H. Brandt u.a. (Hrsg.): Rheinbündischer Konstitutionalismus

Titel
Rheinbündischer Konstitutionalismus.


Herausgeber
Brandt, Hartwig; Grothe, Ewald
Reihe
Rechtshistorische Reihe 350
Erschienen
Frankfurt am Main 2007: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
149 S.
Preis
€ 34,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Helmut Stubbe da Luz, Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, Hamburg,

Die von Frankreich herrührenden Einwirkungen auf den soziokulturellen Wandel im politisch zersplitterten Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann an Bedeutung kaum überschätzt werden. In mehreren Wellen sind sie erfolgt. Ein entsprechendes Bewusstsein bei Zeitgenossen kam unter anderem dadurch zum Ausdruck, dass politische Reformen oft als frankogen verstanden, von deutschnational orientierten Konservativen mit einschlägigem Feindbild verschrien wurden. Aus unserer Sicht heute überwiegen in überwältigendem Maße die Vorteile, so sehr, dass manche der Begleitumstände jener Einwirkungen geradezu vergessen werden. „Moderne“ Verfassungen haben jedenfalls erstmals in der Rheinbundzeit in Deutschland Verbreitung gefunden. Gewiss geschah dies unter der Ägide der napoleonischen Militär- und Entwicklungsdiktatur, aber eben weil diese Diktatur bis zur Katastrophe des Russlandfeldzugs nicht gefährdet war, konnten (im weitesten Sinne) liberale Arrangements solange relativ großzügig ausfallen, wie sie nicht oppositionellen Bestrebungen Vorschub zu leisten schienen. Der Vorwurf des Scheinkonstitutionalismus, heute im Rückblick manchmal leichtfertig vorgetragen, hat seine Berechtigung nur in Bezug auf Frankreich selbst, das die Verfassung von 1790 gesehen hatte. Innerhalb Deutschland stellt dieser Vorwurf einen Anachronismus dar, entstanden durch das Anlegen eines Maßstabs späterer Zeiten.

Napoleon kam es mehr und mehr darauf an, im Rahmen des Rheinbundes die von ihm für erforderlich gehaltene militärische Unterstützung zu erlangen; deshalb ist es verdienstvoll, dass die Herausgeber in ihrer Einleitung, ferner Gerhard Schuck in seinem Artikel über die Rheinbundakte von 1806, in Erinnerung rufen, dass es zwar zur Redaktion einer Bundesverfassung nicht gekommen sei, dass aber die Rheinbundakte, wiewohl ein zwischenstaatlicher Vertrag, bis zu einem gewissen Grad eben auch – und faute de mieux – als Rheinbund-Grundgesetz gelten dürfe, da sie einige Normen für das Innenleben der Konföderation enthielt.

Der knappe Aufsatz-Sammelband ist offenbar in dem Bestreben vorgelegt, zu der aus Anlass der 200-jährigen Wiederkehr der Daten von Entstehung und erster, noch rasanter Entwicklung des Rheinbundes aktuell (2006-2008) organisierten Erinnerung etwas beizutragen. Er bietet den Vorteil, in übersichtlicher Form Rheinbundakte und – exemplarisch – ein halbes Dutzend Verfassungen von Rheinbund-Mitgliedsstaaten zu skizzieren. Während zum Stand der Kenntnisse über Westphalen und Bayern hier nichts Neues geboten werden konnte, ist die Berücksichtigung von vier kleineren Staatswesen zu begrüßen. Es werden die Verfassungen des Fürstentums Reuß (ältere Linie), des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach und des Herzogtums Anhalt-Köthen behandelt und schließlich noch die Frankfurter Stadt(staats)verfassungen.

Vielleicht ist es nicht zu kleinlich, darauf hinzuweisen, dass Ende 1808 der Rheinbund mitnichten außer Preußen und Österreich, Schwedisch-Pommern und (Dänisch-) Holstein „alle deutschen Staaten“ umfasste. Die drei Hansestädte, ehemalige Reichsstände, Stadtstaatswesen wie Frankfurt am Main, haben es dann Ende 1809 abgelehnt, Beitrittsverhandlungen durch einen Napoleon genehmen Beschluß zu Ende zu bringen; unter anderem auch deshalb sind sie Ende 1810 im Rahmen der Hanseatischen Departements annektiert worden; im übrigen gab es bis 1810 noch weitere Pays réserves, darunter vor allem das Westphalen im Frühjahr 1810 angegliederte Resthannover inklusive Lauenburgs.

Möglicherweise ist der Titel des Bandes, „Rheinbündischer Konstitutionalismus“, zu prätentiös ausgefallen und hätte zumindest einen einschränkenden Untertitel vertragen können, der die Vorstellung, es handele sich hier um ein umfassendes Kompendium, erst gar nicht aufkommen ließe. Literaturangaben finden sich sowohl am Schluss der einzelnen Beiträge als dann auch noch einmal (also doppelt) am Schluss des gesamten Bandes. Dessen Handhabbarkeit wird durch ein Personen- und Sachregister gesteigert.

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