Cover
Titel
Prag 68. Unbekannte Dokumente. Mit einer Einleitung von Horst Schneider


Herausgeber
Kukuk, Klaus
Erschienen
Berlin 2008: edition ost
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gerd Dietrich, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Der Liste der Veröffentlichungen zum Jahr 1968 ist lang und vielfältig. Doch die Publikationen, die sich mit 1968 allein im Osten beschäftigen, blieben dabei überschaubar. Sie haben gleichwohl viel Neues gebracht. Stefan Karner, Natalja Tomilina, Alexander Tschurbarja, Günter Bischof, Viktor Iscenko, Michail Prozumencikov, Peter Ruggenthaler, Oldrich Tuma und Manfred Wilke haben zwei umfangreiche Bände, rund 2800 Seiten, mit inhaltsreichen Beiträgen und bisher unveröffentlichten Dokumenten herausgegeben. Angelika Ebbinghaus hat ebenfalls einen 250 Seiten-Band mit adäquaten Analysen und Berichten in Umlauf gebracht. Und Stefan Wolle hat kenntnisreich die DDR des Jahres 1968 in den Blick genommen.1 In dieses prall gefüllte wissenschaftliche Nest hat nun Klaus Kukuk, sekundiert von Horst Schneider, ein „Ei“ gelegt. Hier gerieren sich „Zeitzeugen“, die es besser wissen wollen, weil sie dabei gewesen sind. Kukuk, 14 Jahre im diplomatischen Dienst der DDR, davon acht Jahre in Prag, der z.B. beim Treffen von Walter Ulbricht und Alexander Dubcek in Karlovy Vary dolmetschte; Schneider, zu DDR-Zeiten Professor für Allgemeine Geschichte an der Pädagogischen Hochschule in Dresden, dessen Dissertation sich 1977 mit Inhalten und Methoden der ideologischen Diversion der BRD gegenüber der ČSSR Ende der 1960er-Jahre beschäftigte und die beinahe in den Fluten des Elbe-Hochwassers davongeschwommen wäre.

Während in den erstgenannten Publikationen vom „Prager Frühling“, vom „Sozialismus mit menschlichen Antlitz“, von der letzten Chance zur Reform des Sozialismus die Rede ist, bezeichnen Kukuk / Schneider jene Reformen als „ideologischen Nebel, mit dem eine (pro)-imperialistische Politik getarnt wurde“, und deren Vertreter selbst als „Apologeten des Kapitalismus“ (S. 15, 26). Akzeptabel wären nur Reformen gewesen, wie sie Ulbricht mit Zustimmung der UdSSR durchführte. Nicht die Intervention des Warschauer Paktes beendete den „Frühling“ des Sozialismus, sondern Dubcek habe den Sozialismus aufs Spiel gesetzt, nicht mehr zwischen Freund und Feind unterschieden und Zugeständnisse an den Westen gemacht; der Einmarsch in Prag sei also eine Frage der Macht und der „Rettung“ des Sozialismus gewesen. Kein Wunder, dass auch noch die unbewiesene Behauptung kolportiert wird, Walter Ulbricht hätte sich „erfolgreich der Aufforderung zur Teilnahme“ widersetzt (S. 21). Soweit Zitate aus dem kurzen Vorwort. Die folgenden über 250 Seiten sind der Dokumentation von Quellen gewidmet. Deren Auswahl geschah nach den genannten Prämissen. Durchweg Gespräche, Stellungnahmen und Anklagen, in denen die künftigen Interventen und ihre Prager Parteigänger die Ablehnung des „Prager Frühlings“ formulieren. Mit einer Ausnahme stammen 19 Dokumente aus der Zeit zwischen Januar 1968 und Ende August 1968. Die Mehrzahl wurde aus dem Tschechischen übersetzt. Ein zutreffendes Bild vom Gesamtverlauf der Ereignisse kann mit dieser einseitigen Darstellung nicht gegeben werden. Und sollte aus diesem Ei ein Vögelchen schlüpfen, so erweist es sich als schwach, den drei erstgenannten Publikationen in jeder Hinsicht unterlegen.

Anmerkung:
1 Stefan Karner u.a. (Hrsg.), Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968, 2 Bände, Köln u.a. 2008; Angelika Ebbinghaus (Hrsg.), Die letzte Chance? Analysen und Berichte über ein Schlüsseljahr, Hamburg 2008; Stefan Wolle, Der Traum von der Revolte. Die DDR 1968, Berlin 2008.

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