Palast der Republik und Berliner Schloßplatz

Schug, Alexander (Hrsg.): Palast der Republik. Politischer Diskurs und private Erinnerung. Berlin 2007 : BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, ISBN 978-3-8305-1373-5 395 S. € 29,00

: Palast der Republik. Aufstieg und Fall eines symbolischen Gebäudes. Berlin 2008 : Christoph Links Verlag, ISBN 978-3-86153-491-4 208 S., 42 Farb- und 159 SW-Abb. € 29,90

: Der Palast der Republik. Geschichte und Bedeutung des Ost-Berliner Parlaments- und Kulturhauses. Petersberg 2006 : Michael Imhof Verlag, ISBN 978-3-86568-143-0 240 S. € 39,95

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hanna Steinmetz, Doktorandenkolleg "Zeitkulturen", EXC 16 "Kulturelle Grundlagen von Integration", Universität Konstanz

3 x Palast der Republik = 1 x Schlossplatz. Die Auseinandersetzung mit diesem Areal im Zentrum Berlins hat Konjunktur, auch wenn bzw. gerade weil die Ruine des Palastes der Republik inzwischen vollständig abgebaut wurde. Bis zur politischen Entscheidung zum Abriss des Palastes im Jahr 2002 überwogen zunächst jene Publikationen, die von Akteuren der öffentlichen Debatte um diesen Ort selbst verfasst wurden. Diese Literatur der 1990er-Jahre „hat einen tendenziösen Ton, sie ist appellativ und impliziert moralische Standpunkte“ (Schug, S. 10). Sie war Bestandteil einer aufgeregten Auseinandersetzung, die letztlich dazu führte, dass der Palast dem Erdboden gleichgemacht wurde. Für die Wissenschaft und den Kulturjournalismus gibt es gerade in der heutigen „Post-Palast-Phase“ viel Material aufzuarbeiten. Die drei vorliegenden Bände der letzten drei Jahre mit dem je gleichen Titel „Palast der Republik“ möchten das zurückgebaute Gebäude auf dem Berliner Schlossplatz erstmalig in den architekturhistorischen Wissens- und Bilderkanon einordnen und die „emotional“ geführte Debatte der 1990er-Jahre reflektieren.1

Anke Kuhrmann legte 2006 mit ihrer überarbeiteten Dissertation „Der Palast der Republik. Geschichte und Bedeutung des Ost-Berliner Parlaments- und Kulturhauses“, die sie 2003 am Kunsthistorischen Institut der Universität Bochum verteidigt hatte, die erste umfassende wissenschaftliche Einordnung des Palastes der Republik vor. In der kunsthistorischen Analyse des Gebäudes kann ihre Arbeit als wegweisend gelten. Obwohl der Palast unter denkmalhistorischen Gesichtspunkten noch nicht diagnosewürdig war und zum Zeitpunkt der Untersuchung in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wurde, gelingt Kuhrmann eine fundierte Historisierung auf breiter Materialgrundlage.

In einem einleitenden ersten Teil entschlüsselt Kuhrmann die über 20 Jahre andauernde Planungsphase des Palastes der Republik. Die Ursprungsidee Walter Ulbrichts, in der Berliner Mitte ein Hochhaus zu errichten, ein „Zentrales Gebäude“ im Zuckerbäckerstil nach stalinistischem Vorbild, mündete erst zu Beginn der 1970er-Jahre unter Führung von Erich Honecker in die sehr konkrete und schnelle Planung der flachen Kuben des Palastes der Republik. Der Leser fühlt sich dazu ermuntert, die momentane Planungsdauer über die künftige Bebauung und Nutzung des Schlossplatzes (1990 – heute) mit der damaligen (1950–1973) zu vergleichen. Das zweite Kapitel gibt einen Überblick zu den späteren Jahrzehnten, ausgehend von den 1972 einsetzenden konkreten Planungen über die Eröffnung im Jahr 1976, die 14-jährige Nutzung als Kulturpalast in der DDR, bis hin zu seiner Schließung im Jahr 1990, dem einsetzenden Verfall – den Kuhrmann als eine „verdeckte Abrissstrategie“ enttarnt (S. 73) – und dem finalen Rückbau der Palastruine im Jahr 2006. Mit einer dezidiert kunsthistorischen Sichtweise stellt Kuhrmann zunächst die Baueuphorie um 1970 dar. Hervorzuheben sind dabei insbesondere die zahlreichen bislang unveröffentlichten Skizzen des Zeichners Werner Roesler aus dem Architektenkollektiv um Heinz Graffunder. Kuriose Details, die nicht realisiert wurden, kommen durch Kuhrmanns Forschungen zu Tage, beispielsweise die Planung einer Sportarena im Großen Saal (S. 47). Auch die Konzeption der Interieurgestaltung und der Imagebildung des Palastes der Republik finden Eingang in ihre Studie. Vergleichsweise kurz wird die Nutzungsgeschichte des Palastes gehalten.

Für die Zeit seit 1990 rekonstruiert Kuhrmann den Verlauf der Debatte und berücksichtigt zudem die Zwischennutzungen des wieder geöffneten Palastes in den Jahren 2003–2005. Im vierten Kapitel, „Architekturansichten – Architektureinsichten“, widmet sich Kuhrmann nochmals gesondert der früheren Stellung des Volkshauses im Stadtbild sowie den innenarchitektonischen Raffinessen unter den Marmorkuben des Palastes. Das fünfgeschossige Gebäude wies rund 1.000 unterschiedliche Räume sowie 13 gastronomische Einrichtungen mit je spezifischen Gestaltungsmerkmalen auf.

Die Kapitel 5 bis 8 sind die aussagestärksten Teile der Studie. Kuhrmann nimmt erstmals eine umfassende architekturhistorische Bewertung des Palastes vor. Sie bezieht das Gebäude einerseits auf die Prinzipien des „Neuen Bauens“ – jener DDR-Stil, der die Neubewertung des Bauhauses der 1920er-Jahre sowie einen Anschluss an den gläsernen Formenapparat des Internationalen Stils markierte. So seien in dem bronzefarbenen Glaskubus des Palastes klare Referenzen auf Mies van der Rohes Seagram-Gebäude in New York aus den 1950er-Jahren zu erkennen. Andererseits war es selbstverständlich der 1958 errichtete Sowjetpalast in Moskau, der eine „Vorbildwirkung“ für den Palast der Republik hatte (S. 134). Im Kapitel „Der Palast der Paläste – Zur Typologie“ gliedert Kuhrmann den Palast nicht nur in die Reihe der Volkshäuser im Deutschland der Jahrhundertwende ein, sondern stellt ihn auch detailliert als prominentestes Beispiel des Kulturhauses in der DDR vor. Da der Palast der Republik Volkshaus und Staatspalast zugleich war, besaß er eine Sonderstellung in der Reihe der Kulturhäuser.

Der Palast war laut Kuhrmann ein vielschichtiges kulturelles Gefüge von innen- und außenpolitischen Signalen, ein Ort der Macht in Ost-Berlin, der bewussten Inszenierungsentscheidungen folgte.2 Die Tatsache, dass ein Parlament, welches in der Institutionenordnung eine „Bestätigungsversammlung“ war (S. 171), in einem scheinbar offenen Volkshaus inszeniert wurde, deutet Kuhrmann als eine besondere politische Spannungsbeziehung zwischen Offenheit und Abweisung, die sie in der Symbolik der Baumaterialien Marmor und Glas weiter verfolgt.

Etwas deplatziert wirkt nach dieser detailreichen Historisierung Kuhrmanns denkmalpflegerische Bewertung des Baus. Die Einschätzung, dass der Palast der Republik alle Kriterien des Berliner Denkmalschutzgesetzes erfüllt habe und „seine sukzessive Zerstörung [...] einem Verstoß gegen geltendes Recht“ gleichkomme (S. 188), mag der Leser noch als abschließenden Kommentar interpretieren. Den 2006 begonnenen Abriss in einem letzten Resümee als „historischen Fehler“ zu bezeichnen (S. 190) wirkt jedoch anachronistisch und bedeutet einen Rückfall auf die Debatten der 1990er-Jahre. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kuhrmann eine wegweisende architekturhistorische Beurteilung des Gebäudes vorgenommen hat; in ihrer Einschätzung der Debatte erliegt sie allerdings ihrer eigenen Faszination für den Palast und in Teilen der emotionalen Verbundenheit mit ihrem Forschungsobjekt.

Der von Alexander Schug im Jahr 2007 herausgegebene Sammelband hingegen versucht die emotionale Debatte dezidiert für beendet zu erklären. Das Buch ist ein Produkt des Kooperationsprojekts „Palastarchiv“ 3 zwischen der vom Herausgeber betriebenen Berliner „Vergangenheitsagentur“ und dem Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Humboldt-Universität. „Der Palast ist tot“, schreibt Schug in seiner Einleitung; das Ziel sei nun die wissenschaftliche „Dokumentation eines wichtigen gesamtdeutschen Erinnerungskonfliktes“ (S. 14). Das Buch ist in einen theoretischen Reflektionspart und einen Quellenanhang geteilt.

Separiert in „Rückblicke“, „Wahrnehmungen“, „Aussichten“ möchte der Theorieteil eine geschichtliche Einordnung sowie kulturwissenschaftliche Erklärungsansätze zur Debatte bieten. Der Abschnitt „Rückblicke“ führt auch den bislang wenig informierten Leser in die Thematik der Schlossplatzdebatte ein. Der Beitrag von Fabian Reinbold und Mirjam Novak, der eine differenzierte Darstellung der unterschiedlichen Diskussionsphasen der Schlossfreunde und Palastbefürworter liefert, lässt die vielfältige Quellenlage des späteren zweiten Teils bereits erahnen. In den weiteren Kapiteln überzeugen einige pointierte, jedoch eher knappe Ausarbeitungen – beispielsweise die kritische Bestimmung des Schlossplatzes als Gedächtnisort durch Cornelia Siebeck, die diskursanalytischen Ausführungen von Stella Schmid über die Metaphernkonstruktionen der „Krankheit“ und des „Todes“ im Zusammenhang der Asbestkontaminierung des Palastes oder auch Jan Bartknechts Blickerweiterung auf andere postsowjetische Erinnerungsorte. Beate Binders Beitrag gibt einen kulturtheoretischen Aufschluss über die politische Durchsetzbarkeit von Fassadenrekonstruktionen, welche sich in Berlin insbesondere durch das Konzept des „Planwerks Innenstadt“ in den 1990er-Jahren legitimieren konnten.

Neben den reflexiven Zugängen ist der Quellenteil das große Verdienst dieses Bandes. Zeitzeugeninterviews, so genannte Ego-Dokumente und eine Typologie der Schlossplatz-Akteure lassen den Band zu einer vielschichtigen „Erinnerungssammelstelle“ werden (S. 15). Die leitfadengestützten Interviews unterfüttern die theoretischen Beiträge des ersten Teils und dokumentieren ein breites Meinungsbild. Wilhelm von Boddien, der engagierte Schlossbefürworter, und Amelie Deuflhard, die Zwischennutzerin der Palastruine, kommen neben Kritikern, Politikern und prominenten Zeitzeugen des DDR-Palastes zu Wort. Ein „Beobachter aus Baden-Württemberg“ oder eine Berliner Familie mit türkischem Migrationshintergrund bringen durch die geographische oder soziale Distanz wichtige Außenperspektiven ein.

Für die Sammlung der Ego-Dokumente startete das Historikerteam einen Aufruf über die Berliner Medien, worauf es 60 Rückmeldungen von Berliner Bürgern gab, die spannende Details über den Palast und das Schloss beisteuern können. So wundert sich Gisela Wronski (geb. 1917) über die heutige Schlosseuphorie; man habe schon in den 1930er-Jahren lieber das Charlottenburger Schloss besichtigt und die ehemalige Zwingburg an der Spree eher gemieden. Und Werner Seiferth erinnert sich an sein Bild des Palastes: „[…] der Dom [...] spiegelte sich in der Fensterfassade, das Ganze ergab ein Bild, das man nicht lieben musste, mit dem man aber leben konnte.“ (S. 302)

Methodisch poliert werden die erhobenen Dokumente durch eine Typologisierung der Debattierenden. Die allgemeinen Kategorien der Palast- und Schlossbefürworter differenzieren sich dadurch in zahlreiche Untergruppen. Neben dem „emotionalen Palastbefürworter“ gibt es etwa den „Kritiker einer konservativen Schlossplatzgestaltung“, den „Anhänger der Zwischennutzung“ oder auch den „sachlichen Interessenvertreter“ (S. 211f.). Bedauerlicherweise fällt die Typologisierung der Schlossbefürworter ein wenig schmal aus, und ebenso bleibt unverständlich, warum die von den Autoren identifizierte dritte, heterogene Gruppe gar nicht in dem Band auftaucht. Gern würde man auch mehr über die Verschränkungen der einzelnen Typen erfahren. Unklar bleibt außerdem, wie viele erhobene Dokumente in die Typologisierung eingeflossen sind. So lässt sich das reichhaltige Material für Anschlussforschungen nicht ohne weiteres verwenden. Immerhin wird der Leser zum Ende mit einer ausführlichen Bibliographie, einer Linkliste und dem Abdruck zentraler politischer Dokumente bereichert, wie beispielsweise dem Abschlussbericht der Internationalen Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ vom April 2002.

Den Symbolwandel des Palastes der Republik nimmt auch der Kulturjournalist Moritz Holfelder in den Blick. Im Unterschied zu den beiden wissenschaftlichen Bänden, die – wenn auch nur teilweise konsequent – eine Überwindung der polemisch wertenden Einschätzungen anstreben, präsentiert Holfelder einen beeindruckenden Bildband, der sich zur investigativen Manier bekennt und sich der „bizarren Wiedervereinigungsruine mit asbestöser Aura“ (S. 11) auch in Form von Metaphern-Bildern nähert.

Holfelders besonderes Interesse gilt dem „seltsamen Schicksal“ von Architektur, welches nach der Sprengung des Schlosses, der Errichtung und dem Rückbau des Palastes ein nicht untypisches Charakteristikum des Berliner Schlossplatzes zu sein scheint.4 Sein Ausgangspunkt ist bereits die Eiszeit, um den „schlammigen Urgrund der Spreeinsel“, der sich im Zuge von Schmelzbächen der Eiszeit gebildet habe und bis heute ein pfahlgestütztes Bauen erfordere, als Begründung der Abrissschicksale auf dem Schlossplatz im 20. Jahrhundert anzuführen – „auf schwankendem Grund“ habe sich schon immer „schlecht bauen“ lassen (S. 21). Auf diese metaphorische Einleitung folgt ein 70-seitiger Überblick von der Errichtung der ersten Zwingburg im Jahr 1443 über deren Ausbau zum Schloss bis hin zu dessen Sprengung und den unmittelbar folgenden Zentrumsplanungen des DDR-Regimes. Der Bauphase des Republikpalastes räumt Holfelder, ähnlich wie Kuhrmann, sehr viel Platz ein. Doch im Gegensatz zur Kunsthistorikerin legt er den Schwerpunkt auf die internen politischen Konflikte im Architektenkollektiv und die daraus folgenden Gestaltungsentscheidungen. Dass der Leiter des Kollektivs, Heinz Graffunder, die innenarchitektonischen Entscheidungsbefugnisse nach einer internen Trickserei an Manfred Prasser abgeben musste, der dadurch den Großen Saal verwirklichen durfte (S. 37f.), ergänzt Kuhrmanns Ausführungen und spricht für Holfelders personalisierte Darstellungsform.

Die Aufarbeitung von politischen Entscheidungen hinter der offiziellen Bühne versucht Holfelder auch für den vergleichsweise knapp gehaltenen Zeitraum nach 1990, den „Fall“ des Gebäudes. Laut einer Forsa-Umfrage, die der Autor zitiert, sprachen sich 1993 nur 19 Prozent aller Bundesbürger für den Abriss des Palastes aus. Für die Politik sei dieser Schritt jedoch bereits eine ausgemachte Sache gewesen. Durch die unentschieden wirkende Planung des Abrisses habe man indes die Hoffnungen der Palastfreunde genährt. So dominierte laut Holfelder bis in die späten 1990er-Jahre hinein das öffentliche Bild, dass mit der Beseitigung des Asbestzements die weitere Erhaltung des Gebäudes einherginge (S. 86).

Wie Holfelder aufzeigt, wurde der Palast in der Nach-Wendezeit sehr schnell der politische „Ort für den Frust der DDR“ (S. 89), ein von Westpolitikern nicht gewünschtes Gebäude eines ungeliebten, gescheiterten Systems. Die von der Bundesregierung 2001 eingesetzte historische Kommission habe lediglich dem „Finden [einer] Mehrheit für das Barockschloss“ gedient (S. 93). Der Palast „spiegelte“ Holfelder zufolge den widersprüchlichen Makrokosmos der DDR im Mikrokosmos des Gebäudes, so dass ein Fortbestehen dieses Bedeutungsträgers in einer demokratischen Gesellschaft nach 1989/90 rigoros ausgeschlossen wurde. Der Asbest sei von der Politik lediglich instrumentalisiert worden, um die „symbolische Destruktion des Gebäudes“ vorantreiben zu können (S. 81f.). Nach Holfelder hätte es jedoch Grund zur Wiederbelebung des Palastes gegeben, der nicht bloß ein Ort sozialistischer Propaganda, sondern „mit dem Mief und dem Aufbruchsgeist der DDR“ verbunden gewesen sei (S. 51f.).

Der zweite Teil des Buches besteht aus Zeitzeugenporträts. Holfelders journalistischer Zugang erweist sich hier als sehr fruchtbar. Ihm gelingt es, eine clever recherchierte Personengruppe einzubringen, in der jeder Befragte eine sehr eigene Verbindung zum Palast hatte – etwa die Intendantin Vera Oelschlegel vom TIP (Theater im Palast) oder der Maler Willi Sitte, ehemaliger Präsident des Verbandes Bildender Künstler in der DDR. Zu Wort kommen Künstler wie Katja Ebstein und Durs Grünbein, aber auch ein Bauarbeiter „der ersten Palaststunde“ wie Uwe Schneider sowie Helga Knoll, die einer Brigade der Palastputzkolonnen angehörte. Amelie Deuflhard, die Zwischennutzerin, und Wilhelm von Boddien, den Holfelder als „Schlossprediger“ bezeichnet, sowie Klaus Wons, der „Palastwächter“, doppeln sich mit den Interviews im Sammelband von Schug. Die Interviews der Historikergruppe um Schug sind gehaltvoller, da das Textmaterial in Rohform wiedergegeben wird. Doch wählt Holfelder seine Interviewpartner spezifischer aus und vermittelt durch die journalistische Aufbereitung seiner Begegnungen die frühere Atmosphäre des Palastlebens noch unmittelbarer. Insgesamt kann für den Band festgehalten werden, dass er das Leserinteresse durch die Bildergeschichten und die Porträts sowie durch feine Details der politischen Zusammenhänge weckt. Die Deutung der Palastruine als Ort des Frustes von Westpolitikern und Vehikel zur schnellen Überwindung der gescheiterten DDR ist ein interessanter Ansatz, der allerdings einer weitergehenden wissenschaftlichen Überprüfung bedarf.

Der Palast existiert nicht mehr, und die Deutungen seines Untergangs werden zum Thema der Wissenschaft. Kuhrmanns Buch überzeugt als kunsthistorische Erfassung des Palastes der Republik. Die Historikergruppe um Schug bietet analytische Rückblicke, vor allem aber einen facettenreichen Quellenteil über die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Schlossplatz. Der Kulturjournalist Holfelder entwickelt einen eigenwilligen, mitunter polemischen Ansatz, der weitere wissenschaftliche Beschäftigungen durchaus erfrischen und befruchten kann. Die drei Bände wecken die Hoffnung, dass sich weitere Disziplinen wie beispielsweise die Soziologie und die Stadtethnologie für die Palast- und Schlossplatzdebatten interessieren.5

Anmerkungen:
1 Die Autoren der beiden Monographien und der Herausgeber des Sammelbands wuchsen, soweit bekannt, in Westdeutschland auf – was für ihre Perspektiven nicht unwichtig ist.
2 Kuhrmann versteht die Architektur als „Kommunikationsmedium“, welches über den „Gebrauchswert hinaus Sinninhalte transportiert“ (S. 158). Neuerdings gibt es auch soziologische Ansätze, die Architektur als ein „Medium des Sozialen“ begreifen und Gebäude nicht mehr als „Spiegel“ oder „Abziehbild“ von Gesellschaft sehen wollen. Vgl. dazu Heike Delitz, Architektur als Medium des Sozialen. Ein Vorschlag zur Neubegründung der Architektursoziologie, in: Sociologia Internationalis 43 (2005), S. 1-25.
3 Siehe <http://www.palastarchiv.de>.
4 Vgl. hierzu Dirk Baecker, Bauen, Ordnen, Abreißen im Formmodell des Sozialen: Die „Architektur der Gesellschaft“ aus system- und formtheoretischer Sicht, online unter <http://homepage.mac.com/baecker/papers/palastderrepublik.pdf>, S. 31.
5 Schon länger angekündigt ist das Buch der Ethnologin Beate Binder, Streitfall Stadtmitte. Der Berliner Schlossplatz (Böhlau-Verlag), das sich mittels ethnografischer Untersuchungen dem Akteursgeflecht und den Argumentationsfiguren der Debatte nähert.

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