R. Vande Winkel u.a. (Hrsg.): Cinema and the Swastika

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Titel
Cinema and the Swastika. The International Expansion of Third Reich Cinema


Herausgeber
Vande Winkel, Roel; Welch, David
Erschienen
New York 2007: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
342 S.
Preis
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Loiperdinger, FB II, Medienwissenschaft, Universität Trier

Während es zur Reglementierung des Kinos im „Dritten Reich“ und seinen Spielfilmen eine Reihe von Monographien gibt, hat ein Kompendium zur Verbreitung und Rezeption von deutschen Spielfilmen, Wochenschauen und Kulturfilmen der Jahre 1933 bis 1945 im Ausland bislang gefehlt. Aufschlussreiche Spezialuntersuchungen und Fallanalysen aus zahlreichen Ländern sind verstreut publiziert in Fachzeitschriften und werden mangels Fremdsprachenkenntnissen international oft nicht zur Kenntnis genommen. Den Herausgebern ist es nun gelungen, kurze, fundierte Überblicksartikel zu immerhin sechzehn Ländern zu versammeln, die sich vor dem und im Zweiten Weltkrieg ganz unterschiedlich zum „Dritten Reich“ stellten: als verbündete (Italien, Japan, Ungarn, Kroatien), befreundete (Spanien) bzw. neutrale (Schweiz, Schweden) Staaten, als besiegte und besetzte Staaten (Tschechoslowakei, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Niederlande, Norwegen, Griechenland – leider fehlt Polen) bzw. als schlussendlich siegende Gegner des nationalsozialistischen Deutschland (Großbritannien, USA).

Die zweifache und widersprüchliche Zielsetzung von Goebbels’ Film-Außenpolitik, im europäischen Ausland sowohl die wirtschaftliche Vormacht Hollywoods zu brechen wie eigene Filmpropaganda zu verbreiten, wurde in den verschiedenen Ländern durchaus flexibel verfolgt. Je nach Lage der Dinge beantworteten die dortigen Behörden und das Kinopublikum die deutschen Penetrationsbemühungen auf sehr unterschiedliche Weise. Die Beiträge des reichhaltigen Bandes zeigen instruktiv, dass filmpolitisch gesehen jedes Land ein besonderer Fall war.

Strukturelle Ähnlichkeiten lassen sich noch am ehesten bei den Publikumspräferenzen der verschiedenen Nationen feststellen: Heimische Spielfilme und Wochenschauen wurden in der Regel klar bevorzugt. Spielfilme und Wochenschauen aus Hollywood erschienen eindeutig attraktiver als deutsche Spielfilme. Diese gewannen meist erst dann an Boden, wenn der Filmimport aus Amerika durch Quoten eingeschränkt war oder im Zweiten Weltkrieg ganz wegfiel. Die Zurückdrängung Hollywoods war weitgehend abhängig von der militärischen Kommandogewalt: In den besetzten Ländern wurden US-Filme im August 1940 einfach verboten, während im befreundeten Spanien Francos die deutschen Ufa-Spielfilme weiterhin nur eine Nebenrolle spielten.

Filmpolitische Interessen und Vorgehensweisen gestalteten sich auf beiden Seiten in jeweils spezifischer Weise. Souveräne Staaten suchten nationale Anliegen zu wahren. Ideologische Nähe zum Nationalsozialismus bot dabei keinerlei Gewähr für Aufgeschlossenheit gegenüber Filmimporten aus dem „Dritten Reich“. So ließ zum Beispiel Franco, der dank deutscher Hilfe den Spanischen Bürgerkrieg gewonnen hatte, 1943 alle ausländischen Wochenschauen verbieten zugunsten des Monopols der eigenen nationalen Wochenschau „No-Do“. Im faschistischen Kroatien wurde die in Berlin hergestellte „Auslandstonwoche“ 1943 aufgegeben, weil sie nichts auszurichten vermochte gegen die Beliebtheit der heimischen Wochenschau, die vor allem Beiträge aus dem eigenen Land brachte.

Das nationalsozialistische Deutschland stellte im Zweifelsfall filmwirtschaftliche Interessen zugunsten der in zahlreichen Fassungen produzierten „Auslandstonwoche“ zurück: Politische Präsenz in ausländischen Kinosälen hatte Vorrang vor Filmgeschäften mit Unterhaltungsfilmen. Keinen Widerspruch zwischen Filmkommerz und Filmpolitik gab es während des Zweiten Weltkriegs im Sonderfall der mehrheitlich deutschsprachigen Schweiz: Hier ließ sich ein erhöhter Umlauf deutscher Wochenschaukopien leicht erzwingen angesichts des dringlichen Bedarfs der Kinobesitzer nach Spielfilmen, die in Deutschland bzw. im besetzten Frankreich hergestellt waren.

Die meisten der hier versammelten Autorinnen und Autoren (von denen knapp die Hälfte aus angelsächsischen Ländern kommt) stehen in der Tradition der ‚new film history’: Ihre Beiträge fokussieren auf das spannungsreiche Verhältnis, das Filmproduktion, Filmvertrieb und Abspiel in den verschiedenen Ländern jeweils mit den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sowie mit dem Kinopublikum eingehen. Sie verstehen Film- und Kinohistoriographie als umfassende, an Fakten orientierte Mediengeschichte, so dass sich ein krude moralisierendes Begriffsverständnis von Filmpropaganda, das viele Arbeiten zum Thema ‚NS-Film’ wissenschaftlich entwertet, hier von selbst erübrigt. Die knapp und bündig formulierten Beiträge bieten dichte und nachvollziehbare Information und eignen sich hervorragend als Einführungstexte in die länder- und nationenspezifischen Positionierungen zu Filmimporten aus dem „Dritten Reich“. Ausführliche Literaturhinweise in den Fußnoten liefern die Handhabe zur Erschließung von weiterführenden und vertiefenden Forschungsergebnissen. Der Band selbst mit seinen 23 Einzelbeiträgen bietet reichlich Gelegenheit fürs Querlesen zu medien- und propagandageschichtlichen Einzelfragen. Da sich in Kriegs- und Krisenzeiten die Anspannung und gegebenenfalls auch die oppositionelle Haltung des Publikums im Dunkel der Kinosäle gefahrlos äußern kann, bietet der Band außerdem eine wahre Fundgrube zu denkwürdigen Begebenheiten des Ins-Kino-Gehen – etwa zur Begeisterung über einheimische Spielfilme wie in Griechenland, wo abendliche Besucher nach der Vorführung zum Zeichen ihrer Freude Zeitungen anzündeten, was die mit lokalen Sitten und Gebräuchen nicht vertrauten Besatzungsmächte irritierte und zum Einschreiten veranlasste.

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