O. Hekster: Rome and its Empire, AD 193-284

Cover
Titel
Rome and its Empire, AD 193-284.


Autor(en)
Hekster, Olivier
Reihe
Debates and Documents in Ancient History
Erschienen
Anzahl Seiten
XVI, 183 S.
Preis
£ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Udo Hartmann, Institut für Klassische Altertumskunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Aus der Reihe „Debates and Documents in Ancient History“ liegt nun von Olivier Hekster, Professor für Alte Geschichte an der Radboud Universität Nijmegen, ein Band für die Zeit der Severer und der Soldatenkaiser vor. Mit dieser ungewöhnlichen, in der älteren Forschung vor allem von Altheim1 vertretenen Epochenbegrenzung von 193 bis 284 nimmt er eine historische Periode der Krise und der radikalen Umwälzungen in der römischen Welt in den Blickpunkt, die der grundlegenden Neugestaltung des Reiches unter Diocletian vorausging, für dessen Regierungszeit in dieser Reihe bereits ein Band von Rees erschienen ist.2 Ziel der Reihe ist es zum einen, kurze Überblicke zu einem Themenfeld der Alten Geschichte und zu den entsprechenden Debatten in der Forschung zu geben. Zum anderen sollen wichtige antike Zeugnisse zum Thema präsentiert werden; dabei werden sowohl schriftliche Quellen in englischer Übersetzung als auch archäologisches Material herangezogen. Die Bände sollen somit Studierenden den Einstieg in das behandelte Themenfeld ermöglichen. Dieses ist Hekster mit seinem Studienbuch in hervorragender Weise gelungen: Im ersten Teil des Bandes („Debates“, S. 1-86) erläutert Hekster in einer klaren und leicht verständlichen Sprache und unter ständigem Rückbezug auf die antiken Quellen, die im zweiten Teil („Documents“, S. 86-154) vorgestellt werden, sowie unter Heranziehung wichtiger, vor allem englischsprachiger Forschungen die grundlegenden Probleme und Debatten. Auf so begrenztem Raum kann Hekster selbstverständlich keine detaillierte Darstellung zur Ereignisgeschichte von Septimius Severus bis Diocletian vorlegen, er versteht es aber dennoch, alle wesentlichen Ereignisse zumindest kurz anzusprechen, ohne dass der Leser dabei den Überblick verliert. Die Veränderung außerhalb der Grenzen Roms spart Hekster allerdings auf Grund des begrenzten Seitenumfangs bewusst aus (S. X), so dass der Leser beispielsweise nichts über die Herausbildung der westgermanischen Stammeskonföderationen oder über die Ankunft der Goten an der unteren Donau erfährt.

In der „Introduction“ (S. 3-10) werden die behandelte Epoche in einzelne Phasen eingeteilt, ihre Grundzüge sehr summarisch umrissen und die literarischen Quellen kurz vorgestellt. Hekster hätte hier wohl noch klarer die Unterschiede zwischen der Zeit der Severer und der Soldatenkaiser akzentuieren können; auch wäre deutlicher zu betonen, dass es sich bei den Alamannen, Franken, Goten und Sāsāniden um gänzlich neue Bedrohungen für das Reich handelte, die durch ihr gleichzeitiges Auftreten zum bestimmenden Krisenfaktor wurden. Wer nun einen knappen chronologischen Abriss der Ereignisse erwartet, wird enttäuscht: Hekster präsentiert in den folgenden Kapiteln vielmehr die Umwälzungen der Epoche in eher systematischer Form. Im ersten Kapitel „A Capital and its Provinces“ (S. 11-30) erörtert Hekster die Veränderungen in der Rolle Roms und des Senats sowie die Situation in den Provinzen und die regionalen Reaktionen auf die Krise. Dabei werden fast alle wichtigen Ereignisse der Reichsgeschichte angesprochen, von den Bürgerkriegen nach dem Tod des Commodus über die Einfälle der „Barbaren“ und die Züge der Kaiser gegen diese neue Feinde, die Selbstverteidigung der Bevölkerung wie der Athener unter Dexippos gegen die Heruler und die regionalen Herrscher wie Uranius Antoninus in Syrien bis hin zu den Sonderreichen in Ost und West. Die langfristigen Auswirkungen der so genannten Antoninischen Pest werden von Hekster als Krisenfaktor aber wohl überschätzt (S. 11). Dagegen hätte die Aufgabe größerer Gebiete durch die Römer, also der Verlust Daciens und des Decumatlandes, in jeden Fall angesprochen werden müssen. Auch hätte Hekster sicherlich deutlicher zwischen dem palmyrenischen Teilreich unter dem Kaiserstellvertreter Vaballathus (267-272) und der gegen Aurelian gerichteten Usurpation des Palmyreners im Jahr 272 trennen müssen, in der Vaballathus nach dem Beginn des Feldzuges des illyrischen Kaisers gegen den Orient den Augustus-Titel für sich beanspruchte (S. 24f.).3

Sehr ausgewogen werden dann im zweiten Kapitel („Economy, Armies and Administration“, S. 31-44) die wirtschaftlichen Probleme des Reiches beschrieben. Hekster streicht einerseits die Indizien für den wirtschaftlichen Niedergang und den Bevölkerungsrückgang heraus („Diocletian inherited an empire in economic chaos“, S. 35), betont andererseits aber auch die großen regionalen Unterschiede; einige Regionen wie etwa Africa seien von der Wirtschaftskrise kaum betroffen gewesen. Im dritten Kapitel („Law and Citizenship“, S. 45-55) bespricht Hekster sehr ausführlich die Motive und Folgen der Constitutio Antoniniana im Jahr 212, Caracalla habe sie vor allem als „appeasement to the gods“ nach dem Mord an Geta erlassen (S. 48), habe so aber auch eine das gesamte Reich umfassende römische Identität schaffen wollen. Dem Wandel des Kaisertums widmet sich Kapitel 4 („Development and Perception of Emperorship“, S. 56-68). Hekster hebt hervor, dass auch frühere Kaiser durch Soldaten erhoben worden seien, aber erst für die Soldatenkaiser habe dies als Legitimationsgrundlage vollständig ausgereicht; in ihrer Selbstdarstellung hätten sie daher insbesondere ihre militärische virtus herausgestrichen. Kaiserkult und Schutzgottheiten seien nun zu wichtigen Stützen des labilen Kaisertums geworden. Im Mittelpunkt des fünften Kapitels zur Religion („Christianity and Religious Change“, S. 69-81) steht die Problematik der reichsweiten Christenverfolgungen unter Decius und Valerian, Hekster nimmt aber auch den Manichäismus und andere orientalische Kulte in den Blick. Ausführlicher erörtert er die Debatte um die Motive für das Opferedikt des Decius, das er vor allem als Loyalitätsbekundung versteht, die der als Usurpator an die Macht gekommene Herrscher von seinen Untertanen forderte.

In der Zusammenfassung (S. 82-86) streicht Hekster die gegenläufigen Tendenzen von „fragmentation“ und „unification“ noch einmal heraus: Trotz der zeitweiligen Aufspaltung in unterschiedliche Herrschaftsräume überlebte das Reich in seiner Gesamtheit die Krisenphase. Nach einem Abriss über die Debatte um die Krise des Reiches im 3. Jahrhundert betont Hekster, dass man insbesondere für die Zeit nach dem Tod Gordians III. von einer militärischen und politischen, nicht aber von einer reichsweiten wirtschaftlichen Krise sprechen könne.4 Die neuen äußeren Bedrohungen als die hauptsächliche Ursache für die Krise und das Movens für die strukturellen Veränderungen im Reich werden allerdings nicht deutlich herausgearbeitet.

Im zweiten Teil des Bandes bietet Hekster eine Auswahl an Quellenauszügen, die einen guten Überblick zur recht disparaten Quellenlage liefert. In dieser wohlgewählten Zusammenstellung finden sich Auszüge aus literarischen Quellen von Cassius Dio bis Zosimos sowie aus christlichen Autoren, aber auch wichtige Inschriften, Papyri und Münzen sowie einige archäologische Zeugnisse, so etwa Passagen aus dem Tatenbericht Šābuhrs, die Petition aus Skaptopara, der Augsburger Siegesaltar oder das Feriale Duranum. Eine der Hauptquellen für die Epoche, die Historia Augusta, kommt aber sicherlich mit fünf Auszügen aus den Viten des Gallienus und des Tacitus zu kurz. Byzantinische Autoren fehlen. Am Ende des Bandes werden den Studierenden noch eine hervorragende kommentierte Auswahl an weiterführender Forschungsliteratur5, Quellenausgaben und Internetressourcen6 sowie eine Bibliographie gegeben, ergänzt durch Übungsaufgaben und ein Glossar (S. 157-178); ein Index erschließt den Band (S. 179-183). Neben der Liste mit den Kaisern und Usurpatoren (S. 155f.) wäre wohl auch eine Übersicht zu den wichtigen Ereignissen sehr hilfreich gewesen.

Hekster bietet einen sehr knappen, aber präzisen und gut formulierten Überblick über Ereignisse und Debatten zur Epoche der Severer und der Soldatenkaiser und zugleich eine vorzügliche Auswahl aus den antiken Zeugnissen. Seine pointierten Stellungnahmen in den wichtigen Diskussionen zur Krise des 3. Jahrhunderts sind dabei überaus anregend. Ärgerlich ist allerdings eine Reihe von Verschreibungen und inhaltlichen Irrtümern, zumal in einem so kurzgefassten Studienbuch.7 Zudem erschließen sich dem Studierenden ohne Vorkenntnisse wahrscheinlich viele Debatten erst nach der parallelen Lektüre einer genaueren Darstellung zur Ereignisgeschichte, die von Hekster nicht geboten werden konnte. Wer sich jedoch schnell und präzise über die Diskussionen zu dieser turbulenten Epoche informieren möchte und einen leichten und übersichtlichen Zugriff zu den antiken Quellen sucht, dem sei das konzise Studienbuch anempfohlen.

Anmerkungen:
1 Franz Altheim, Die Soldatenkaiser, Frankfurt am Main 1939.
2 Roger Rees, Diocletian and the Tetrarchy, Edinburgh 2004; vgl. die Rezension von Holger Dietrich, in: H-Soz-u-Kult, 09.01.2006 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-1-018>.
3 Vgl. Udo Hartmann, Das palmyrenische Teilreich, in: Klaus-Peter Johne (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n.Chr., Berlin 2008, S. 343–378. Der rex imperator dux Romanorum Vaballathus ist auf der Rückseite der gemeinsamen Münzprägung mit Aurelian zu sehen (S. 24f.), vgl. Hartmann, Teilreich, S. 363f.
4 Vgl. dazu jetzt auch Klaus-Peter Johne / Udo Hartmann, Krise und Transformation des Reiches im 3. Jahrhundert, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 1025-1053.
5 Zur Literatur ist m.E. nur weniges unbedingt zu ergänzen: zu den Gesamtdarstellung Gerald Kreucher, Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit, Stuttgart 2003; zu Šābuhrs Tatenbericht die kommentierte Ausgabe von Philip Huyse (Hrsg.), Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Ka‛ba-i Zardušt (ŠKZ), London 1999; zu den Sāsāniden und ihren Beziehungen zu Rom Josef Wiesehöfer, Das antike Persien von 550 v.Chr. bis 650 n.Chr., München u.a. 1994 (englisch: Ancient Persia, 2. Aufl., London 2001); Engelbert Winter / Beate Dignas, Rom und das Perserreich, Berlin 2001 (englisch: Rome and Persia in Late Antiquity, Cambridge u.a. 2007).
6 Die Seite „mapping history“ ist mittlerweile unter <http://mappinghistory.uoregon.edu/> zu finden.
7 Die von Hekster (S. 8, 65 u. 97) als literarisches Zeugnis für die Usurpation Domitians angeführte Passage aus der Gallienus-Vita der Historia Augusta (2,6: in Illyrico cum Aureoli imperatoris, qui contra Gallienum imperium sumpserat, duce, Domitiano nomine, manum conseruit) erwähnt nicht diesen Aufstand, sondern die Revolte des Aureolus gegen Gallienus (268). Die Usurpation Domitians (in der Regierungszeit Aurelians) ist literarisch nur bei Zosimos belegt (1,49,2); außerdem dürfte es sich bei ihm wohl eher um einen gallischen Sonderkaiser handeln (vgl. Andreas Luther, Das gallische Sonderreich, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 325-341, hier 335). Der Usurpator in Rom 250 hieß Iulius Valens Licinianus (nicht Hostilianus, S. 15), vgl. Ulrich Huttner, Von Maximinus Thrax bis Aemilianus, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 161-221, hier 210. Ob Šābuhr 252 (so Hekster, S. 20) oder doch eher 253 (so m.E. korrekt Huttner, Maximinus, S. 218) gegen Syrien zog, bleibt in der Diskussion, der Einfall der Goten unter Kniva erfolgte aber zweifellos 250/51 (vgl. Huttner, Maximinus, S. 208-211), nicht 254 (so Hekster, S. 20). In ILS 8924 wurde des Epitheton invictus vergessen (S. 24). Der Erfolg des Postumus gegen die Germanen am Rhein, der seiner Usurpation vorausging, ist sicherlich nicht mit dem Sieg des M. Simplicinius Genialis über die Juthungen am 24. und 25. April 260 bei Augsburg identisch (AE 1993, 1231; vgl. Luther, Sonderreich, S. 327f.), wie Hekster vermutet (S. 26); auch siegte Genialis in Raetia im April noch im Namen des Gallienus und nicht in „the territory which Postumus was in charge of“ (S. 26; vgl. Andreas Goltz / Udo Hartmann, Valerianus und Gallienus, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 223–295, hier 245). Šābuhr förderte zweifellos Manis Religion, war aber selbst kein Manichäer (S. 78). Die palmyrenische Transkription des griechischen kratistoi in CIS II 3946 ist mit egregii wiederzugeben (S. 117). In der Kaiserliste (S. 155f.) wurde der Usurpator Sabinus Iulianus 284/85 vergessen (vgl. Gerald Kreucher, Probus und Carus, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 395-423, hier 422), Aureolus regierte nur 268 (vgl. Goltz/Hartmann, Valerianus, S. 288–292), Antiochus usurpierte 273 (vgl. Hartmann, Teilreich, S. 372f.). Gänzlich verwirrt ist folgende Passage: „In AD 260, the Franks even managed to invade northern Italy, following the Alamannic example of AD 258, and reached the town of Ravenna. In the same years, the Goths ravaged Asia Minor …“ (S. 21). Die Franken fielen 256/57 oder 259 nach Gallien und Spanien ein (Aur. Vict. Caes. 33,3; Eutr. 9,8,2; Oros. 7,22,7-8; Goltz/Hartmann, Valerianus, 243), die Alamannen drangen erst 259/60 nach Italien vor und kamen bis Ravanna (Aur. Vict. Caes. 33,3; Eutr. 9,7; 9,8,2; Oros. 7,22,7; Zos. 1,37,2; Zon. 12,24 S. 596, 19–20; Goltz/Hartmann, Valerianus, 244f.); um 258 fielen die Goten nach Bithynien ein, der große Goten-Zug nach Asia gehört ins Jahr 262 (Goltz/Hartmann, Valerianus, S. 247f. u. 275-277). Fehlerhaft sind auch die Karten 3 und 4: Auf Map 3 („Military advances from Septimius Severus to Gordian III“) stoßen die Hunnen gegen die Alanen vor, und die Perser marschieren 237 gegen Syrien; auf Map 4 („Military advances from Papienus – sic! – to Diocletian“) sitzen die „Alani“ im Decumatland und dringen 254 bis Italien vor, die Goten ziehen nur 254 (sic!) auf den Balkan und nach Griechenland, die Perser führen lediglich 252 Krieg (der Einfallspfeil endet irgendwo am mittleren Euphrat). Einige Verschreibungen: Athenodorus (PIR² S 492), nicht Athenedorus (S. 24); M. Cassianius Latinius Postumus (PIR² C 466), nicht Cassianus Latianius (S. 26); Genialis (PIR² S 749), nicht Genialus (S. 117; in der aus nicht ersichtlichem Grund doppelt abgedruckten englischen Übersetzung von AE 1993, 1231 sind zudem die Erasionen unterschlagen); Aureolus (PIR² A 1672), nicht Aureolous (S. 155); die Festus-Übersetzung stammt von Thomas M. Banchich, die Ausgabe von John Eadie (S. 160).

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