T.-C. Riedel: Gleiches Recht für Frau und Mann

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Titel
Gleiches Recht für Frau und Mann. Die bürgerliche Frauenbewegung und die Entstehung des BGB


Autor(en)
Riedel, Tanja-Carina
Reihe
Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 9
Erschienen
Köln 2008: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
547 S.
Preis
€ 69,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eric Neiseke, Leibniz Universität Hannover

Gleiches Recht für Frau und Mann! Eine Forderung, die in unserer heutigen Gesellschaft sicherlich überflüssig sein dürfte. Oder doch nicht? Schließlich fühlte sich sogar der europäische Gesetzgeber noch vor wenigen Jahren dazu genötigt, die so genannte „gender“-Richtlinie ins Leben zu rufen. Sie sollte den Grundsatz „der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“ verwirklichen. Diese und weitere Richtlinien wurden 2006 in Deutschland im Allgemeinen Gleichheitsgesetz mit dem Ziel umgesetzt, Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts „zu verhindern“ oder mindestens aber „zu beseitigen“. Allein die Wortwahl impliziert allerdings, dass wir selbst heute noch immer keine völlige Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erreicht haben – schließlich kann man nur etwas beseitigen, was noch immer besteht.

Doch bei aller Kritik am gegenwärtigen Zustand der (Un-)Gleichheit zwischen Frau und Mann sollten die bereits erzielten Fortschritte nicht in Vergessenheit geraten, die heutzutage als völlig selbstverständlich empfunden werden. So wetteifern an den Universitäten Studentinnen gemeinsam mit ihren Kommilitonen um möglichst gute Studienabschlüsse, um später in hochrangigen Positionen in der Wirtschaft tätig zu sein, Urteile zu fällen oder Menschleben zu retten. Und niemand käme mehr ernsthaft auf die Idee, Frauen das Wahlrecht abzusprechen. Jene Normalität ist dabei noch nicht einmal ein ganzes Jahrhundert alt: das Wahlrecht für Frauen besteht erst seit 1919; die Zulassung von Frauen zu einem Studium an deutschen Universitäten war erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unter zum Teil erschwerten Bedingungen möglich.

Jene Errungenschaften sind auf den Einsatz zahlreicher mutiger und engagierter Frauen zurückzuführen, die der ersten deutschen Frauenbewegung angehörten. Die juristische Dissertation von Tanja-Carina Riedel befasst sich eingehend mit der historischen Entwicklung der bürgerlichen Frauenbewegung unter Einbezug ihrer wichtigsten Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Im Vordergrund der Untersuchung steht dabei zunächst die Entwicklung der bürgerlichen Frauenbewegung hin zu einer Vereinigung, welche die Frauenfrage vor allem als Rechtsfrage begriff. Die Autorin zeichnet in den ersten Kapiteln den hierfür benötigten, langwierigen Reifungsprozess der Frauenbewegung nach.

So standen nicht sogleich rechtliche Fragestellungen, sondern vielmehr Bildungs- und Erwerbsfragen im Vordergrund der Aktivistinnen, die sich 1865 durch Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) organisierten (vgl. S. 13ff.). Erst allmählich setzte sich innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung die Meinung durch, dass ein gleichberechtigter Zugang zur Arbeit und Bildung nicht ohne einen Einsatz für gleiche Rechte der Frauen zu erreichen sei. Die fünfte Generalversammlung des ADF in Gotha beschloss 1875 schließlich, die „Erziehungs- und Schulfragen auf demselben [dem nächsten Frauentag] nicht so sehr in den Vordergrund zu stellen wie diesmal (…). Dagegen solle die Rechtsfrage, d. h. die Stellung der Frau dem Gesetze gegenüber zur Sprache gebracht werden, da fast überall die sie betreffende Gesetzgebung sehr im Argen liege.“ (S. 78) Einen Anstoß zu diesem Beschluss dürfte Charlotte Pape gesetzt haben, die auf genannter Versammlung einen Vortrag über die „Rechte der Mutter und ihrer Kinder“ gehalten hatte. 1876 konnte sich der ADF schließlich zu einer Denkschrift mit dem Titel „Zur gesetzlichen Stellung der Frau“ durchringen, die sich mit den persönlichen Wirkungen der Ehe, den Rechtsgeschäften der Ehegatten, dem ehelichen Güterrecht, der Ehescheidung, den Rechten und Pflichten der Eltern und dem Vormundschaftsrecht befasste.

Während sich die Mitstreiterinnen damit eher zögerlich der Frage nach ihren Rechten näherten, war eine bedeutende Gesetzeskodifikation bereits beschlossene Sache: 1873 entschieden Reichstag und Bundesrat auf Antrag der Reichstagsabgeordneten Miquel und Lasker eine Änderung der Reichsverfassung, die dem Reich die Gesetzgebungszuständigkeit für das gesamte Zivilrecht übertrug. Das ehemals uneinheitliche, auf einzelne deutsche Territorien zersplitterte Recht sollte nun endlich vereinheitlicht werden. Hierauf wurde 1874 eine Vorkommission in Leben gerufen, die ein Gutachten über Plan und Methode für die Ausarbeitung des Entwurfs eines deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches erstellen sollte. Zur so genannten 1. Kommission wurden dann Richter, Ministerialbeamte und Professoren berufen, die alle größeren deutschen Staaten und Rechtsgebiete vertraten. Sie hatten die durchaus schwierige Aufgabe, durch Ausarbeitung eines allgemein gültigen Bürgerlichen Gesetzbuches eine weitere Rechtszersplitterung durch Erlass von Einzelgesetzen zu verhindern. Nach ausführlichen Beratungen legten die Mitglieder 1888 den so genannten 1. Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch vor.

Die Frauenrechtlerinnen erkannten jene Entwicklung anfangs jedoch nicht als Chance, um durch Einflussnahme auf den Entstehungsprozess des Bürgerlichen Gesetzbuches auch die Rechte der Frauen in Deutschland zu stärken. Das Erscheinen des Ersten Entwurfs des BGB blieb seitens der bürgerlichen Frauenbewegung erst einmal weitestgehend (vgl. jedoch S. 146ff.) unkommentiert, obwohl insbesondere der familienrechtliche Teil des Ersten Entwurfs Angriffspunkt zahlreicher Kritik war (vgl. S. 168ff.). Symptomatisch erscheint, dass etwa Otto Gierkes Kritik am Ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches zu den darin enthaltenen Positionen zur rechtlichen Stellung der Frau erst nach Inkrafttreten des BGB Beachtung fanden. Es waren namentlich Marie Stritt und Marianne Weber, die ihm erst im Jahr 1901 bzw. 1907 beipflichteten (vgl. S. 205f.).

Ausgerechnet ein Mann sollte den Anstoß für eine Neuorientierung der bürgerlichen Frauenbewegung geben: Anton Menger äußerte sich im Jahr 1890 nachhaltig sozialkritisch gegen das bevorstehende Bürgerliche Gesetzbuch und dürfte dazu beigetragen haben, dass sich die Fürsprecherinnen der Frauen zu Frauenrechtlerinnen weiterentwickelten (vgl. S. 231ff.). Nunmehr wurden die geplanten Bestimmungen mit Nachdruck bekämpft (vgl. S. 242ff.) – wahrscheinlich viel zu spät, dauerten doch die Gesetzgebungsarbeiten zum BGB bereits mehr als zwanzig Jahre an. Riedel verweist in diesem Zusammenhang etwa auf die Schrift der Schweizer Juristin Emilie Kempin „Die Stellung der Frau nach den zur Zeit in Deutschland gültigen Gesetzes-Bestimmungen sowie nach dem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich“ (S. 254ff.) sowie auf die Broschüre von Sera Proelß und Marie Reschke mit dem Titel „Die Frau im neuen bürgerlichen Gesetzbuch“ (S. 265 ff.). Diese und weitere Schriften, die Riedel allesamt sehr detailliert bespricht, kritisieren das Familienrecht, namentlich die Ehemündigkeit, die Schlüsselgewalt, das eheliche Güterrecht oder das Unehelichenrecht. Im Anschluss folgt seitens der Autorin eine Darstellung der Diskussion des Reichstags über die rechtliche Stellung der Frau in der ersten und zweiten Lesung des Entwurfs zum BGB (S. 394ff.).

Das Bürgerliche Gesetzbuch trat schließlich im Ergebnis ohne große Gegenwehr der Frauenbewegung am 1. Januar 1900 in Kraft. Ist also der bürgerlichen Frauenbewegung insoweit ein Vorwurf zu machen? Riedel verneint diese Frage zu Recht. Sie gibt zu bedenken, dass die Frauenrechtlerinnen weitestgehend juristisch ungeschult und den Juristen in Wissen und Argumentation häufig unterlegen waren. Und wie sollte man sich auch mit einer „laienhaften Herangehensweise“ (S. 531) gegen die damals vorherrschende Historische Rechtsschule des 19. Jahrhunderts durchsetzen? Deren männliche Anhänger entgegneten den Forderungen nach gleichen Rechten der Frauen mit dem schlichten Hinweis darauf, sie seien nicht aus dem rechtshistorischen Erbe herleitbar. Historisch gewachsenes Recht der einzelnen deutschen Territorien sollte im Bürgerlichen Gesetzbuch schlicht vereinfacht und nicht durch gänzlich „neues“, das heißt gleichberechtigtes Recht ersetzt werden.

Im letzten Kapitel gewährt Riedel einen kleinen Ausblick auf die Zeit nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die bürgerliche Frauenbewegung hatte mangels bedeutenden Einflusses auf die Kodifikation eine bittere Niederlage im Kampf um die Rechte der Frauen erlitten. Dennoch wurde sogleich beschlossen, mit gleichem, vielleicht sogar mit höherem Nachdruck weiterzuarbeiten. Es war unter anderen Anita Augsburg, die die zukünftigen Ziele der Frauenrechtsbewegung formulierte, nämlich nunmehr den „Befähigungsnachweis (…) für die politische Reife der deutschen Frauen“ zu erbringen. Spätestens mit Einführung des Wahlrechts für Frauen wurden die Bemühungen und der stete Einsatz für die Rechte der Frauen dann endlich mit Erfolg gekrönt.

Riedel legt insgesamt eine lesenswerte und thematisch umfassende rechtshistorische Studie vor. Begleitet werden die Ausführungen durch umfangreich zitiertes Quellenmaterial, das einen „authentischen Blick auf die juristische Argumentationsweise zur rechtlichen Stellung der Frau bei der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches zulassen und ein Stück Rechtsgeschichte zum Leben erwecken“ soll (S. 1). Interessant gestalten sich insbesondere die Querverweise auf Juristen, die sich auf Seiten der Frauenrechtsbewegung stellten, wie etwa Karl Röder, Ludwig Wachler, Julius Weil oder auch der Geheime Justizrat Carl Bulling. Pionierarbeit wurde von Riedel dahingehend geleistet, dass sie Bullings Arbeit „Die deutsche Frau und das bürgerliche Gesetzbuch“ in diesem Kontext ausführlich erörtert. Die Aufnahme des vorliegenden Werkes als neunter Band in der von Stephan Meder und Arne Duncker begründeten Reihe „Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung“ kann nur begrüßt werden, ergänzt sie doch mit einem Überblick über die Geschichte der bürgerlichen Frauenbewegung vorzüglich die dort bisher zumeist auf wichtige Teilbereiche konzentrierten Veröffentlichungen.

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