R. Malcolm Errington: A History of the Hellenistic World

Cover
Titel
A History of the Hellenistic World: 323-30 BC.


Autor(en)
Errington, R. Malcolm
Erschienen
Malden, Mass. 2008: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
368 S.
Preis
€ 87,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eike Faber, Historisches Institut, Universität Potsdam

Bemerkenswert am hier zu besprechenden Buch ist zunächst das programmatische Bekenntnis R. Malcolm Erringtons zur Politikgeschichte (vermeintlich) alten Zuschnitts1: "The main subject of this book is therefore the story of the post-Alexandrian Macedonian monarchies, and I unashamedly lay primary emphasis on developments in the fields of politics and government, since these were the areas that affected most of the people most of the time" (S. 8).2

Die Monografie, die Errington mit diesem Anspruch vorlegt, ist in 16 Kapitel gegliedert, annähernd gleichmäßig verteilt auf vier Teile. Die Teile umfassen jeweils den Zeitraum zwischen epochalen Ereignissen – für gewöhnlich Schlachten. Die Kapitel behandeln geografische Räume und gehen systematischen Fragestellungen, wie etwa "The Structure of Power", nach.

Die Zeitabschnitte erstrecken sich vom Tod Alexanders des Großen in Babylon (Mai 323 v.Chr.) bis zur Schlacht von Kurupedion (281 v.Chr.); bis um 220 v.Chr., als in den drei großen Diadochenreichen junge Herrscher neu auf den Thron kamen, nämlich Antiochos III., Ptolemaios IV. und Philipp V.; bis zur Schlacht bei Pydna 168 v.Chr.; schließlich bis zum Ende der Ptolemäischen Dynastie und der formellen Eingliederung Ägyptens ins Römische Reich 30 v.Chr. Reflexionen über die jeweils verfügbaren Quellen und deren Wert leiten die Teile ein; zu Beginn jedes Kapitels steht eine sehr nützliche Zeittafel zur unmittelbar zugehörigen Ereignisgeschichte.3

Der erste Teil behandelt die Errichtung der Diadochenreiche durch Antigonos und Demetrios (die 306 v.Chr. den Königstitel annahmen) sowie Seleukos, Lysimachos, Kassandros und Ptolemaios (die es ihnen in rascher Folge gleichtaten). Errington betont die prononciert personale Herrschaft aller Dynasten: Aus diesem Grund waren ihre makedonische Herkunft und das Netz von Eheallianzen, das Antipater durch die Verheiratung seiner zahlreichen Töchter geknüpft hatte, so wichtig (The Making of the Hellenistic World, 11-76).

Im folgenden Teil, der die 60 Jahre nach Kurupedion (281 v.Chr.) umfasst, schildert Errington die Komplexität der Auseinandersetzungen, die sich innerdynastisch, zwischendynastisch und gegenüber den Untertanen entwickelten. (The Hellenistic World in Action, 77-162). Dieses gewissermaßen 'freie' Spiel der Mächte nahm mit dem Eingreifen Roms ein rasches Ende. Die zwei letzten Teile stehen daher ganz im Zeichen von Polybios' symploke, der Beobachtung, dass es keine ausschließlich regionalen Konflikte mehr geben konnte, sondern auch der Balkan, Kleinasien oder Ägypten zum Einflussbereich und der Interessensphäre der Stadt am Tiber gehörten.

Es war die Figur des Hannibal, die Rom gegen die Antigoniden und Seleukiden aufbrachte: Den Versuch Philipps V. von Makedonien, 215 v.Chr. ein Bündnis mit Hannibal einzugehen, hat Rom nicht vergessen; das Verhältnis wurde so nachhaltig zerrüttet, dass der Weg vom ersten Makedonischen Krieg 214/13 v.Chr. bis zur Auflösung der makedonischen Monarchie nach der Schlacht von Pydna (168 v.Chr.) aus Sicht des Senats geradlinig und zwingend war (The Challenge of Rome, 163-245): "Macedonia […] never again enjoyed Roman Trust" (S. 243).

Unter den geänderten Bedingungen – Errington formuliert: "the post-Pydna world" (S. 261) – konnte es keine Zweifel mehr geben, dass nur die Gunst Roms Aussicht auf Erfolge jeglicher Art bot. Nichts demonstriert dies eindrücklicher als die Abfolge von Testamenten, in denen hellenistische Monarchen die Republik Rom zum Erben ihrer Herrschaft machten, unabhängig davon, ob es zum Erbfall kam (133 v.Chr. Tod des Attalos III. von Pergamon; 74 v.Chr. Nikomedes IV. von Bithynia) oder nicht (um 155 v.Chr. Ptolemaios VIII.). Rom war die dominierende Größe geworden; die hellenistischen Könige verstanden und verhielten sich seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. vielfach demonstrativ wie Klientelkönige. Mit dem Freitod Kleopatras VII. und der Provinzialisierung Ägyptens durch Octavian endete die Ära der hellenistischen Monarchien, deren Stern seit fast zwei Jahrhunderten im Sinken begriffen gewesen war.

Aus den Quellen geschrieben, gut gegliedert, präzise erzählt und damit sehr zugänglich; auf aktuellem Forschungsstand, aber ohne Anmerkungen – Errington hat mit dem hier zu besprechenden Band eine nützliche Darstellung des Hellenismus abgeliefert, die sich erkennbar an '(under)graduate students' richtet und es verdient hat, die Studenten auch zu erreichen.

Zurück zur einleitenden Bemerkung über den nur vermeintlich klassisch politikgeschichtlichen Zugang. Errington legt dar, dass die Politikgeschichte der Hintergrund sei, vor dem sich "the economic, social, cultural, and religious developments" (S. 8) vollzogen haben. Zunächst einmal kann man mit guten Gründen ebenso das genaue Gegenteil behaupten und betonen, dass wirtschaftliche, soziale, kulturelle und religiöse Entwicklungen den 'eigentlich' politischen Spielraum der hellenistischen Könige definierten, die Kulturgeschichte also den Hintergrund bildete, vor dem sich Politikgeschichte abspielte. Vor allem aber entgeht Errington dem Vorwurf, die Kulturgeschichte auszublenden, indem er en passant meist von einem Beispiel ausgehend eben doch Fragestellungen der Kulturgeschichte bemüht bzw. Erhellendes dazu zu sagen hat: Er bespricht auf etwa anderthalb Seiten die kultische Verehrung der Attaliden (S. 231f.). Verstorbene Angehörige der Dynastie erhielten in Assoziation mit Göttern kultische Ehrungen, so wurde Apollonia gemeinsam mit Aphrodite verehrt. Die Loyalitätsbekundungen zugunsten der lebenden Attaliden galten dagegen nicht nur Eumenes II. Soter und seiner Gattin Stratonike, sondern auch seinen drei Brüdern Attalos (II. Philadelphos), Philhetairos und Athenaios. Die Attaliden blieben damit älteren Traditionen treu, indem sie göttliche Verehrung zu Lebzeiten vermieden, und strebten zugleich eine Stabilisierung der Herrschaft ihrer Familie an, indem auch 'Nebenlinien' am Prestige beteiligt wurden. Den impliziten Gegensatz hierzu bildeten die Ptolemäer, die versuchten, durch Geschwisterehen mögliche Nebenlinien erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Das ist natürlich keine definitive Analyse sämtlichen hellenistischen Herrscherkultes, doch es werden hier wie an anderen Stellen kulturwissenschaftliche Methoden und Fragestellungen souverän integriert und in den Dienst der Politikgeschichte gestellt. Insofern bietet Erringtons Buch vielfältige Anknüpfungspunkte und eignet sich umso mehr als Einführung in die Epoche.

Anmerkungen:
1 Gerade im Kontext der jüngsten Veröffentlichungen zum Hellenismus, vgl. nur die zwei unlängst hier von Marietta Horster und Eike Faber besprochenen Titel: Volker Grieb, Hellenistische Demokratie. Politische Organisation und Struktur in freien griechischen Poleis nach Alexander dem Großen. Stuttgart 2008. In: H-Soz-u-Kult, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-3-179> (19.09.2008) und Gregor Weber (Hrsg.), Kulturgeschichte des Hellenismus. Von Alexander dem Großen bis Kleopatra. Stuttgart 2007. In: H-Soz-u-Kult, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-3-166> (16.09.2008).
2 Das komplette Zitat (S. 8-9) erklärt Erringtons Ansatz als Kritik an der Unschärfe von Droysens Epochenbegriff. Die wesentliche Konstituente dieses Begriffs, der "Greco-Jewish syncretism" (S. 8), spielt für die längste Zeit und den größeren Teil des erfassten Raumes eine lediglich marginale Rolle. Dem setzt Errington als Arbeitsbegriff die "Macedonian Centuries" entgegen, da eben die makedonische kulturelle Identität der Diadochen die Spezifik der 300 Jahre zwischen dem Tod Alexanders des Großen und der Provinzialisierung Ägyptens durch Octavian ausmache.
3 Im Gegensatz zu den guten Zeittafeln fällt das Fehlen von Stammtafeln besonders auf. Das Kartenmaterial ist in Ordnung, die Abbildungen eher uninspiriert – ausschließlich Portraitbüsten und Münzbilder der Herrscher. Diese Kritikpunkte dürften dem Verlag anzulasten sein. Positiv sind dagegen wieder die Herrschertabellen im Anhang, die unter anderem englische Übersetzungen der Herrscherbeinamen enthalten.

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