für die Zeit vom Beginn des Krieges bis zum Prager Frieden, in denen sich das tagespolitische Geschehen in Köln abbildet.

Bartz gliedert seinen Hauptteil in vier Abschnitte, die er als „politische Aktionsfelder“ bezeichnet und in „Verteidigungs- und Kriegspolitik“, „Politik gegenüber auswärtigen Mächten“, „Reichspolitik“ und „Handelspolitik“ gliedert. Diese Aktionsfelder entsprechen nach Meinung des Autors „im wesentlichen denen moderner, nach dem Ressortprinzip organisierter Regierungen“ (S. 7).

Bartz gliedert die Abschnitte zur „Verteidigungs- und Kriegspolitik“ und zur „Reichspolitik“ nach den gängigen Einteilungen des Dreißigjährigen Krieges in den böhmisch-pfälzischen, den dänisch-niedersächsischen und den schwedischen Krieg. Das Kapitel über die „auswärtigen Mächte“ ist nach den wichtigsten kriegführenden Mächten, Generalstaaten, Spanien, Schweden und Frankreich, gegliedert, hinzu kommt ein kurzer Abschnitt über „Papst und Kurie“. Das Handelskapitel folgt hingegen volkswirtschaftlichen Theorien und fragt nach Import- und Exportmaßnahmen des Kölner Stadtrates unter dem Gesichtspunkt von tarifären und nicht-tarifären Exportbeschränkungen oder -hilfen. In allen vier Abschnitten wird eine streng chronologische Darstellung beibehalten, das heißt die Schilderung fängt jeweils wieder im Jahr 1618 an und geht nach Art einer Chronik von Jahr zu Jahr weiter. Dem Hauptteil vorangestellt ist ein kurzes Basiskapitel, in dem Bartz die verfassungsmäßigen Grundlagen der Stadt Köln vom Verbundbrief von 1396 bis zum Summarischen Extrakt von 1608 für den Leser zusammenfasst.

Deutlich werden durch die Analyse der Ratsprotokolle die Anstrengungen um Aufrechterhaltung der Neutralität und um Erhaltung von Handelsmöglichkeiten mit allen Seiten. Beides bedingte einander und sollte die Sicherheit der Stadt garantieren.
Die Stadt, die sich bereits vor 1618 mit der Bedrohung durch kriegführende Parteien konfrontiert sah – zumal sie seit dem Kölnischen Krieg (1583-1588) im Einzugsbereich des spanisch-niederländischen Krieges lag – rüstete seit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges erneut auf. Das städtische Waffenarsenal wurde modernisiert und erweitert, neue Soldaten wurden angeworben, um die Mauern besser verteidigen zu können. Diese 1619 begonnenen Anstrengungen wurden nach 1620 intensiviert (S. 46 f.). Die Gefahr, auf die man jetzt reagierte, ging von den niederländischen Generalstaaten aus, die mit der Errichtung der Schanze „Pfaffenmütz“ auf einer Rheininsel unmittelbar vor Bonn eine neue Front aufbauten, welche allerdings in Jahresfrist durch die Spanier wieder beseitigt wurde. Die Aufrechterhaltung des Neutralitätsstatus der Stadt Köln gegenüber den Generalstaaten bei gleichzeitiger Erhöhung der eigenen Verteidigungsbereitschaft bildete eine der Konstanten der Politik des Rates im Untersuchungszeitraum. Eine ernsthafte Bedrohung der Stadt durch die Niederländer ergab sich während des Krieges nicht, selbst als 1629 eine Offensive der staatischen Truppen gegen die am Rhein gelegenen spanischen Stützpunkte den spanisch-niederländischen Krieg bis vor die Tore der Stadt trug.

Viel gravierender war die Bedrohung durch die Schweden. Um der Gefahr eines Angriffs oder einer Belagerung besser zu begegnen, unternahm der Rat im Einvernehmen mit dem Kurfürsten von Köln und dem Kaiser ab 1632 die Fortifikation des kurkölnischen Fleckens Deutz. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nicht nur die Erzbischöfe von Mainz und Köln, sondern auch zahlreiche andere katholische Fürsten innerhalb der Kölner Stadtmauern, weil man die Stadt als den einzigen sicheren Hort vor den herannahenden Schweden ansah. Diese Reichsfürsten bildeten ein „Direktorium“, das bei den Verteidigungsanstrengungen der Stadt als Beratungsorgan fungieren wollte (S. 95).

Auch den Schweden gegenüber bewahrte Köln seine Neutralität, indem man sie nicht daran hinderte, sich über Köln mit kriegswichtigen Materialien zu versorgen. Diese Haltung des Kölner Rates änderte sich mit dem Angriff des schwedischen Generals Baudissin auf das erst halb befestigte Deutz in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember 1632. Der Angriff wurde unter großen Verlusten zurückgeschlagen. Der Stadtrat betrachtete seither Schweden als Feind. Der militärische Ausbau von Deutz blieb ein dauerhaftes Thema, wobei die bekannten Spannungen zwischen Kurköln und Stadt Köln eine Fertigstellung erschwerten. Die prokaiserliche Orientierung der Stadt wurde indes durch den Überfall auf Deutz deutlich gestärkt.

Köln führte in der gesamten hier betrachteten Phase des Krieges seine Rüstungsanstrengungen weiter fort, bis seine Mannschaftsstärke 5.000 Mann betrug (S. 125). Damit war die Stadt eine der stärksten militärischen Mächte im Rheinland, selbst wenn ihre Soldaten weitgehend an den Ort gebunden blieben. Zur Abwehr der Schweden oder zur Rückeroberung von schwedisch besetzten Orten, namentlich Andernach, wurden nun von den umliegenden Fürsten wie Kurköln immer wieder Kölner Stadtsoldaten ausgeliehen, die in kurkölnischen Städten die dortigen Garnisonen ersetzten, damit die dort stationierten Soldaten an die Front geschickt werden konnten. Damit ändert sich die Haltung des Stadtrates in Richtung einer aktiveren Teilnahme am Kriegsgeschehen (S. 109-112 u. ö.).

Die Arbeit von Christian Bartz bietet eine Fülle an Details über die Kriegsführung der damaligen Zeit, über die Entscheidungen des Kölner Stadtrates und über die Haltung der anderen katholischen Fürsten in der Region. Darin liegt ihre Stärke. Daneben weist sie aber auch einige Schwächen auf, die der Konzeption und der Quellenbasis geschuldet sind. So bleibt die chronologische Darstellungsweise für den Leser oft unbefriedigend und vielfach redundant. Die Darstellung verzichtet zudem auf Zusammenfassungen und Schwerpunktsetzungen, vielmehr werden die einzelnen Geschehnisse ungewichtet aneinander gereiht. Eine systematische Darstellung, in der zum Beispiel alle Fakten über das kölnische Militär (Stärke, Bewaffnung, Organisationsstruktur, Einsatzgebiete etc.) zusammengeführt und analysiert worden wären, hätte hier geholfen: Fast immer vermisst man den analytischen Blick.

Auch die Einteilung in die vier „Aktionsfelder“ vermag nicht zu überzeugen. Wesentliche Bereiche fehlen, so die „Innenpolitik“, vor allem aber die Religionspolitik. In seiner Zusammenfassung räumt Bartz ein, dass der Rat bemüht war „mit aller Macht die religiöse Geschlossenheit der Stadtbevölkerung zu wahren und gegen Andersgläubige, Aufwiegler und Unruhestifter unnachsichtig vorzugehen“ (S. 344). In den einzelnen Kapiteln aber vermisst man weitgehend die Berücksichtigung der religiösen Dimension des Konflikts. Gleichermaßen fehlt eine systematische Betrachtung der Rolle der umliegenden Fürstentümer, zumal sich ja seit 1632 ihre Regenten in der Stadt befanden. „Auswärtige Mächte“ waren schließlich nicht nur die, deren Territorien außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland lagen.

Die genannten Schwächen mögen damit zusammenhängen, dass die Ratsprotokolle als praktisch einzige Quelle benutzt wurden. Das Quellenverzeichnis führt lediglich noch den Bestand „Hanseatica“ im Archiv der Stadt Lübeck an, von dem bei der Ausarbeitung aber kaum Gebrauch gemacht wurde. Es wäre wünschenswert gewesen, zumindest die Gegenüberlieferung der umliegenden Fürstentümer Jülich-Berg und Kurköln einzubeziehen, die im Düsseldorfer Staatsarchiv aufbewahrt wird. Doch hätte vermutlich schon ein Blick in den Bestand „Köln contra Köln“ im Stadtarchiv Köln die Interpretationsbasis erweitert. So ist die Sichtweise auf alle berührten Angelegenheiten immer nur die des Kölner Stadtrates. Dieser erscheint aufgrund der Eigenart der Quelle auch immer als ein Gremium mit völliger Übereinstimmung der Meinungen. Unterschiedliche Strömungen, Parteigänger verschiedener Richtungen, Beeinflussung durch städtische oder auswärtige Interessengruppen werden nicht deutlich.

Ohne Zweifel sind aber die Ratsprotokolle der Stadt Köln eine hervorragende Quelle für die Erforschung der rheinischen und der Reichsgeschichte der Frühen Neuzeit. Die Arbeit von Christian Bartz hat hier den Weg gewiesen. Ob nach der Katastrophe vom 3. März 2009 in absehbarer Zeit anhand der Sicherheitsfilme, die als einzige noch zugängliche Informationsträger die Texte der Ratsprotokolle verfügbar machen, weitere Arbeiten aus dieser reichen Quelle werden schöpfen können, muss die Zukunft erweisen.

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