M. North: Kleine Geschichte des Geldes

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Titel
Kleine Geschichte des Geldes. Vom Mittelalter bis heute


Autor(en)
North, Michael
Erschienen
München 2009: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
255 S.
Preis
€ 14,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Harald Wixforth, Fachbereich Geschichte, Universität Bremen

Im Zeichen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise besitzt ein Rückblick auf die europäische Finanzwirtschaft vom Mittelalter bis in die Gegenwart zusätzliche Aktualität. Michael North verfolgt mit seiner „Kleinen Geschichte des Geldes“ die Intention, nicht nur die Entstehung und den Werdegang verschiedener Institutionen der Finanzwirtschaft verständlich zu machen, sondern auch die Entwicklung der Finanzmärkte knapp und konzise darzustellen. Seinen Parforceritt durch tausend Jahre vor allem europäischer Finanzgeschichte durchzieht wie ein roter Faden die These, dass Geld- und Kapitalströme niemals auf einen nationalen Rahmen beschränkt blieben, sondern stets in einem weit verzweigten und nicht erst in jüngster Zeit globalen Austausch standen. Eine andere These Norths geht dahin, dass die Entwicklung der Finanzwirtschaft und damit auch des Geldwesens seit dem Mittelalter immer durch ein vergleichsweise großes Maß an Unsicherheit und Instabilität gekennzeichnet war. Die derzeitige Finanzkrise ist insofern keineswegs etwas grundsätzlich Neues, sondern es wiederholt sich nur ein Phänomen, das schon seit Generationen ein Kennzeichen der Geldwirtschaft gewesen ist. Es stellt sich daher die Frage, ob Krisen und Instabilität den Geld- und Kapitalmärkten inhärent sind.

North behandelt die von ihm aufgeworfenen Fragen jeweils für die großen Epochen der europäischen Geldgeschichte. Im ersten Abschnitt analysiert er das Geldwesen während der so genannten Kommerziellen Revolution des Mittelalters. Dabei wird deutlich, wie schwer es in den meisten europäischen Territorien war, überhaupt eine halbwegs geordnete Geldwirtschaft herzustellen. Dennoch kam es angesichts intensiver Handelsströme und der Ausdehnung des Warenverkehrs auch zu einem Aufschwung im Geldwesen, wozu sicherlich auch neue Silber- und Goldfunde sowie die Errichtung neuer Münzstätten beitrugen. Diese hoffnungsvolle Entwicklung wurde jedoch im 14. und 15. Jahrhundert unterbrochen. Verantwortlich dafür war, wie North plausibel nachweisen kann, eine zunehmende Knappheit an Edelmetallen, eine Verringerung der Münzprägungen und damit eine generelle monetäre Kontraktion. Europa erlebte in dieser Zeit eine Depression, die durch Defizite in der Geldversorgung hervorgerufen wurde. Noch konnten sich Geldsurrogate im Handelsverkehr nicht durchsetzen, so dass sich die Geldkrise auch in der realen Wirtschaft auswirkte.

Dieses Szenario wurde erst durch die neuen Edelmetallfunde in Amerika, aber auch durch die Nutzbarmachung neu erschlossener Minen in Europa beendet. Von der Mitte des 15. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts nahmen die Münzprägung und der Geldumlauf in Europa derart zu, dass es in vielen Territorien sogar zu einem deutlichen Anstieg der Preise kam. Parallel dazu entwickelten sich im Geldverkehr neue Techniken und Verfahrensweisen, die teilweise bis heute gültig sind. Die großen politischen Verwerfungen im 17. Jahrhundert beendeten jedoch diese Aufschwungsphase der Geldwirtschaft. Eine teilweise drastische Verschlechterung der Münzen, deutliche inflationäre Tendenzen und die Aufblähung oder Zerrüttung der Staatsfinanzen beeinträchtigten das Geldwesen erheblich und machten die erreichten Fortschritte zum Teil wieder zunichte.

Erst die zahlreichen Münzreformen im 18. Jahrhundert und die "fundamentale" Innovation des Papiergeldes beendeten diese Phase der monetären Instabilität, wie North im Abschnitt über diese Zeit deutlich macht. Die epochemachenden Versuche, Papiergeld einzuführen, führten einerseits zur Formulierung moderner geldtheoretischer Ansätze und zur Errichtung neuer Finanzinstitutionen wie Notenbanken und Sparkassen, riefen aber andererseits durch den Missbrauch der "Noten- und Zettelwirtschaft" auch schlimme Finanz- und Wirtschaftskrisen hervor, die das Vertrauen in die neuen Finanzprodukte nachhaltig untergruben. Das lange 19. Jahrhundert nährte jedoch mit der Harmonisierung der Währungssysteme, der Einführung des Goldstandards, der Errichtung des modernen Bankwesens vor dem Hintergrund der Industrialisierung und der Gründung leistungsstarker Notenbanken die Hoffnung, dass Finanzinnovationen alte Probleme der Geldwirtschaft beseitigen und ein hohes Maß an Stabilität im europäischen Finanzsystem herstellen könnten.

Im "kurzen 20. Jahrhundert" erwies sich diese Hoffnung indes als trügerisch, wie an verheerenden Inflationen und tief greifenden Wirtschaftskrisen deutlich wird. Selbst die in der zweiten Jahrhunderthälfte durch die Regelungen von Bretton Woods, die Einführung des Europäischen Währungssystems und später des Euros erreichte Geldwertstabilität steht angesichts der aktuellen Finanzkrise inzwischen wieder vor nicht für möglich gehaltenen Herausforderungen. In unserem virtuellen Zeitalter, das auch den Geldverkehr und die Entwicklung der Finanzmärkte längst dominiert, ist es angesichts der exorbitant zunehmenden Aufblähung der Geldmenge vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis sich die entwickelten Volkswirtschaften mit einer erneuten gigantischen Inflation und einem Verfall der wichtigsten Währungen konfrontiert sehen.

Norths Geldgeschichte ist ein konziser Überblick über die letzten tausend Jahre monetärer Entwicklung in Europa. Über weite Passagen hinweg dominiert der "numismatische" Blickwinkel, indem ausführlich auf die Verhältnisse bei der Prägung von Münzen und auf die Spezifika des Münzverkehrs eingegangen wird. Dies ist jedoch nachzusehen, da geldtheoretische und institutionenökonomische Debatten und Ansätze dort thematisiert werden, wo sie für die reale Entwicklung der Geldwirtschaft relevant wurden. Norths Buch eignet sich daher sehr gut als Einstieg in die Thematik für diejenigen, die sich schnell über die europäische Geldgeschichte informieren wollen. Die Beschäftigung mit Geld, auch aus Sicht der Wirtschafts- und Finanzgeschichte, ist allemal faszinierend und anregend, wie North mit seinem vorliegendem Buch nachweisen kann.