K.-P. Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser

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Titel
Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235-284)


Herausgeber
Johne, Klaus-Peter; unter Mitwirkung von Udo Hartmann und Thomas Gerhardt
Erschienen
Berlin 2008: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
XII, 1409 S.
Preis
€ 178,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Haake, Seminar für Alte Geschichte / Institut für Epigraphik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Im letzten Viertel des Jahres 2008 ist das zweibändige, von Klaus-Peter Johne unter Mitwirkung von Udo Hartmann und Thomas Gerhardt herausgegebene Handbuch ‚Die Zeit der Soldatenkaiser‘ erschienen. Der schiere Umfang dieses im folgenden zu besprechenden Werkes von mehr als 1400 Seiten mit über 45 Kapiteln, verfasst von 25 Autorinnen und Autoren, macht es unmöglich, in der vorliegenden Besprechung den einzelnen Beiträgen die ihnen angemessene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen – dafür ist dieses Handbuch im wahrsten Sinne des Wortes zu voluminös. Um eines gleich zu Beginn festzuhalten: Mit dem hier anzuzeigenden Gemeinschaftswerk zu den knapp 50 Jahren zwischen dem Herrschaftsantritt des Maximinus Thrax und dem des Diocletian liegt für das so genannte Zeitalter der Soldatenkaiser ein opus vor, dem das Epitheton magnum ganz zweifelsohne gebührt und das als ein Beispiel par excellence für ein Handbuch mit all seinen genrebedingten Stärken, aber auch seinen immanenten Schwächen anzusehen ist.

‚Die Zeit der Soldatenkaiser‘ setzt sich nach einer knappen Einleitung (S. 5-12), in der Klaus-Peter Johne, Udo Hartmann und Thomas Gerhardt die Grundzüge des Buches darlegen, die zeitliche Eingrenzung in aller Kürze begründen sowie dessen Entstehung skizzieren, aus zehn unterschiedlich umfangreichen Hauptkapiteln zusammen (S. 15-1198), denen in einem Anhang (S. 1199-1400) unter anderem ein 150-seitiges Literaturverzeichnis (S. 1209-1358) beigegeben ist; am Ende stehen eine Karte des Imperium Romanum im Jahre 235 sowie sieben Tafeln mit 21 Abbildungen. Den zehn Hauptkapiteln sind die folgenden Themenkomplexe zugeordnet: ‚Quellen und Forschung‘ (S. 15-157), ‚Die Ereignisse der Reichsgeschichte‘ (S. 161-423), ‚Völker und Staaten an den Grenzen der Römischen Welt‘ (S. 427-580), ‚Der römische Staat‘ (S. 583-712), ‚Die römische Gesellschaft‘ (S. 715-813), ‚Wirtschaft und Münzwesen‘ (S. 817-860), ‚Bildung und Wissenschaft‘ (S. 863-924), ‚Die Religionen‘ (S. 927-1024), ‚Krise und Transformation des Reiches im 3. Jahrhundert‘ (S. 1025-1053) sowie ‚Fasti‘ (S. 1055-1198). Grundsätzlich decken die ersten acht dieser zehn Kapitel mehr oder weniger die gesamte thematische Bandbreite ab, unter der man eine Epoche aus historischer Perspektive betrachten kann. Einige Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln seien nachfolgend angeführt.

Besonders hervorzuheben ist im Kapitel ‚Quellen und Forschung‘ die Einbeziehung des nicht-griechisch-römischen Quellenmaterials (‚Die orientalische literarische Überlieferung‘: Andreas Luther zu den syrischen, persischen und arabischen Autoren, S. 89-100; Ernst Baltrusch und Erich Kettenhofen zu den jüdischen respektive den armenischen und georgischen Quellen, S. 101-102 und 103-107; Philip Huyse zu den sasanidischen Inschriften und Felsreliefs, S. 109-123); in gleicher Weise ist positiv das Unterkapitel zur Archäologie zu erwähnen (Kathrin Schade, S. 59-87). Im zweiten Hauptkapitel ‚Die Ereignisse der Reichsgeschichte‘ (S. 161-423) finden sich überaus kenntnisreiche und detaillierte Darstellungen der Kaiserherrschaften – inklusive des gallischen Sonder- und des palmyrenischen Teilreichs (Andreas Luther, S. 325-341; Udo Hartmann, S. 343-378) – von Maximinus Thrax bis zu Carus und seinen Söhne. Anders als es der Titel erwarten lassen würde, liegt der Schwerpunkt der einzelnen Artikel jedoch weniger auf der Reichsgeschichte im eigentlichen Sinne als vielmehr auf der Geschichte der Kaiser im Reich. Das dritte Hauptkapitel mit dem Titel ‚Völker und Staaten an den Grenzen der Römischen Welt‘ (S. 427-580), das von den Völkern an den nördlichen Grenzen des Imperiums (Andreas Goltz, S. 427-464) bis zu den Mauren (Andreas Gutsfeld, S. 465-473) und vom Kaukasus (Erich Kettenhofen, S. 475-500) bis nach Meroë und zu den Blemmyern (Angelika Lohwasser, S. 571-580) reicht, ist unter die besonders gelungenen Teile der ‚Zeit der Soldatenkaiser‘ zu rechnen, werden doch auf gut 150 Seiten in einer bislang so noch nicht zu findenden Art und Weise die ‚Grenzvölker‘ des Imperium Romanum vom Nordwesten bis in den Südosten behandelt.

Die Hauptkapitel IV. bis VI. sind drei ‚klassischen‘ Themengebieten – ‚Römischer Staat‘ (S. 583-712), ‚Römische Gesellschaft‘ (S. 715-813) und ‚Wirtschaft und Münzwesen‘ (S. 817-860) – gewidmet. Zu den besonders hervorzuhebenden Beiträgen gehören hierbei Klaus-Peter Johnes Artikel über ‚Das Kaisertum und die Herrscherwechsel‘ (S. 583-632), in dem der Verfasser eine Darstellung des Kaisertums in der Soldatenkaiserzeit vorlegt, für das „eine ausführliche Untersuchung“ bis dato nicht existiert (S. 583, Anm. 1), Michael P. Speidels Ausführungen zum Heer (S. 673-690), für das bislang trotz zahlreicher wichtiger Detailstudien eine umfassende Synthese zum 3. Jahrhundert nicht vorliegt, sowie Kai Ruffings Darstellung über ‚Die Wirtschaft‘ (S. 817-841), in der der Autor ein differenziertes Bild dieses komplexen Themas zeichnet. Auch wenn es den Rahmen des Werkes wohl gesprengt hätte, so ist es doch zu bedauern, dass es zwar ein Unterkapitel zur Provinzialverwaltung gibt (Toni Glas/Udo Hartmann, S. 641-672), jedoch keine stärkere Berücksichtigung der Bevölkerung in den Provinzen in einem eigenen systematischen, notwendigerweise allerdings umfangreichen Beitrag. Die zwei Fallstudien zu Isaurien (Karl Feld, S. 791-800) und Ägypten (Friederike Herklotz, S. 801-813) im Rahmen des Unterkapitels ‚Unterschichten und soziale Konflikte‘ (Thomas Gerhardt, S. 763-789) sind zwar zweifelsohne instruktiv, können – und wollen respektive sollen – aber nicht mehr sein als eben Fallbeispiele.

Das siebte Hauptkapitel mit dem Titel ‚Bildung und Wissenschaft‘ (S. 863-924) mit Beiträgen zur ‚Bildung‘ (Katrin Pietzner, S. 863-891), ‚Geschichtsschreibung‘ (Udo Hartmann, S. 893-916) und ‚Philosophie‘ (Irmgard Männlein-Robert, S. 917-924) ist zwar grundsätzlich sehr zu begrüßen, allerdings auch nicht gänzlich unproblematisch: Dies liegt vor allem an der Disposition. Einerseits ist die thematische Auswahl sehr beschränkt und nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar – so fehlt beispielsweise eine Auseinandersetzung mit der Medizin oder der Mathematik; andererseits ist zu fragen, ob der wichtige Artikel zur Historiographie in diesem Hauptkapitel gut platziert ist und nicht eher in das Hauptkapitel über die Quellen hätte gesetzt werden sollen; der Beitrag über die Philosophie ist bedauerlicherweise rein biodoxographisch ausgerichtet, ohne nach den sozialen Bedingungen und gesellschaftlichen Funktionen von Philosophie zu fragen – dies allerdings tut Pietzner in ihrem gelungenen Artikel grundsätzlich in Hinsicht auf die Bildung. Das neunte und letzte große – hinsichtlich der Bedeutung des Themas eher knapp ausgefallene – Hauptkapitel ist den ‚Religionen‘ gewidmet (S. 927-1024). In großer Breite wird hier das Spektrum der Religionen abgehandelt; allerdings verhält sich teilweise der Umfang der einzelnen Kapitel zueinander disproportional: Während ‚Die Manichäer‘ (Desmond Durkin-Meisterernst, S. 1009-1024) auf 16 Seiten Gegenstand der Darstellung sind, kommen dem Unterkapitel ‚Die paganen Religionen‘ nur neun Seiten zu (Monika Schuol, S. 927-935). Im neunten Hauptkapitel unternehmen Klaus-Peter Johne und Udo Hartmann das schwierige Unterfangen, dem monumentalen Werk eine abschließende Synthese zukommen zu lassen: Gelungen zeichnen sie die ‚Krise und Transformation des Reiches im 3. Jahrhundert‘ (S. 1025-1053) vor dem Hintergrund der in den einzelnen Beiträge dargelegten Ergebnisse. Nach dieser Synthese folgt im zehnten Hauptkapitel mit den ‚Fasti‘ (S. 1055-1198) ein überaus nützliches Arbeitsinstrumentarium mit Listen der Kaiser, Beamten und Herrscher an den Grenzen Roms, für dessen Zusammenstellung Thomas Gerhardt und Udo Hartmann großer Dank gebührt.

Mit ‚Die Zeit der Soldatenkaiser‘ liegt ein Werk vor, das zweifelsfrei für lange Zeit jedem, der sich in Zukunft mit den fünf Jahrzehnten zwischen den Jahren 235 und 284 beschäftigen wird, ein unverzichtbares und in jeder Hinsicht überaus reiches wie auch anregendes Arbeitsinstrumentarium darstellen wird. Von dieser wohlfundierten Basis können neue wissenschaftliche Bemühungen und Diskussionen um ‚Krise(n)‘ und ‚Transformation(en)‘ zwischen Hoher Kaiserzeit und Spätantike ihren Ausgangspunkt nehmen. Zu kritisieren an dem zweibändigen Werk ist allerdings, dass es nur eine einzige Karte (‚Das Römische Reich im Jahr 235‘) enthält. Eine weite Verbreitung nicht nur in der deutschsprachigen Welt ist den beiden Bänden, die die bisherigen Forschungen zur so genannten Soldatenkaiserzeit in bislang noch nicht da gewesener Weise auf einem hohen Niveau zusammenfassen, zu wünschen.