Titel
The Presidential Debates. Fifty Years of High Risk TV


Autor(en)
Schroeder, Alan
Erschienen
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
$ 22.50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Erik Fischer, Universität Bochum, Zivildienstschule Bocholt

Alle paar Jahre wieder tobt im amerikanischen Fernsehen eine gewaltige Schlacht. Erst jüngst war sie wieder im vollem Gange: Dreimal trafen John McCain und Barack Obama im amerikanischen Fernsehen aufeinander; einmal die Kandidatin und der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Sarah Palin und Joe Biden. Was das amerikanische Fernsehpublikum schließlich gespannt verfolgen kann – die Debatten erfreuen sich seit jeher relativ hoher Einschaltquoten, obwohl sie zumeist mit wichtigen sportlichen Events kollidieren – ist lediglich das Resultat einer langen Reihe von Vorbereitungen und strengen Planungen, die den ZuschauerInnen verborgen bleiben. Alan Schroeder hat die verdienstvolle Aufgabe unternommen, in einem streckenweise gut lesbaren Buch den einfachen Zuschauer zum intimen Kenner der Fernsehduelle im Vorfeld der amerikanischen Präsidentschaftswahl zu machen. Ähnlich haben sich zuletzt auch Newton N. Minow und Craig L. LeMay um diesen Gegenstand bemüht. 1 Das Buch von Alan Schroeder ist eine erweiterte Neuauflage und zuvor bereits unter dem Titel 40 Years of High-Risk TV publiziert wurden. In der aktuellen Neuauflage werden die Debatten zwischen John F. Kerry und George W. Bush im Jahr 2004 mit berücksichtigt und man darf gespannt sein, ob Schroeder das Buch demnächst noch um den jüngsten Wahlkampf erweitern wird. Leider verpasst das Buch von Schroeder die Chance – möglicherweise aus rechtlichen Gründen –, mit einer beigelegten CD-ROM Ausschnitte aus den Debatten visuell zugänglich zu machen. Hier kann jedoch das Internet konsultiert werden. 2

Schroeder selbst ist auf dem Gebiet des Fernsehens bewandert. Als Professor der “School of Journalism“ an der “Northeastern University“ hat er intensiv zur Verbindung zwischen präsidialer Politik und den Medien gearbeitet. Darüber hinaus war er selbst als Journalist und Fernsehproduzent tätig und kennt damit das Gewerbe von Innen, was sich im Buch deutlich niederschlägt. In seiner Funktion als Wissenschaftler, aber auch als Kenner der Medien, hat er sich in Internetblogs und Tageszeitungen immer wieder zu den Debatten zwischen Obama und McCain geäußert und diese nach seinen Kriterien analysiert. 3

Fernsehdebatten vor wichtigen politischen Entscheidungen sind in Deutschland, trotz der zuletzt intensiven Bemühungen des „Medienkanzlers“ Gerhard Schröder, noch längst nicht so populär wie in den USA. Alan Schroeder zeigt uns aber vor allem, dass sie ein sehr hartes Geschäft sind. In drei wesentlichen Abschnitten führt er uns die Kämpfe und Auseinandersetzungen im Vorfeld der Debatten („Preproduction“), natürlich die Debatte selbst („Production“) und – meist noch wichtiger – die Reaktionen auf das Fernsehduell („Postproduction“) vor Augen. Das Buch ist eine wahre Fundgrube mit Informationen rund um eines der größten Ereignisse im amerikanischen Fernsehen. Im Mittelpunkt stehen dabei viele Fragen: Welche schwierigen Vereinbarungen werden im Vorfeld einer solchen Debatte zwischen den Parteien abgeschlossen? Wie werden die Kandidaten auf das Ereignis vorbereitet und wie bereiten sie sich selber vor? Wie erleben die Moderatoren die Debatten? Und wie reagiert das Publikum als zukünftige Wählerinnen und Wähler auf die Debatten? Von den Einschaltquoten her ordnen sich die Debatten zwischen der Oscar-Verleihung und dem „Super Bowl“ ein. Das Aufeinandertreffen von Ronald Reagan und Jimmy Carter 1980 brachte es auf circa 100 Millionen ZuschauerInnen.

Auch in inhaltlicher Hinsicht sind die Debatten mit Sportwettkämpfen vergleichbar. Gekämpft wird dabei an vielen Fronten und mit teilweise recht harten Bandagen. Bereits die erste Fernsehdebatte in den USA überhaupt, 1960 zwischen dem charismatischen Senator John F. Kennedy und dem Vizepräsidenten Richard M. Nixon, zielte auf die Zurschaustellung der Verletzlichkeit des Anderen ab: Nixon hatte sich im Vorfeld einer Knieoperation unterzogen und war wenige Stunden vor der Aufzeichnung beim Aussteigen aus seinem Wagen gerade eben an dieses Knie schmerzhaft gestoßen. Infolge dessen war er die ganze Debatte über, die im Stehen stattfand, kreidebleich und verlor das prestigeträchtige Duell gegen seinen Kontrahenten. Auch in letzter Zeit wurde der Wahlkampf hart geführt. In Vorfeld der Debatte des Jahres 2004 zwischen den Kandidaten um das Amt des Vizepräsidenten, Dick Cheney und John Edwards, wurde die Frage diskutiert, ob man sitzen oder stehen sollte. Die demokratische Seite beharrte auf einem Duell am Podium, Cheneys Leute wollten eine Debatte sitzend an Tischen. Der Grund hierfür war, dass Cheney vor nicht allzu langer Zeit einen Herzanfall erlitten hatte und wahrscheinlich eine lange Zeit im Stehen nicht durchhalten würde. Die demokratische Seite gab offen zu, dass gerade das der Grund war, warum man die Debatte am Podium abhalten wollte (S. 40).

Überhaupt wird bei der Lektüre von Schroeders Buch ein Umstand deutlich: Oftmals geht es bei der Debatte weniger um Inhalt, als mehr um die Form und das Auftreten des Kandidaten. Die Geschichte der amerikanischen Fernsehdebatten ist voll mit Beispielen dafür. Nelson Polsby brachte dies auf den Punkt, als er die Debatten mit dem Rennen auf dem „Indianapolis Speedway“ verglich: Alle – die Journalisten, die politischen Ratgeber und natürlich die ZuschauerInnen – warten nur darauf, jemanden in Flammen aufgehen zu sehen (S. 10). Auch David Halberstam betonte die Inhaltsferne der Auseinandersetzungen, als er schrieb, dass nur wenige Stunden nach dem Ende der ersten Debatten zwischen Kennedy und Nixon sich niemand mehr daran erinnern konnte, was einer von beiden konkret gesagt hatte. Alle sprachen nur darüber, wie beide auf dem Fernsehbildschirm wirkten. Auch später gab es sowohl im Vorfeld der Debatten als auch während der Sendungen reichlich Beispiele für denkwürdige Momente: Gerald Ford, der 1976 behauptete, das östliche Europa stehe nicht unter der Dominanz einer fremden Macht; Ronald Reagan, der 1984 gegen Walter Mondale einen mehr als nur verwirrten Eindruck machte; George H.W. Bush, der 1984 nicht so recht wusste, wie er sich gegenüber Geraldine Ferraro, der ersten Kandidatin, verhalten sollte und der 1992 in seiner Debatte mit Bill Clinton und Ross Perot gelangweilt auf die Uhr schaute; John F. Kerry, der 2004 einen Tag vor seiner Debatte zur Maniküre ging – die Liste ließe sich weiter fortführen.

Es ist konsequent, dass die Leserinnen und Leser dann auch bei Alan Schroeder nichts über die wesentlichen Inhalte der Debatten zu lesen bekommen. Vielmehr wird hier anekdotenhaft die Geschichte der Fernsehduelle wiedergegeben. Diese große Stärke des Buches, das sich teilweise äußerst lebendig liest, ist zugleich auch eine Schwäche, denn viele Geschichten wiederholen sich mehr als nur einmal, z.B. die Episode des Kandidaten Michael Dukakis, der 1988 von Bernard Shaw gefragt wurde, wie er auf die mögliche Vergewaltigung und Ermordung seiner Frau Kitty reagieren würde.

Trotz dieser Wiederholungen leistet das Buch mehr als nur einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der amerikanischen Fernsehdebatten während der Präsidentschaftswahl. Zugleich ist es ein Beitrag zur amerikanischen Fernsehgeschichte überhaupt. Mit der Ausstrahlung der Debatte zwischen John F. Kennedy und Richard M. Nixon begann in den USA ein neues Fernsehzeitalter, welches das Radio und die Zeitschriften als politische Leitmedien ablöste. Die Zuschauer hatten nun die Möglichkeit, die Kandidaten für das wichtigste politische Amt ins Auge zu nehmen und zu sehen, wie sie sich in einer belastenden Situation – denn nichts anderes war und ist eine Fernsehdebatte für die Kandidaten – verhielten: ob sie sich bewährten, ob sie versagten, ob sie Ausstrahlung bewiesen oder eher blass blieben. Inhalte, dass ist die wichtige Erkenntnis, sind dabei oft genug zweitrangig. Das Auftreten war und ist von entschiedener Bedeutung, nicht nur während, sondern auch vor und nach der Debatte. Durch das Fernsehen standen die Kandidaten unter einer direkten Prüfung und so schließt Schroeder auch: „Within their limitations, presidential debates work. They work because they speak to the nation in a language that is every American’s second tongue: the language of televison.“ (S. 310)

Anmerkungen:
1 Newton N. Minow / Craig L. LaMay, Inside the presidential debates. Their improbable past and promising future, Chicago 2008.
2 Ich verweise auf: <http://www.museum.tv/debateweb/html/index.htm>, zuletzt: 13.11.08; und <http://www.pbs.org/newshour/debatingourdestiny/dod_full_transcript.html>, zuletzt: 13.11.08.
3 Vgl. u.a. <http://presidentialdebateblog.blogspot.com/search/label/Alan%20Schroeder>, zuletzt: 13.11.08.

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