H. Kirchhoff u.a. (Hrsg.): Das magische Dreieck

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Titel
Das magische Dreieck. Die Museumsausstellung als Zusammenspiel von Kuratoren, Museumspädagogen und Gestaltern


Herausgeber
Kirchhoff, Heike; Schmidt, Martin
Reihe
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement
Anzahl Seiten
172 S.
Preis
€ 18,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Fabian Schwanzar, Münster

Schon seit einiger Zeit müssen sich die Museen mit den Folgen einer sich wandelnden öffentlichen Außenwirkung beschäftigen. Dass dieser Diskurs inzwischen bei der Institution angekommen ist, dafür legt die Ausrichtung der diesjährigen Tagung des Deutschen Museumsbundes zum Thema „Museen in der Informationsgesellschaft“ Zeugnis ab. Demgemäß liefert auch ein Sammelband, der sich mit den Erwartungshaltungen an das und der Zusammenarbeit im Museum auseinandersetzt einen Beitrag zur aktuellen Debatte der Rolle und Legitimation des Museums im 21. Jahrhundert. Zum Thema der Ausstellungspraxis hat insbesondere Gottfried Korff einige grundlegende Texte veröffentlicht.1 Der zu besprechende Band verfolgt aber einen durchaus neuen Ansatz: Das Medium Ausstellung im Spannungsverhältnis zwischen Museumsarbeit und Besucherorientierung steht im Mittelpunkt der Aufsätze, deren konzeptionelle Spannweite von theoretischen Abhandlungen bis hin zu essayistischen Werkstattberichten reicht. Entstanden sind die Beiträge im Rahmen der Veranstaltung „Das magische Dreieck. Zum Verhältnis von Kuratierung, Museumspädagogik und Gestaltung“, die im November/Dezember 2005 in Bensberg stattfand. Der Sammelband gliedert sich im Ganzen in vier Teile, einem ersten allgemeinen Abschnitt folgen jeweils drei Beiträge aus der Perspektive von Kuration, der Museumspädagogik und der Gestaltung.

In der Einführung vermisst Martin Schmidt eine Reflexion über die Wandlungen der Ausstellungspräsentation in den Museen während der letzten Jahrzehnte. Für eine konstruktive Zusammenarbeit in der heutigen Museumsarbeit fordert er von den museum professionals eine stärkere Bereitschaft zum Dialog und konstatiert einen „dringende[n] Bedarf an Reflexion“ (S. 17). Im ersten Aufsatz des Bandes geht Heiner Treinen der „Frage nach dem ‚Sinn’ des Museumswesens für die Öffentlichkeit“ (S. 29) nach. Treinen kritisiert eine „funktionale Bestimmung des Museumswesens“ (S. 38) und betrachtet den Museumsbesuch als nicht instrumentell verwertbar für das Publikum. Nach Christine Bäumler befinden sich die Museen gegenwärtig in einer Umorientierungsphase, die zwangsläufig auch zu Korrekturen im Verhältnis zwischen Bildung und Unterhaltung führen müssten. Mit dem additiven Unterhaltungsbegriff verweist sie auf die Chancen einer Einbindung unterhaltender Elemente in der musealen Praxis, wodurch dem Publikum neue Sehangebote angeboten würden. Angelika Ruge-Schatz weist in ihrem knappen Beitrag zu Recht darauf hin, dass die Museumsarbeit der Nachkriegsjahre ein noch aufzuarbeitendes Forschungsdesiderat darstellt. Hätten die 1960er-Jahre das Museum als Lernort entdeckt, so habe nach Ruge-Schatz in den 1970er-Jahren der viel beschworene Museumsboom eingesetzt, dessen Konsequenzen sich erst allmählich abzeichnen.

Im zweiten Hauptteil zur Kuration lehnt Susanne Wernsing die von Bäumler geprägte Formel der ‚unterhaltsamen Bildung’ ab und erklärt, dass sich die Museen vielmehr am bedeutungsoffenen ironischen Museum orientieren sollten.2 Zu einem ähnlichen Schluss kommt Dietmar Osses, für den Emotionen und Erlebnisse im Museum im Dienst der Erkenntnis stehen. Einen anderen Zugang zum Thema findet Gefion Apel, die aus der Perspektive der Ausstellungsmacherin Projekte des Westfälischen Freilichtmuseums Detmold beleuchtet. Das ‚Haus zum Anfassen’ soll die Besucher in eine aktive Rolle versetzen, im ‚Haus der Gefühle’ kann das Publikum die Lebensformen der früheren Bewohner selbständig entdecken. Die Ausführungen zu neuen Vermittlungskonzepten des Freilichtmuseums überzeugen insbesondere durch ihre Anschaulichkeit und Offenheit.

Im dritten Teilabschnitt beleuchten Nicole Gesché-Koning, Hannelore Kunz-Ott und Folker Metzger die Position der Museumspädagogik und bedienen sich dabei mehrfach des Werkstattberichts. Alle drei Beiträge zielen dabei auf eine stärkere Integration der Museumspädagogen in den Ausstellungsprozess ab und verweisen auf eine strukturelle Benachteiligung dieses Berufszweigs. Aus der Sicht von Gesché-Koning sollte das Ziel des ‚magischen Dreiecks’ darin liegen, gemeinsam mit dem Museumspublikum Antworten auf die Objektvielfalt im Museum zu finden, um damit deren Museumsbesuch anregender zu machen. Am Beispiel des Dialogmuseums in Louvain-la Neuve (Belgien) verdeutlicht sie die Vorzüge eines konzeptionell offen gestalteten Ausstellungsraumes und einer ungezwungenen Anordnung von Exponaten ohne Zeit- und Weltgrenze. Dieses Beispiel scheint bislang in den wenigsten deutschen Museen Schule gemacht zu haben. Kunz-Ott führt in einem Exkurs die Bedeutung der Lesbarkeit und des günstigen Anbringungsorts von Texttafeln im Museum vor Augen – ein Thema über das bereits viel geschrieben wurde, das jedoch immer noch aktuell ist, wie die Abbildungen veranschaulichen. Lehrreich für die Museumspraxis ist auch ein idealtypisches Schaubild der „Arbeitsschritte bei der Realisierung einer Ausstellung“ (S. 120).

Im letzten Teil des Sammelbandes setzen sich die Gestalter weniger theoriebeladen mit dem Medium Ausstellung auseinander. Mehr als in den anderen Beiträgen regen sie zu einer Auseinandersetzung über „die ’gute’ Ausstellung“ (S. 147) an. Damit greifen sie ein sensibles Thema auf, hat sich doch bislang noch keine objektive Ausstellungskritik herauskristallisiert. Man gewinnt den Eindruck, dass es den Museumsgestaltern vorwiegend um das Verhältnis zwischen Kuratierung und Gestaltung geht, wohingegen die Pädagogik eher außen vor bleibt. Nach Ansicht von Jörg Werner sind es gerade nicht die Unterhaltungselemente, die das Publikum ins Museum locken. Zudem weist Werner eine besondere Nähe der Gestalter zur Unterhaltung vehement zurück und sieht deren Kernaufgabe in einer transformatorischen Leistung, die das Medium Ausstellung für den Besucher erst begehbar mache. Hans R. Woodtli zeigt in seinem Beitrag über die Demokratisierung kreativer Prozesse, dass im Museum besonders die Besucher unter einer unzureichenden Zusammenarbeit der Mitarbeiter leiden. Von allen Beiträgern greift er am schärfsten das Selbstverständnis vieler Museen an und kritisiert die hierarchische Rollenverteilung und die mangelhafte Kommunikation.

Auf eine abschließende Bewertung oder ein Resümee der Beiträge haben die Herausgeber verzichtet. Der Band gleicht eher einem Werkstattbericht, denn einem fundierten Handbuch. Darin liegt gleichzeitig die Stärke der Beiträge, die einen großen Spielraum für zukünftige Debatten zum ‚magischen Dreieck’ umrissen haben. Die internationale Perspektive, die in einigen Beiträgen durchschimmert, hätte allerdings noch konsequenter verfolgt werden können – hier sollten zukünftige Monographien und Sammelbände anknüpfen.

Der Band sei allen anempfohlen, die sich differenziert mit der zeitgenössischen Museumsarbeit in Theorie und Praxis auseinandersetzen möchten. Die Texte können zugleich Denkanstoß und Anreiz sein, um sich im Museum stärker selbstreflexiv der Sprache des Ausstellens zu widmen. Zu wünschen bleibt, dass sich die Fronten zwischen den Mitarbeitern im „Kriegsschauplatz“ (S. 62) Museum nicht weiter verhärten. Der Sammelband leistet zweifelsohne einen wichtigen Beitrag zur Konfliktvermeidung und zum Teamwork im Museum.

Anmerkungen:
1 Korff, Gottfried, Museumsdinge. Deponieren – exponieren, 2. Auflage Köln 2007.
2 Vgl. den grundlegenden Text von Bann, Stephen, Das ironische Museum, in: Rüsen, Jörn u.a. (Hrsg.), Geschichte sehen. Beiträge zur Ästhetik historischer Museen, Pfaffenweiler 1988, S. 63-68.

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