F. X. Risch (Hrsg.): Die Klemens-Biographie

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Titel
Die Pseudoklementinen, Bd. 4: Die Klemens-Biographie. Epitome prior. Martyrium Clementis. Miraculum Clementis


Herausgeber
Risch, Franz Xaver
Reihe
Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte N.F. 16
Erschienen
Berlin u.a. 2008: de Gruyter
Anzahl Seiten
CXXV, 279 S.
Preis
€ 99,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mario Ziegler, Department Geschichte, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Zu den rätselhaftesten Figuren der frühen christlichen Kirche zählt zweifellos Clemens Romanus, den die Tradition – freilich historisch nicht korrekt – als dritten Nachfolger des Petrus auf dem Stuhl des römischen Bischofs bezeichnet.1 Der anonyme Brief der römischen Gemeinde an die Kirche von Korinth, der bereits kurze Zeit nach seiner Abfassung mit dem Namen Clemens verbunden wurde (so genannte 1. Clemensbrief), machte ihn weithin bekannt. Diese Berühmtheit sorgte allerdings auch für eine Fülle von ihm untergeschobenen pseudepigraphischen Schriften und umfangreichen Legenden im Zusammenhang mit seiner Person: den Pseudoklementinen.2 Diesem Textkorpus widmete die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften schon mehrfach Editionswerke3; mit Franz Xaver Rischs Textausgabe der Epitome prior, des Martyrium Clementis und des Miraculum Clementis wird dieses Editionsprojekt nun abgeschlossen.

In seiner Einleitung geht Risch zunächst auf die drei Texte ein, denen seine Untersuchung gilt, wobei die umfangreichen Vorarbeiten von Franz Paschke4 zugrunde gelegt werden. Die Epitome prior (S. IX–XV) stellt eine der bedeutendsten Bearbeitungen der griechischen Homilien dar, die wohl in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Syrien entstand5 und einen der zentralen Bestandteile der Pseudoklementinen bildet. In diesem nach klassischen Vorbildern konzipierten Reise- und Wiedererkennungsroman verliert der Petrusschüler Clemens seine Familie und findet sie erst nach phantastischen Verwicklungen wieder. Die Epitome prior wurde vielleicht schon im 5. Jahrhundert erstellt und ist – im Gegensatz zur Überarbeitung des Symeon Metaphrastes aus dem 10. Jahrhundert (Epitome metaphrastica) sprachlich noch nahe am Vorbild. Aus diesen übernahm der Autor die Geschichte des Clemens weitgehend unverändert und verband sie mit der nachnizänischen Theologie; er erweiterte sie allerdings auch um die Schlussabschnitte 141-144. Das Martyrium Clementis (S. XV-XXI), das, wie seit langem bekannt, die griechische Übersetzung einer lateinischen Passio darstellt6, ist sowohl eigenständig als auch – wesentlich häufiger – als Anhang der Epitome prior überliefert. Die gesonderte Überlieferung bietet größtenteils eine ältere Fassung und wird deshalb von Risch „älteres Martyrium Clementis“ genannt. Beschrieben wird die – historisch haltlose – Geschichte von der Verbannung des Clemens durch Kaiser Traian nach Cherson am Schwarzen Meer (nahe des heutigen Sewastopol) sowie sein dortiges Martyrium durch Versenken im Meer.

Der Stoff des Miraculum Clementis (S. XXI-XIV) entstammte vermutlich der Lokaltradition von Cherson.7 Die Wundergeschichte, die in einfacherer Form auch von Gregor von Tours erzählt wird8, preist ein von Clemens regelmäßig an seinem Festtag gewirktes Wunder. Als Autor wird von fast allen Abschriften ein Bischof Ephraim von Cherson angegeben. Risch meldet an dieser Zuschreibung dezente Zweifel an (S. XXII: „Diese Angabe scheint zunächst unverdächtig zu sein; da aber der Ort Cherson in dem für das Miraculum vorausgesetzten Martyrium Clementis genannt wird, ist es nicht völlig auszuschließen, daß der Autor erfunden wurde. Doch würde der Nachweis einer solchen Erfindung sich kaum beibringen lassen.“), geht aber nicht weiter auf diese Problematik ein und verwendet in der Folge den Namen Ephraim. Als terminus ante quem für die Abfassung des Miraculum Clementis sieht Risch das Jahr 397, das Todesjahr des Nectarius von Konstantinopel. Risch postuliert dabei eine Abhängigkeit des Miraculum von dessen Enarratio de festo sancti Theodori, die er in einzelnen Formulierungen, der Rhetorik, der thematischen Akzentuierung und dem Gedankengang erkennt (S. XXIIf.). Die Beeinflussung durch die Homilie des Nectarius macht ferner wahrscheinlich, dass das Miraculum Clementis ursprünglich in griechischer Sprache verfasst wurde.

Auf den Seiten XXIV-LXXXI gibt Risch einen umfassenden Überblick über die der Edition zugrunde gelegten Handschriften, deren älteste bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen. Dabei wird eine Differenzierung danach vorgenommen, ob sie nur die Epitome prior und das Martyrium Clementis bieten, zusätzlich zu beiden noch das Miraculum Clementis enthalten ist oder eine Verschmelzung von Martyrium und Miraculum vorgenommen wurde. Das Verhältnis der einzelnen Handschriften wird jedoch durch die ungünstige Überlieferung und nicht abzuschätzende Verluste von Codices äußerst verkompliziert, so dass die Erstellung von Stemmata nicht in jedem Fall möglich war (S. LXXXI-CXI). Kernstück der Edition ist der Text der drei Schriften mit umfassendem textkritischen Apparat und Parallelstellen (S. 1-190). Es schließt sich ein Stellenregister (S. 193-196) sowie ein umfangreiches Wortregister (S. 197-279) an.

Das Werk gibt dem interessierten Leser – in der von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gewohnten hohen Qualität – einen wichtigen hagiographischen Text an die Hand. Er steht an der Schnittstelle einer Entwicklung, die von der historischen Person Clemens Romanus über den Clemens der Pseudoklementinen bis hin zum Märtyrer in Cherson reicht und somit, wie Risch treffend im Vorwort formuliert, „Dichtung in Historie umwandelt“.

Anmerkungen:
1 Zusammenstellung von Informationen über den historischen Clemens bei Mario Ziegler, Successio. Die Vorsteher der stadtrömischen Christengemeinde in den ersten beiden Jahrhunderten, Bonn 2007, S. 69ff.
2 Vgl. Meinolf Vielberg, Klemens in den pseudoklementinischen Rekognitionen. Studien zur literarischen Form des spätantiken Romans, Berlin 2000.
3 Die Pseudoklementinen I. Homilien (1. Aufl. 1953, hrsg. v. Bernhard Rehm; 2. Aufl. 1969, hrsg. v. Franz Paschke; 3. Aufl. 1992, hrsg. v. Georg Strecker), GCS 42; Die Pseudoklementinen II. Rekognitionen (1. Aufl. 1965, hrsg. v. Bernhard Rehm u. Franz Paschke; 2. Aufl. 1994, hrsg. v. Georg Strecker), GCS 51; Die Pseudoklementinen III/1 (1. Aufl. 1986, hrsg. v. Georg Strecker); Die Pseudoklementinen III/2 (1. Aufl. 1989, hrsg. v. Georg Strecker).
4 Franz Paschke, Die beiden griechischen Klementinen-Epitomen und ihre Anhänge. Überlieferungsgeschichtliche Vorarbeiten zu einer Neuausgabe der Texte, Berlin 1966.
5 Zur Datierung und Lokalisierung vgl. Johannes Hofmann, Unser heiliger Vater Klemens. Ein römischer Bischof im Kalender der griechischen Kirche, Trier 1992, S. 27 mit Anm. 39.
6 Vgl. Pio Franchi de’ Cavalieri, La leggenda di s. Clemente papa e martire, in: Note agiografiche fasc. 5 n. 1, Città del Vaticano 1915; Paschke, Klementinen-Epitomen, S. 67-68.
7 Elżbieta Jastrzębowska, Il culto di S. Clemente a Chersoneso alla luce della ricerca archeologica, in: Philippe Luisier (Hrsg.), Studi su Clemente Romano. Atti degli incontri di Roma, 29 marzo e 22 novembre 2001, Roma 2003, S. 127-137.
8 Greg. Tur. de gloria beatorum martyrum 35.

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