J. Rüpke (Hrsg.): Festrituale in der römischen Kaiserzeit

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Titel
Festrituale in der römischen Kaiserzeit.


Herausgeber
Rüpke, Jörg
Reihe
Studien und Texte zu Antike und Christentum 48
Erschienen
Tübingen 2008: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
228 S.
Preis
€ 59,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Helga Botermann, Althisttorisches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen

Der vorliegende Band geht auf ein Erfurter Kolloquium (2006) im Rahmen des von der DFG geförderten Schwerpunktprogramms „Römische Reichsreligion und Provinzialreligion“ zurück.1 In der Einführung (S. 1-4) ordnet Jörg Rüpke die Beiträge unter drei Aspekten: zum einen der lokale, regionale oder überregionale Charakter der verwendeten Zeichen, zum anderen die Spielräume für individuelles religiöses Handeln, Konkurrenz und Beteiligung von Fremden und schließlich das Fest in seiner medialen Reflexion. Er kommt zu dem Schluss, die Aufsätze dieses Bandes hätten keinen Nachweis für eine Reichsreligion erbracht, aber Austauschprozesse und Homogenisierungen gerieten immer differenzierter in den Blick. Eine Religionsgeschichte des römischen Mittelmeerraums lasse sich nicht mehr ohne den Blick auf überregionale Einbettungen regionaler und lokaler Entwicklungen schreiben.

Hubert Cancik (S. 5-18) untersucht die Ausstrahlung stadtrömischer Feste auf die nähere und fernere Umgebung. Im Ganzen ist das Resultat negativ. Man reiste aus verschiedenen Gründen nach Rom, nicht aber aus genuin religiösen. Das entsprach dem römischen Willen, keine translokale religiöse Organisation, keine größeren hierokratischen Strukturen zuzulassen. Ausnahmen sind die Säkularspiele und der kapitolinische Agon nebst dem Weltverband der Athleten. Jörg Rüpke (S. 19-33) fragt, ob die Aufstellung der römischen fasti, die in der frühen Prinzipatszeit in den Städten Italiens – von Brixen bis Taormina – (vorübergehende) Mode war, Auswirkungen auf die Verbreitung römischer Religion und Feste hatte. Davon kann keine Rede sein. Die Festkalender der Kolonien und Munizipien blieben lokale Kalender. Ausnahmen sind – abgesehen von der Armee – die Kaiserfeste: „Als römische Religion identifizierbare (und als solche gedachte) römische Religion außerhalb Roms ist Kaiserkult.“ (S. 32)

Peter Scherrer (S. 35-65, 7 Abb.) kann dank der einzigartigen archäologischen und epigraphischen Quellenlage zeigen, wie in den Jahren von 84 bis 136 einzelne Stifter und Bauherrenkonsortien mit planerischem Weitblick das Zentrum von Ephesos zu einem kohärenten Festplatz ausgestalteten. Großbauten wie die Neokorietempel, Theater, Gymnasien und Thermen, Brunnen, Straßen und Plätze wurden neu errichtet oder restauriert. Gemeinsame Klammer der Unternehmungen war der Kaiserkult, der damit auch wichtigster Motor des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens überhaupt war. Angelos Chaniotis (S. 67-87) stellt an Hand von Ehrendekreten den kompetitiven Charakter der Festkultur der griechischen Welt dar. Gelobt wurde ein Spielveranstalter, der an Quantität und Qualität des Aufwands seine Vorgänger und die Nachbarstädte übertroffen hatte. Oft schlug sich die Begeisterung der Teilnehmer in Akklamationen nieder, indem sie die Sieger in den Agonen, den Spielveranstalter oder den betreffenden Gott als einzigartig und besonders verehrungswürdig in dieser seiner Stadt priesen.

Christian Mileta (S. 89-114) führt die überregionalen prorömischen Kultfeste, die im 1. Jahrhundert v.Chr. in der Provinz Asia entstanden, auf die Tradition der zentralen Herrscherkulte der Seleukiden und Attaliden zurück, vornehmlich jedoch auf politische Motive: Die isolierten Städte fanden in dem neuen Kulttypus, der mit einem penteterischen Fest verbunden war, eine den Römern ungefährlich erscheinende Ebene der Kommunikation und Interaktion. Der erste Fall waren die Moukieia in den 90er-Jahren, ihnen folgten um 70 v.Chr. die Loukoulleia, später wohl Feste für Caesar und Antonius. Der Kultverband entwickelte sich zu einer festen Struktur, dem koinon, und spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines provinzialen Selbstverständnisses. Octavian schuf durch die Verbindung eines zentralen Festes für seine Person mit der Thea Rhome die Frühform des Kaiserkults. Peter Herz kommentiert vier epigraphische Neuerscheinungen und stellt Überlegungen zur Geschichte des makedonischen Koinon im 3. Jahrhundert an (S. 115-132). Es handelt sich um die Veranstaltung von venationes und ludi gladiatorii (S. 128f.; gemeint: munera gladiatoria, nicht Gladiatorenschulen!).

Dirk Kossmann stellt römische Soldaten als Teilnehmer von regelmäßigen und unregelmäßigen Festen vor, bespricht deren Ausstattung und stellt Überlegungen zur gemeinsamen Teilnahme von Militär und Zivilbevölkerung an (S. 133-152). Babette Edelmann (S. 153-167) erörtert die Bedeutung von Pompa und Bild im Kaiserkult des römischen Ostens. Zentraler Ort war das Theater. Es bildete den rituellen Raum, in dem die Kaiserbilder am besten die gedachte und gewünschte Anwesenheit der Kaiser während der religiösen Zeremonien darstellen konnten. Mit einem der seltenen ausdrücklichen Hinweise auf das Generalthema schreibt Edelmann: „Reichs- und Provinzialreligion wurden im Fest verknüpft“, denn Einzelne und Gemeinden konnten ihre eigene Identität im Verhältnis zu Kaiser und Reich definieren (S. 165).

Alfred Schäfer (S. 169-199, 17 Abb.) untersucht in Heiligtümern der Donauprovinzen den Ritualtransfer im Kult unterschiedlicher Götter. Das sorgfältig aufbereitete archäologische Material besteht in Bankettsälen und Votivgruben mit Knochenresten von Opfern und intentional deponierten Gefäßen. Die Stifter waren im wesentlichen Angehörige des Militärs. Welcher Gott verehrt wurde – Bel, Liber Pater, Iuppiter Optimus Maximus Heliopolitanus und Dolichenus – schlug sich nicht im Befund nieder, war also für die Ausgestaltung des Rituals unwichtig. Anne-Françoise Jaccottet (S. 201-213) stellt ein Paradox heraus: die Verbannung bakchischer Feste aus der Öffentlichkeit und dem Staatskult einerseits, die außerordentliche Beliebtheit dionysischer Motive in der Kunst und wohl auch privater Feste andererseits. Im griechischen Osten dagegen wurde seit dem frühen Prinzipat jedes bakchische Fest zu Ehren des Kaisers begangen. Die Bakchisierung des Triumphs war weniger ein kultisches als ein kulturelles Phänomen, das der römischen Macht erlaubte, sich als Friedensbringer und Kosmokrator zu präsentieren.

Im Ganzen ein interessanter Band, aus dem man viel lernen kann, auch wenn natürlich die einzelnen Autoren in unterschiedlichem Maße über ihr Spezialgebiet hinausblicken. Jedem Aufsatz ist eine Bibliographie angehängt. Stellen- und ein allgemeines Register runden den Band ab.

Anmerkung:
1 Die Bandbreite der in Angriff genommenen Projekte demonstriert sehr schön: Jörg Rüpke (Hrsg.), Antike Religionsgeschichte in räumlicher Perspektive. Abschlußbericht zum Schwerpunktprogramm 1080 der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Römische Reichsreligion und Provinzialregligion“, Tübingen 2007.

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