W. Schmitz: Haus und Familie im antiken Griechenland

Cover
Titel
Haus und Familie im antiken Griechenland.


Autor(en)
Schmitz, Winfried
Reihe
Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike 7
Erschienen
München 2007: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
X, 219 S.
Preis
€ 19.80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Beate Wagner-Hasel, Historisches Seminar, Universität Hannover

Althistorische Einführungswerke haben Konjunktur. Meist informieren sie über die politische Ereignisgeschichte und nehmen gesellschaftliche Strukturen und soziale Beziehungen nur am Rande in den Blick. Die 2007 begründete „Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike“ hebt sich von diesem Typus der Einführung ab. Der erste von 13 geplanten Bänden aus der Feder von Winfried Schmitz handelt von „Haus und Familie im antiken Griechenland“; ein weiterer Band vom selben Autor zum römischen Hauswesen ist geplant. Andere Themen bilden Religion, Wirtschaft, Militärwesen, Geschlechterverhältnisse. Die politischen Verhältnisse sind Gegenstand von mehreren Bänden. Eine Studie von Ernst Baltrusch zur „Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike“ ist bereits erschienen. In Anlehnung an die Konzeption der Reihe „Grundriß der Geschichte“ sind die Bände in eine einführende Überblicksdarstellung und einen Forschungsüberblick aufgeteilt. Die Untergliederung des Darstellungsteils wird auch im Forschungsüberblick und im Literaturteil beibehalten.

Schmitz hat seine Übersicht zu Haus und Familie chronologisch angelegt und unterscheidet zwischen archaischer, klassischer und hellenistischer Zeit. Den spartanischen Verhältnissen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Vorausgestellt ist den Ausführungen zu Familie und Haus in den einzelnen Epochen ein Kapitel über die demografischen Grundlagen. Die Gliederung der Unterkapitel folgt systematischen Gesichtspunkten; auch hier soll die Wiederholung der thematischen Schwerpunkte Orientierung bieten. Eingeleitet werden die Unterkapitel stets mit Ausführungen zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Hauses; auch Bemerkungen zum „Haus. Wohnung und Arbeitsstätte“ fehlen nur in dem Kapitel über Sparta. Heirat und Ehe, Erbrecht, Tod und Bestattung, Jugend und Erziehung, Sklaven (und Gesinde) stellen weitere Themenschwerpunkte dar, die um Ausführungen zur Stellung der Frau im Haus oder zur Stellung der Alten ergänzt werden. Die Kapitel über das archaische und klassische Griechenland enthalten zusätzlich ein Unterkapitel zur „Integration des Hauses in die Gesellschaft“. Ein wenig erinnert die Gliederung an den Aufbau der Studien zu den Privataltertümern, die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, ehe sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Spezialstudien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte abgelöst wurden.

Das Buch hält, was es verspricht. Es bietet erste Orientierung. Vor allem den Forschungsüberblick wird man dankbar zur Hand nehmen. Erhellend sind seine Ausführungen vor allem dann, wenn sie auf eigenen Forschungen des Verfassers basieren und methodische Probleme erläutern. Das gilt zum Beispiel für den Einblick in das spartanische Erbrecht (S. 127-132), den Schmitz bietet. Der Verfasser ist der Meinung, dass das lakonische Land nicht an die Söhne, sondern an die Kinder der Schwester vererbt wurde (avuncolineare Erbfolge), während das von den Spartiaten eroberte messenische Gebiet Gemeinbesitz gewesen und immer wieder neu verteilt worden sei. Das ist ein umstrittenes, aber ein ungemein anregendes Konzept, das Studierende fasziniert. Auch die Informationen über die methodischen Schwierigkeiten bei der Erhebung demografischer Daten bieten Anregungen für die Lehre (S. 70ff.). Dass indes nicht immer der neueste Forschungsstands geboten werden kann, liegt auf der Hand. Zu sehr hat sich die Forschung ausdifferenziert, als dass in jedem Teilgebiet der Überblick über aktuelle Neuerscheinungen gewahrt werden kann. Deshalb hier einige Ergänzungen.

Verständlich, aber bedauerlich ist, dass Schmitz die Verhältnisse auf Kreta und den Kykladen ausgespart hat. Bei der Beurteilung der Besitzrechte der Frauen folgt er der traditionellen Position von Hans Julius Wolf, der eine Verfügungsgewalt der Frauen über ihre Mitgift verneint hatte. Die jüngsten Forschungen von Eftychia Stavrianopoulou zum Ehe- und Erbrecht auf den Kykladen 1, die dem Verfasser bei Abfassung des Manuskripts sicher noch nicht vorlagen, zeichnen für Mykonos und Tenos ein deutlich anderes Bild. Die Ergebnisse führen noch einmal mehr vor Augen, wie wenig einheitlich die Verhältnisse in der Antike waren, worauf Schmitz an anderer Stelle mit Recht verweist. Zur weiblichen Arbeitswelt ist gewiss Rosa Reuthners gut recherchierte Studie zur Frauenarbeit im antiken Griechenland“ von 2006 inzwischen eine bessere Referenz als Peter Herfsts Dissertation „Le travail de la femme dans la Grèce ancienne“ von 1922.2 Vermissen wird ein nicht vorgebildetes studentisches Publikum die Einführung in die verwendete Begrifflichkeit, die in die Einleitung gehört hätte. Die Problematisierung der Begriffe erfolgt erst im dritten Kapitel im Zusammenhang der Ausführungen zur Hausgemeinschaft, wobei sich der Verfasser konzeptionell an der Begrifflichkeit der frühneuzeitlichen Hausväterliteratur anlehnt. Da diese für den fürstlichen, nicht für den bäuerlichen Haushalt konzipiert war 3, wäre die Passgenauigkeit des Konzeptes auf antike Befunde für zukünftige Auflagen neu zu bedenken.

Anmerkungen:
1 Eftychia Stavrianopoulou, „Gruppenbild mit Dame“. Untersuchungen zur rechtlichen und sozialen Stellung der Frau auf den Kykladen im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Stuttgart 2006.
2 Rosa Reuthner, Wer webte Athenes Gewänder? Die Arbeit von Frauen im antiken Griechenland, Frankfurt 2006.
3 Stefan Weiß, Otto Brunner und das Ganze Haus oder: Die zwei Arten der Wirtschaftsgeschichte, Historische Zeitschrift 273 (2001) S. 335-339.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension