Titel
Hollywood Be Thy Name. African American Religion in American Film, 1929-1949


Autor(en)
Weisenfeld, Judith
Erschienen
Anzahl Seiten
341 S.
Preis
$24.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Uta Fenske, Sonderforschungsbereich Kriegserfahrungen, Universität Tübingen

Mit Hollywood Be Thy Name hat Judith Weisenfeld eine kulturhistorische Studie vorgelegt, die es sich zur Aufgabe macht, die Darstellung afroamerikanischer Religion im amerikanischen Kino von 1929 bis 1949 zu untersuchen. Damit erschließt sich die Autorin ein äußerst interessantes und wenig bearbeitetes Forschungsfeld. Die demographischen Veränderungen, die Urbanisierung und die in den urbanen Zentren entstandene, als Harlem Renaissance bekannte intellektuell-künstlerische Bewegung erschufen in den 1920er-Jahren die Rahmenbedingungen für ein breites Interesse an afroamerikanische Themen. Schwarze und weiße Filmemacher wandten sich vorzugsweise afroamerikanischer Religiosität zu, da die Einführung des Tonfilms Ende der 1920er-Jahre neue Möglichkeiten bot, die Musikalität der Gottesdienste darzustellen. Darüber hinaus spielten religiöse Institutionen in den 1930er- und 1940er-Jahren in afroamerikanischen Gemeinschaften eine wichtige Rolle. Die Frage, inwieweit sie sich dem populären Medium Film zuwenden sollten, sei es produzierend, sei es rezipierend, wurde innerhalb wie außerhalb der Kirchen intensiv diskutiert.

Die Forschung zur filmischen Inszenierung von Schwarzen sowie zu afroamerikanischen Schauspieler/innen ist in den USA äußerst lebendig.1 Ebenso existieren aus den Religions- wie auch aus den Filmwissenschaften Arbeiten zum Themenkomplex ‚Religion und Film‘. Diese konzentrieren sich jedoch zumeist auf den biblischen Stummfilm oder auf die biblischen Epen der 1950er-Jahre. Weisenfelds Verdienst ist es nun, Religions- und Filmgeschichte mit den Afro-American Studies zusammenzuführen.

Davon ausgehend, dass der Film als ein wichtiges Mittel der diskursiven Produktion afroamerikanischer Identität aufgefasst werden muss, ist es das zentrale Anliegen der Autorin, die tief greifenden Verbindungslinien zwischen den jeweils existierenden Vorstellungen und Repräsentationen von Religion und der filmischen Inszenierung von Schwarzen aufzuzeigen. Dabei konzentriert sie sich auf die christlichen Kirchen und es gelingt ihr überzeugend darzulegen, dass die filmische Kopplung einer bestimmten, den Schwarzen zugeschriebenen Form von Religiosität an eine unveränderbare afroamerikanische Identität einerseits zur Naturalisierung ‚rassischer‘ Kategorien beigetragen hat und gleichzeitig die Grenzen afroamerikanischer Religion bestimmt hat (S. 4).

Die Religionswissenschaftlerin Weisenfeld betrachtet in ihrer Studie zwei Untersuchungsstränge. In insgesamt sechs Kapiteln analysiert sie sowohl von weißen Regisseuren in Hollywood gedrehte Filme als auch von unabhängig arbeitenden schwarzen Filmemachern produzierte Filme. Diese Auswahl öffnet den Blick auf die Wechselwirkung zwischen weißen und schwarzen Realitätskonstrukten und auf die daraus resultierenden Diskussionen über afroamerikanische Religiosität. Methodisch wählt Weisenfeld einen Ansatz, der unterschiedliche Ebenen miteinander verknüpft. Sie untersucht die Begründungs- und Produktionszusammenhänge der Filme. Daran anschließend führt sie Close Readings einzelner Filme durch, die die narrative Struktur genauso wie die Filmästhetik berücksichtigen. Abgerundet werden die Analysen durch Untersuchungen zur Rezeption und Bedeutungsgeschichte. Mit diesem Zugang, der Methoden aus der Geschichtswissenschaft mit Methoden aus der Filmwissenschaft kombiniert, gelingt es ihr, das Feld aufzufächern, in welchem die Diskurse über afroamerikanische Religion verhandelt wurden.

In den Kapiteln eins und zwei untersucht sie die Hollywood Produktionen HALLELUJAH (1929) und THE GREEN PASTURES (1936). HALLELUJAH war der erste mit einer ausschließlich schwarzen Besetzung gedrehte Film – allerdings unter weißer Ägide; GREEN PASTURES folgte dieser Machart. Beide Filme entwerfen ein Bild schwarzer Religiosität, welche von theologischen Inhalten vollkommen losgelöst ist. Inszeniert wird stattdessen Emotionalität, Infantilität und Hypersexualität der Afroamerikaner. Insbesondere der von King Vidor gedrehte Film HALLELUJAH, der im ländlichen Süden angesiedelt ist, verknüpft Religionsausübung und Sexualität in eindeutiger Weise. Zentrales filmisches Mittel dafür ist der Einsatz von Spirituals. Weisenfeld sieht den Film in seiner Darstellung afroamerikanischer Religion und der Charakterisierung von Schwarzen als sorgenfreie, moralisch unverantwortliche und apolitische einfache Menschen als Archetyp für die nachfolgende Stereotypisierung an (S. 50). Afroamerikanische Religiosität fungiert hier als Zeichen für Rückständigkeit.

Die Kapitel drei und vier konzentrieren sich auf Filme, die explizit für ein schwarzes Publikum produziert wurden, in den USA als black audience oder race movies bekannt. Im Mittelpunkt des dritten Kapitels stehen Filme des afroamerikanischen Regisseurs Spencer Williams, die mit explizit christlicher Botschaft gedreht worden sind wie THE BLOOD OF JESUS (1941) oder GO DOWN DEATH (1944). Williams zentrales Interesse galt den Versuchungen des Individuums. So bilden in GO DOWN DEATH ein Nachtclubbesitzer und ein Pfarrer die Pole, anhand derer die Auseinandersetzung um ein ‚nachahmenswertes‘ Leben vorgeführt wird. Damit ist ein zentrales Thema der religiösen black audience-Filme angesprochen: Die Gefährdung des christlichen Glaubens durch die Möglichkeiten urbaner Freizeitgestaltung. Weisenfeld kann hier plausibel darlegen, dass die für ein afroamerikanisches Publikum gemachten Filme, im Gegensatz zu den Hollywoodproduktionen, tatsächliche Anliegen dieser Gemeinschaft verhandelten. Dies gilt auch für die im nachfolgenden Kapitel behandelten Genrefilme, die gänzlich ohne religiöse Absichten gedreht wurden. Auch sie behandeln den Stadt-Land-Konflikt. Parallel dazu thematisieren sie aber auch Machtkämpfe zwischen korrupten und modernen afroamerikanischen Denominationen bzw. die darüber hinaus gehende Frage nach religiöser und politischer Führung der afroamerikanischen Gemeinschaft. Mit anderen Worten, ein Thema, das die in den 1940er-Jahren gedrehten race movies durchzog, war die Rolle der Religion im größeren gesellschaftlichen afroamerikanischen Rahmen (S. 158).

Die beiden abschließenden Kapitel widmen sich der Frage, wie afroamerikanische Religiosität im Kontext des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit verhandelt wird. Die Notwendigkeit, die afroamerikanische Bevölkerung für die Kriegsanstrengungen zu mobilisieren, brachte den von der Armee produzierten propagandistischen Dokumentarfilm THE NEGO SOLDIER (1944) hervor. In Weisenfelds Interpretation stellt er schwarze Religiosität mit weißem und damit "amerikanischem" Glauben gleich (S. 199) und präsentiert Schwarze demnach als Menschen, die die gleichen Rechte wie Weiße erhalten sollten. Hollywood Spielfilme wie TALES OF MANHATTAN (1942) hingegen blieben der traditionellen Darstellungsweise verhaftet. Im letzten Kapitel beleuchtet Weisenfeld in einer feinen Analyse von LOST BOUNDARIES (1947) den weißen liberalen religiösen Diskurs der Nachkriegszeit. Obwohl in LOST BOUNDARIES die Gleichheit aller mit Hilfe religiöser Argumente propagiert wird, dient Religion parallel dazu, die Grenzen zwischen Weißen und Schwarzen aufrecht zu erhalten. Der Film stellt demnach die Existenz verschiedener "Rassen" nicht in Frage, sondern nimmt diese als natürlich gegeben hin und plädiert lediglich dafür, Schwarze nicht zu stigmatisieren.

Den sechs Analysekapiteln ist eine Einleitung der Autorin vorangestellt, in der sie Anliegen und Aufbau des Buches erläutert. Eines ihrer zentralen Ansinnen ist es, das konkrete historische Umfeld, also Produktions- und Rezeptionszusammenhänge, ins Zentrum ihrer Analysen zu stellen. Dies ist der Autorin auch weitgehend gut gelungen. Etwas kurz kommen hingegen grundsätzliche historische Informationen, um die Bedeutung der Filme besser einschätzen zu können; sei es zur Segregation oder zum Stellenwert religiöser Filme auf dem Filmmarkt. So erfährt man zum Beispiel erst im vierten Kapitel, dass die im vorhergehenden Kapitel besprochenen religiösen race movies nur einen kleinen Teil der black audience-Filme ausmachten. Auch bleibt leider die zeitliche Schwerpunktsetzung unklar, denn das Gros der besprochenen Filme stammt aus den 1940er-Jahren. Insbesondere im ersten Teil des Buches kommt es zu Wiederholungen, die den Lesefluss ein wenig einschränken, und es hätte der Orientierung beim Lesen gut getan, wenn die einzelnen ca. 30-40 Seiten umfassenden Kapitel noch einmal untergliedert worden wären. Trotz dieser kleinen Mängel ist das in einer klaren Sprache geschriebene Buch gut lesbar, die 39 Abbildungen steigern die Anschaulichkeit der Darstellung und der Index erleichtert eine gezielte Lektüre. Aufgrund der durchdachten Filmanalysen und der sorgfältigen Recherchen zum Entstehungs- und Rezeptionskontext der Filme kann die materialreiche Studie von Weisenfeld überzeugen und als lesenswerte kulturhistorische Arbeit zur Präsentation afroamerikanischer Religiosität empfohlen werden.

Anmerkung:
1 Vgl. Bruce Chadwick, The Reel Civil War. Mythmaking in American Film. New York 2001; Ed Guerrero, Framing Blackness: The African American Image in Film. Philadelphia 1993; Thomas Cripps, Making Movies Black: The Hollywood Message Movie from World War II to the Civil Rights Era. New York 1993.

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