Cover
Titel
Karl der Große. Der Weg zur Kaiserkrönung


Autor(en)
Pauler, Roland
Reihe
Geschichte erzählt 16
Erschienen
Darmstadt 2009: Primus Verlag
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
€ 16,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Max Kerner, Historisches Institut, RWTH Aachen

Roland Pauler beschreibt in der Reihe "Geschichte erzählt" den Weg zur Kaiserkrönung Karls des Großen am Weihnachtstage 800 in der alten römischen Peterskirche. Dargestellt wird dies in einem Dreischritt, indem zunächst das Kaisertum der römischen Antike, das Papsttum als dessen Erbe und die fränkische Königstradition als die prägenden Grundlagen skizziert werden, danach Karls Persönlichkeit, seine frühen Vorfahren, sein Leben und seine Taten, sein Aussehen und sein Charakter sowie seine Selbstdarstellung als Herrscher charakterisiert werden, um schließlich im dritten Schritt die engere Kaiserkrönung zu analysieren – von deren Vorgeschichte über das eigentliche Geschehen und dessen Hintergründe wie Auswirkungen bis hin zu den Spätfolgen dieses Kaisertums im weiteren Mittelalter. Paulers Studie erweist sich dabei als ein gut lesbarer Text mit zahlreichen wörtlichen Quellenzitaten, unter Hervorhebung wichtiger Schlüsselbegriffe und deren Erklärung sowie in Anlehnung an die grundlegende, auch jüngste Forschungsliteratur. An Paulers Hauptthema, der eigentlichen Kaisererhebung, sei dies ein wenig näher erläutert. Bekanntlich gilt dieses Ereignis nicht allein als ein Höhepunkt von Karls Herrschaft, sondern auch „als ein fundamentales Datum in der Geschichte Europas“ (Rudolf Schieffer), das in der Forschung immer wieder bezüglich seiner Voraussetzungen, seiner zentralen Quellen und seiner historischen Bedeutung diskutiert und vor gut vierzig Jahren von Peter Classen vortrefflich zusammengefasst wurde.

Vor diesem Hintergrund beginnt der Verfasser mit der unmittelbaren Vorgeschichte, dem Attentatsversuch auf Papst Leo III. in der Nähe des Griechenklosters San Silvestro am 25. April 799, bei dem man ihn zu verstümmeln und zu blenden, das heißt seines Amtes zu entheben suchte. Pauler diskutiert dieses breit bezeugte Ereignis nicht zuletzt im Lichte der „unverkennbaren Deutungsverlegenheit“ (Rudolf Schieffer) der Forschung, eine Antwort darauf zu finden, warum der Papst hier am Ende unversehrt geblieben ist. Kühne Thesen sind es, die der Verfasser hier zusammenträgt: Karl habe mit den Verschwörern gemeinsame Sache gemacht 1 bzw. Leo III. sei vielleicht am Ende selbst der Auftraggeber dieses Attentats gewesen. Wie auch immer, der Papst konnte sich aus der Einkerkerung im Griechenkloster San Erasmo befreien und über Spoleto nach Paderborn fliehen, wo im Sommer 799 jene Verhandlungen stattfanden und Absprachen getroffen wurden, die zu den bekannten Stationen auf dem Weg zu Karls Kaisertum führten (Rückführung des Papstes nach Rom, dortige Untersuchung über die gegen ihn gerichteten Vorwürfe, Italienzug Karls und schließlich Synodalverfahren gegen Leo III., im Dezember 800 abgeschlossen mit einem Reinigungseid). Der Verfasser hat auch hier wiederum die wichtigsten Bezüge und Quellen aufgezeigt, von dem Epos-Fragment ‚Karolus Magnus et Leo Papa’ über die Alkuinbriefe bis hin zu dem häufig besprochenen Trikliniumsmosaik im Prunksaal des mittelalterlichen römischen Papstpalastes (erhalten allein in frühneuzeitlichen Nachzeichnungen), das von Papst Leo vor der Kaiserkrönung in Auftrag gegeben wurde und den heiligen Petrus zeigt, der dem Papst das Pallium und dem König Karl die Fahnenlanze überreicht – für Peter Classen „kein Ausdruck staatsrechtlicher Hoheit, wohl aber eine Proklamation, daß der Schutz [über Rom und die Kirche] nicht den Nachfolgern Konstantins im Osten, sondern dem König der Franken aufgegeben war“.2

Die engeren Vorgänge am Weihnachtstag 800 werden vom Verfasser nach den zentralen Quellen breit vorgestellt und adäquat gedeutet, also präsentiert nach den Berichten des Liber Pontificalis (Standpunkt der Papstanhänger), der fränkischen Reichsannalen (Perspektive des karolingischen Hofes) und der Lorscher Annalen (von Pauler dem Trierer Erzbischof Richbod, ehemals Abt von Lorsch, Freund und Schüler Alkuins, zugesprochen). Ausführlich befasst sich Pauler mit Einhards bekanntem Wort vom anfänglichen Unmut Karls gegen das nomen imperatoris, dass Karl trotz des hohen Feiertags die Peterskirche nicht betreten hätte, wenn er die Absicht des Papstes geahnt hätte. Bereits Peter Classen hat das hier gemeinte Kapitel 28 der Karlsvita als die Hauptschwierigkeit unter den schriftlichen Quellen zu Karls Kaisererhebung angesehen. Alles andere als eine Erzählung der Vorgänge, handele es sich hier um eine Interpretation bestimmter Gesichtspunkte, die wegen „des geistigen Rangs [seines Autors] und der persönlichen Nähe des Verfassers“ 3 zu Karl ein besonderes Gewicht besäßen. Ganz in diesem Sinne bleiben auch für Pauler alle bisherigen Deutungen (in Stichworten: zeremonieller Bescheidenheitstopos, Betonung des Überraschungseffektes, Karls Unmut über den Papst als Kaisermacher, Rücksichtnahme auf Byzanz) unbefriedigend. Letztlich lasse sich dieses Problem „nicht mit Sicherheit klären“ (S. 112). Zu fragen wäre allerdings, ob Einhard nicht mit dieser Vorstellung eines ‚Kaisertums wider Willen’ aus der Sicht der Entstehungszeit der Karlsvita um 825 die willfährige Politik Ludwigs des Frommen gegenüber der römischen Kirche kritisieren wollte.

Nach dieser quellenkritischen Diskussion werden von Pauler weitere zentrale Aspekte von Karls Kaisertum vorgestellt: die eschatologische Auslegung des Zeitpunkts der Krönung, das kaiserliche Herrschaftsverständnis von Karls Kaisertitel, von seinen Münzen, Siegeln und Bullen oder auch das sogenannte Zweikaiserproblem, die Frage des Verhältnisses zu Byzanz, das erst im Sommer 812 geklärt werden konnte und ein Jahr später, im September 813, zur Erhebung seines Sohnes Ludwig zum Mitkaiser führte – ein Vorgang, der sich nicht nur im Zeremoniell weit von dem päpstlich-römischen Zusammenhang des Jahres 800 gelöst hatte.

Manches hätte in dieser kleinen Monografie zum Kaisertum Karls des Großen in Anlehnung an die Forschung noch etwas genauer nachgezeichnet werden können, so etwa die heute aufgegebene sogenannte Richbod-These der Lorscher Annalen oder auch die Deutung von Karls Kaisertitel Romanum gubernans imperium (Stichwort: Übernahme einer Formel aus Justinianischer Zeit, vornehmlich überliefert in Ravenna)4, oder schließlich die sogenannte Kölner Notiz, die zu belegen scheint, dass Karl der Große mindestens seit 798 wegen der Kaiserfrage in Verhandlungen mit Byzanz stand – eine bis heute die Historiker und Byzantinisten irritierende Nachricht.5 Trotz solcher Desiderate handelt es sich bei Roland Paulers Erzählgeschichte um eine ansprechende Studie, der man viele interessierte Leser wünscht.

Anmerkungen:
1 Vgl. bereits Jörg Jarnut, 799 und die Folgen. Fakten, Hypothesen und Spekulationen, in: Westfälische Zeitschrift 150 (2000), S. 191–209.
2 Peter Classen, Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Die Begründung des karolingischen Kaisertums, nach dem Handexemplar des Verfassers, Sigmaringen 1988, S. 56.
3 Ebd., S. 74.
4 Vgl. Peter Classen, Romanum gubernans imperium. Zur Vorgeschichte der Kaisertitulatur Karls des Großen, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 9 (1951), S. 101–121.
5 Vgl. Johannes Fried, Papst Leo III. besucht Karl den Großen in Paderborn oder Einhards Schweigen, in: Historische Zeitschrift 272 (2001), S. 281–326; Ders., Erinnern und Vergessen. Die Gegenwart stiftet die Einheit der Vergangenheit, in: Historische Zeitschrift 273 (2001), S. 561–593, hier S. 577f.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension