A. Schachenmayr (Hrsg.): Cistercienserforschung

Titel
Aktuelle Wege der Cistercienserforschung. Forschungsberichte der Arbeitstagung des Europainstitutes für cisterciensische Geschichte, Spiritualität, Kunst und Liturgie an der Päpstlichen Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz vom 28./29. November 2007


Herausgeber
Schachenmayr, Alkuin Volker
Erschienen
Heiligenkreuz 2008: Be&Be Verlag
Anzahl Seiten
165 S.
Preis
€ 12,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hermann M. Herzog, Zisterzienserabtei Marienstatt

Das „Europainstitut für cisterciensische Geschichte, Spiritualität, Kunst und Liturgie“ (EUCist), gegründet am 9. September 2007 mit Sitz an der „Päpstlichen Philosophisch-Theologische Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz“, hat im November 2007 eine erste Arbeitstagung in Heiligenkreuz bei Baden/Österreich veranstaltet. Thema der Tagung war eine Bestandsaufnahme zur thematischen Breite der Cistercienserforschung. Der Tagungsband zu dieser Veranstaltung versammelt alle dort gehaltenen Beiträge in überarbeiteter Form. Das Inhaltsverzeichnis verschafft einen Überblick über das weite Themengebiet: Der Institutsleiter Alkuin Volker Schachenmayr bietet einen Überblick über „Aktuelle Wege der Cistercienser-Forschung.“ Immo Eberl, Historiker, Rechtswissenschaftler und Leiter des Stadtarchivs Ellwangen behandelt, darauf aufbauend, die „Lücken in der Cistercienserforschung“. Das Referat des Bibelwissenschaftlers Michael Ernst befasst sich mit dem dritten Abt von Cîteaux, Stephan Harding und seiner Bibel im Kontext der Vulgata-Texte bis zum 13. Jahrhundert. Im Anschluss behandelt Ulrich Knapp das Ringen der Zisterzienser um einen adäquaten Bildungsstandard am Beispiel der Planung einer Cistercienseruniversität in Salem im 17. Jahrhundert. Der Liturgiewissenschaftler Pius Martin Maurer beleuchtet die neuzeitlichen zisterziensischen Reformbestrebungen in der Liturgie und Jörg Oberste untersucht als Historiker die rechtliche Verfassung des Zisterzienserordens. Mit „Ars – Scientia – Memoria“ überschreibt der Kunsthistoriker Jens Rüffer seine Ausführungen zur Wechselwirkung von Kunst und Wissenschaft am Beispiel sakraler Cistercienserarchitektur.
Zum Abschluss stellt der Physiker Frank Sasama ein Projekt zur digitalen Erschließung aller Zisterzienserklöster vor.

Im Folgenden sollen exemplarisch ausgewählte Aufsätze besprochen werden. P. Alkuin Volker Schachenmayr zeichnet in seinem Einleitungsreferat eine Skizze der Ursprünge, Entwicklungen und Zielsetzungen theologischer Ausbildung im ausgehenden Mittelalter im allgemeinen und des zisterziensischen Studienbetriebs im besonderen. Eingehend auf die verschiedenen theologischen Schulen und Entwicklungen im Studienaufbau, umreißt der Verfasser die vielschichtigen Desiderate und Notwendigkeiten in der theologischen Ausbildung, vor allem vor dem Hintergrund der Reformansätze des Konzils von Trient. Er ordnet die Bemühungen der Zisterzienser in den großen Kontext römisch-katholischer Reformbemühungen ein, die von Irland über Frankreich bis in die deutschen Lande kurz umschrieben werden. Dass des Verfassers Hauptaugenmerk auf der Einordnung zisterziensischer theologischer Arbeit in die berühmten intellektuellen Theologenkreise der jeweiligen Epochen liegt, ist verständlich: Er stellt die Gründung der Heiligenkreuzer Theologischen Hochschule – und damit auch des EUCist – in ebendiese Reihe. Aufgabe heutiger Forschung und berufener akademischer Lehrer wird es sein, klare Ziele ins Auge zu fassen und den akademischen Nachwuchs in diesem Sinn zu fördern. Dazu gibt der Verfasser konkrete Hilfestellungen, indem er die Zugänge zur Zisterzienserforschung, um die es ja geht, klar definiert:

– Studien zur rechtlichen Struktur und zur Disziplin;
– prosopographische und textkritische theologisch-philosophische Annäherungen, ausgehend von der Frühzeit des Ordens;
– Erforschung der Geschichte der einzelnen Klöster, ihrer Gründung und Wiederbesiedlung, sowie, in diesem Zusammenhang, auch der narrativen Überlieferung.

Auf der Grundlage dieser Desiderate führt der Autor in groben Zügen aus, was zum bislang Geleisteten nun folgen müßte. Die Komplexität der historischen Entwicklungen bedingt die stichpunktartigen Ausführungen. A. Schachenmayr wendet sich gegen eine nur idealisierte – romantische – Rezeption der Zisterzienser. Daher plädiert er für eine systematische Aufarbeitung bislang vernachlässigter Themenbereiche, so des Kommendewesens, der facettenreichen Entwicklung des Konverseninstituts, des Hintergrunds von Austritt und Laisierung von Ordensmitgliedern. Als eigener Themenbereich erscheint die Ordensgesetzgebung. Der Autor macht sich stark für die Erschließung der legislativen Verlautbarungen und Texte, vor allem der Neuzeit (ab 1786). Die Französischen Revolution hatte der Institution der Generalkapitel definitiv ein Ende gemacht. Im 19. Jahrhundert sollte der Zisterzienserorden eine bewegte und vielfach unübersichtliche Geschichte haben, die erst noch auf eine behutsame Aufarbeitung wartet. Einen interessanten Aspekt behandelt A. Schachenmayr mit der Anregung, die „Realia“ zum gezielten Forschungsobjekt zu machen. Nur auszugsweise zu benennen sind: Bibliothekskataloge, Seelsorge, Wirtschaftsgeschichte – hier auch Speisezettel und Küchenrechnungen –, Festkultur und vieles andere mehr. Sie empfiehlt der Autor eingehender Forschungsarbeit. Der Beitrag des EUCist-Institutsleiters bricht eine Lanze für die ideologiefreie, interdisziplinäre Zisterzienserforschung. Deshalb fehlen schlussendlich auch Hinweise auf Kontroversthemen nicht. Bernhard von Clairvaux, der Karmel, Ignatius von Loyola und die Jesuiten, die Benediktiner von St. Maur – all das und vieles mehr war (und ist) teilweise Disputationsstoff. Der Beitrag versucht sich an einer Synthese der Forschungsschwerpunkte des Instituts. Das ist viel verlangt und die gebotene Kürze hat ihren Preis. Zu manchen vorgestellten Themen, so z.B. zu den Generalkapitelsbeschlüssen, hätte man sich eine, wenigstens bescheidene, bibliographisch weiterführende Angabe gewünscht (was auch für den nächsten rezensierten Beitrag gilt). So hätte beispielsweise die umfassende Neubearbeitung des „Canivez“ bis zum Jahr 1200 von P. Chrysogonus Waddell eine Fußnote verdient, 1 da sie einen hohen Grad an wissenschaftlich gediegener Arbeit mit der engen Anbindung an den Zisterzienserorden vereint. 2

Der erste große Gastbeitrag der Tagung stammt aus der Feder des Historikers Immo Eberl. Als Verfasser einer umfassenden Ordensgeschichte zum Jubiläumsjahr der Zisterzienser 1998 hat er sich einen Namen gemacht. Hier kommt es ihm nun zu, in seinen Ausführungen auf die wunden Punkte in der derzeitigen Zisterzienserforschung hinzuweisen. Dass er gleich zu Beginn das Fehlen einer umfänglichen Bibliographie der zisterziensischen Bewegung einklagen muss, bestimmt den weiteren Tenor seiner Arbeit. Die Umstände, die Historiker, Theologen und Wissenschaftler anderer Disziplinen vorfinden, wenn sie sich intensiver mit der zisterziensischen Thematik auseinandersetzen wollen, sind immer noch widrig. Engagierte Forscher haben erst mühsam grundlegende Sucharbeit zu leisten, wenn es um monographische Studien geht. Das ist sicherlich der Alltag im wissenschaftlichen Arbeiten – doch existieren in vielen Disziplinen mittlerweile umfassende bibliographische Sammlungen. Dass Gleiches selbst bei den großen Zisterzienserklöstern der Frühzeit nur unvollständig und partiell, wenn überhaupt, vorhanden ist, lässt Eberl in seinem Beitrag auf rasche Abhilfe drängen. Mit Recht führt er an, dass es einfacher ist, Vorhandenes aufzulisten, als aus der Fülle unbearbeiteter Materialien eine überschaubare und konstruktive Übersicht zu erarbeiten. Deshalb beschränkt sich Eberl auf die großen Linien der bisherigen Erforschung zisterziensischer Geschichte. Er umreißt knapp die grundlegenden Veröffentlichungen zu den Filiationslinien, hier besonders zu den Primarabteien, und schließt dann seine Vorschläge an, wie Forscher, ausgehend von den vorhandenen Grundlagen, die Fülle an Materialien auswerten und in gezielter Gemeinschaftsarbeit aufbereiten könnten. Der Verdienst des Beitrags besteht in der gezielten Darlegung unbearbeiteter zisterziensischer Sachgebiete. Breiten Raum widmet Eberl den Persönlichkeiten des Ordens, die sich für eine Erforschung anbieten. Nicht ohne Grund zieht sich dieses Desiderat durch den gesamten Text, da die zisterziensische Ordensfamilie bis weit in die Neuzeit und weiterhin ihre Prägung durch die „Mutter-Kind“-Beziehung von Gründungskloster und gegründeter Gemeinschaft erhalten hat und erhält. Die Ordensgeschichte ist nicht korrekt erfasst, wenn dieser Aspekt der Filiationen unberücksichtigt bleibt. Dass dabei Personen fundamentale Rollen spielen und lange Zeit prägend bleiben, steht außer Zweifel. Immo Eberl verfällt allerdings an einer Stelle in eine Sicht der Dinge, die sehr zu hinterfragen ist. Obwohl er zugesteht, dass die Lebensumstände heute grundsätzlich andersgeartet sind als im Mittelalter, bedient er einen gewissen Idealismus, wenn er behauptet, dass „die üblichen Grundlagen des täglichen Lebens und Handelns (…) heute noch vollständig gültig sind und gelebt werden.“ (S.36/37) Gerade das trifft aber nur noch in geringem Maß zu. Die Umwälzungen im menschlichen Alltag, um nur dieses anzuführen, haben zu große Veränderungen mit sich gebracht, als dass die „üblichen Grundlagen des täglichen Lebens“ heute noch ihre Vollgültigkeit besitzen könnten wie im ‚Goldenen Zeitalter’ von Cîteaux! Dass auch die Regel des hl. Benedikt nur bedingt „unverändert gültig“ geblieben ist, versteht sich von selbst. Eberl entfaltet die großen Zusammenhänge der Geschichte auf wenigen Zeilen. Die Beziehungen zwischen Adel und Kloster, zwischen Herrscher, Episkopat und Mönchsgemeinde, zwischen Abt und Landesherr, Abt und Klostergemeinde müssen berücksichtigt werden, wenn Zeitgeschichte nicht einseitig betrachtet werden soll. Der Verfasser drängt auf wenige Abschnitte das ausgedehnte Wissen über unbearbeitete Seiten der Ordensgeschichte, das er seinen eigenen Studien verdankt. Er tut das durchaus und notwendigerweise subjektiv, da die Themenfülle eine Auswahl nötig macht. Die Anstöße, die der Beitrag von Immo Eberl formuliert, werden hoffentlich aufgegriffen. Es gehört zu den expliziten Anliegen des besprochenen Bandes, in dieser Richtung weiterzuarbeiten und Neues in Angriff zu nehmen.

Pius Martin Maurer widmet sich in seinem Aufsatz der zisterziensischen Liturgie und dem Gottesdienst. Er beschränkt sich dabei auf die Neuzeit, das heißt den Zeitraum zwischen etwa 1870 und 1965. Schon der Titel seines Beitrags zeigt die Grenzen auf, die der Autor sich gesteckt hat: „Die liturgische Bewegung im Cistercienserorden. Entwicklungen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum II. Vatikanischen Konzil“. Dennoch muß der Verfasser weit ausholen, um sein Thema positionieren zu können. Die Liturgische Bewegung als solche ist ein feststehender Begriff. Sie kann grob in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesiedelt werden. Vor allem die Benediktiner haben maßgeblich an der Ausformung des liturgischen Ideals jener Bewegung gearbeitet. Seit jeher war ein bestimmter „Ritus“, also die Gesamtheit der gottesdienstlichen Formen, der lehrmäßigen Vermittlung der apostolischen Überlieferungen und der kirchlichen Disziplin, von großer Bedeutung für die Menschen. Der Autor beschreibt in seinem Aufsatz sehr anschaulich, welche Schwierigkeiten sich auftaten, als gegen Mitte des 19. Jahrhunderts Zweifel an der Rechtmäßigkeit des schon im 17. Jahrhundert stark römisch überformten Zisterzienserritus geäußert wurden. Rom musste eingreifen und tat das zugunsten des Eigenritus bzw. der eigenen zisterziensischen Liturgiebücher. Das Wiedererstarken des Ordens, nach 1892 in zwei zisterziensischen Zweigen, ging einher mit einer erstaunlichen Produktivität auf diesem Gebiet. Mehrere Auflagen des Breviarium Cisterciense, des Missale und anderer Bücher konnten erscheinen. Der Verfasser gibt einen Überblick über diese rege Verlagstätigkeit und über die Anstrengungen, die zugunsten einer echt zisterziensischen Liturgie unternommen wurden. Die Namen der wichtigsten Persönlichkeiten des Ordens auf diesem Gebiet nennt er unter Angabe der entsprechenden bibliographischen Referenzen. Vor allem die Bemühungen um die ursprüngliche Zisterzienserliturgie nahmen im Forschen und in der Praxis der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts breiten Raum ein. Ausführlich geht Maurer auf diesen Punkt ein und erschließt einen Aufsatz von E. Krzewitza unter Auflistung der wesentlichen Elemente der Messliturgie. Der Verfasser analysiert schließlich in groben Zügen die liturgische Erneuerung im Kloster Heiligenkreuz bei Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. P. M. Maurer kann dabei auf die jüngst erschlossenen Quellen zu Abt Karl Braunstorfer, den eigentlichen Initiator dieser Erneuerung, zurückgreifen, die er ausführlich zitiert. Als Ausblick regt er einen vertieften Austausch über die zisterziensische Liturgie in der Forschung und in den konkreten Zisterziensergemeinschaften an.

Jörg Oberste skizziert in seinen Ausführungen über die neueren Forschungen zur zisterziensischen Ordensverfassung kurz die Arbeiten der letzten Jahrzehnte, bevor er einen Überblick über die Entstehung und Hintergründe dieses Modells gibt. Mit zahlreichen Fußnoten zu den grundlegenden Dokumenten und Studien untermauert er seine Beobachtungen, wenn er von den Vorformen der Ordensverfassung über die Carta Caritatis auf die Generalkapitel und schließlich die Visitationen zu sprechen kommt. Der Verfasser ist als Historiker und ausgewiesener Kenner der Materie in der Lage, die Abläufe und Entwicklungen der Ordensorganisation gedrängt darzustellen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und intendiert er nicht. Leider scheint auch J. Oberste der oben zitierten Veröffentlichung von C. Waddell 3 nicht die gebührliche Aufmerksamkeit zuwenden zu wollen, da er sie ebenfalls nicht nennt. Der rezensierte Beitrag hebt sich von den übrigen ab, weil er weniger auf mögliche Forschungsansätze eingeht, sondern einen thematischen Überblick vorlegt.

Der Tagungsband vereinigt Aufsätze mit unterschiedlichsten thematischen Ansätzen. Diese dargebotene Fülle lässt hoffen auf eine weitere fruchtbare Entwicklung des EUCist. Nicht nur Ordenshistoriker dürften an den Forschungsergebnissen interessiert sein, da – wie eindrücklich im Band gezeigt wird – der Zisterzienserorden in 900 Jahren die europäische Geschichte in vielerlei Hinsicht geprägt hat.

Anmerkungen:
1 Chrysogonus Waddell (Hrsg.), Twelfth-Century Statutes from the Cistercian General Chapter. Latin Text with English Notes and Commentary. – Brecht: Cîteaux - Comm. Cist., 2002.
2 Der Bearbeiter ist amerikanischer Zisterzienser, gestorben 2008.
3 Waddell, Twelfth-Centrury Statutes.

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