Titel
Mannsbilder. Eine geschlechterhistorische Betrachtung von Hollywoodfilmen, 1946-1960


Autor(en)
Fenske, Uta
Anzahl Seiten
348 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Haak, Erfurt

„What can you do when you have to be a man?“, will Jim, gespielt von James Dean, in “Rebel without a Cause” von seinem Vater wissen. Die Antwort bleibt dieser ihm zunächst schuldig. Fast einen ganzen Film lang. Uta Fenske nimmt diese Frage zum Ausgangspunkt für ihre Überlegungen, die sie in „Mannsbilder“, ihrer Dissertationsschrift an der Universität zu Köln, nun veröffentlicht hat. Welche verschiedenen Entwürfe von Männlichkeit im Nachkriegsamerika existierten, „welche Bedeutung Mann-Sein in den Jahren 1945 bis 1960 haben konnte“ (S. 11), ist die Themenstellung, die sie das Buch hindurch bearbeitet. Dieser geht sie nach, indem sie Hollywoodfilme als historische Quellen nutzt. Die Publikation ist entlang des Materials, nicht chronologisch, strukturiert.

Studien, die sich mit Konstruktionen von Geschlechtervorstellungen befassen, haben in (auch der deutschen) Geschichtswissenschaft seit Jahren schon Konjunktur.1 Uta Fenske ergänzt diese Literatur nun um eine weitere Monographie, legt dabei einen methodischen Fokus auf die Filmanalyse und wagt sich so auf ein Feld, das gemessen an seinen Möglichkeiten in Deutschland noch unterrepräsentiert ist. Filme werden hierzulande – anders als in den USA – noch immer nicht von allen als vollwertige Quellen anerkannt.

Dementsprechend beginnt Fenske ihre Darstellung mit einem umfangreichen Kapitel zu Filmen beziehungsweise zur Analyse von bewegten Bildern, ehe sie knapp 20 Hollywoodstreifen aus der Zeit zwischen 1945 und 1960 nach männlichen Geschlechterentwürfen befragt. Freilich fehlt in diesem Rahmen auch eine ausführliche Betrachtung von „gender“ als historischer Analysekategorie nicht.

Im ersten Teil kann Fenske trefflich zeigen, dass „Filme [...], genau wie andere ‚Kunstwerke’ historische Quellen [sind – SH] und es gilt, sie mit jenen ‚sozialen Energien’ aufzuladen, die ihnen in ihrer Entstehungszeit zu eigen waren“ (S. 30). „Das heißt, Filme gewähren dadurch Einblicke in die Diskurse ihrer Zeit, in die Wünsche, Hoffnungen und Sorgen der Menschen“. (S. 34) Die intensive Besprechung von „gender“ (vgl. S. 35-64) dagegen dürfte vorwiegend für Kenner der Materie eine Zusammenfassung bieten; wenig(er) Belesene auf diesem Gebiet verlieren sich leicht im Überblick über den Theoriedschungel.

Im Folgenden bespricht Fenske Filme wie “The Foutainhead” (1949), “The Sands of Iwo Jima” (1949), “The Man in the Gray Flannel Suit” (1956), “The Magnificent Seven” (1960), “Cat on a Hot Tin Roof” (1958), “The Wild One” (1953), “Backboard Jungle” (1955), “My Dear Secretary” (1948) oder “An Affair to Remember” (1957). Sie arbeitet dabei heraus, wie sehr diese Filme sich zwar einerseits mit den beiden als Idealtypen gedachten (und zu verstehenden) Entwürfen von Männlichkeit im Sinne von „harten Kerlen“ und „Versorgern und Ernährern“ auseinandersetzen, diese aber auch beständig angriffen und Alternativen boten (aber so auch die Idealtypen bestärken). Nach Fenske hat es also nicht nur die „‚harten’, kämpferischen“ und die „weichen, vorsorgenden“ (S. 172, vgl. auch S. 187f.) Männlichkeitstypen – als „Antworten auf den Krieg“ – gegeben, sondern noch viele andere Entwürfe dazwischen und außerhalb dieser Zuschreibungen. Damit macht Fenske deutlich, wie sehr die auch in der Forschung in den letzten Jahren aufgearbeiteten Idealtypen nur zwei Entwürfe von Männlichkeit unter vielen waren. Dass die „harten“ und „versorgenden“ Männer als dominante Vorstellungen große Anziehungskraft in den USA der Nachkriegszeit hatten, bestreitet sie ausdrücklich nicht (vgl. S. 152f., S. 172f., S. 183-185, S. 187f.). Fenske erweitert also die vorhandenen Interpretationen zu Männlichkeit, ohne alles Bisherige für ungültig zu erklären.

In einem letzten, „Ausreißversuche“ überschriebenen, Kapitel spürt sie den alternativen Modellen ausdrücklich nach. Sie beschreibt beispielsweise die in „The Cat on a Hot Tin Roof“ dargestellten Männlichkeiten als solche, die die Schwierigkeiten der Männer mit den dominanten Rollenzuschreibungen zum Ausdruck brächten (vgl. S. 198-202). Filme über Jugenddelinquenz wie „The Wild One“ stellten auf der anderen Seite „den Kontrapunkt zu jener leidenden Männlichkeit“ dar (S. 212), argumentiert sie. Uta Fenske stützt sich dabei – wie in der ganzen Analyse – nicht nur auf ihre eigenen Interpretationen mit dem Blick zurück, sondern ist stets bemüht, die Filme im Licht zeitgenössischer Diskussionen zu lesen. Dies gelingt ihr mit unterschiedlicher Stringenz und wird durch ihre eigenen Formulierungen immer wieder unterlaufen. Wenn sie davon spricht, die Logik eines Films sei „nicht überzeugend“ (S. 243) oder die Lösung „unbefriedigend“ (S. 237), wird nicht immer klar, ob das ihre eigene Sicht auf die Handlung ist oder ob Zeitgenossen derartige Kritik an den Werken formulierten.

Man wird nicht jede Interpretation Uta Fenskes bezüglich der Mannsbilder teilen müssen; das trifft vor allem auf manche Szenen und „Objekte“ zu, die sie als phallisch aufgeladen identifiziert. Die Schwächen des Buches liegen aber eher auf einer anderen als der inhaltlichen Ebene – der formalen: Die vielen langen Fußnoten stören den Lesefluss, zumal sich dort zu viele für das Verständnis des Haupttextes relevante Informationen finden. Zusätzlich macht die Veröffentlichung einen oberflächlich redigierten und lektorierten Eindruck – sogar ein vollständiger Absatz wurde zweimal hintereinander gedruckt (vgl. S. 261f.).

Zurück zu Jims Ausgangsfrage: Was muss ein Mann tun, um ein Mann zu sein? Sein Vater gibt ihm darauf fast bis zum Schluss keine Antwort. Erst als Jim am Ende des Films zusammengekauert am Boden liegt, fordert sein Vater ihn auf, sich zu erheben und bietet ihm seine Hilfe und Führung bei der Suche nach der „wahren“ Männlichkeit an: „Now, Jim, stand up. I’ll stand up with you. I’ll try and be as strong as you want me to be.“ Ähnlich hält es auch Fenske in ihrem Buch. Wie nun die „echte“ Männlichkeit in den 1950er-Jahren aussah, darauf gibt sie auf all den Seiten keine eindeutige Antwort – ganz im Sinne ihrer These und wohl ganz dicht dran an der historischen Komplexität. Und so bleibt der Leser am Ende mit der Erkenntnis zurück, dass die Idee von einem einzigen dominanten Männlichkeitsentwurf in den USA in der Nachkriegszeit der Vergangenheit angehören sollte. Das große Verdienst von Fenskes „Mannsbildern“ bleibt darüber hinaus, die methodische Diskussion um den Gebrauch von Filmen in der Geschichtswissenschaft in ein neues Scheinwerferlicht gerückt zu haben.

Anmerkung:
1 Beispielhaft aus der US-amerikanischen und der deutschen Historiographie: James Burkhart Gilbert, Men in the Middle: Searching for Masculinity in the 1950s, Chicago 2005; Jürgen Martschukat; Olaf Stieglitz: „Es ist ein Junge!“ Einführung in die Geschichte der Männlichkeiten in der Neuzeit, Tübingen 2005.

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