E. Herrmann-Otto: Konstantin der Große

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Titel
Konstantin der Große.


Autor(en)
Herrmann-Otto, Elisabeth
Reihe
Gestalten der Antike
Erschienen
Darmstadt 2007: Primus Verlag
Anzahl Seiten
264 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Historisches Institut, Universität Bern

Im Jahr 2007 fand die große Konstantin-Ausstellung in Trier statt. Passenderweise erschien im selben Jahr in der Reihe „Gestalten der Antike“ eine neue Biographie des Kaisers, der sich in der Forschung großer Beliebtheit erfreut: Neben dem opulent ausgestatteten, von Alexander Demandt und Josef Engemann herausgegebenen Katalog zur Trierer Ausstellung sind in den letzten Jahren zahlreiche Monographien erschienen.1 Eingangs betont Elisabeth Herrmann-Otto die Schwierigkeiten, sich der Persönlichkeit Konstantins angesichts der (bewusst erstrebten?) Mehrdeutigkeit vieler Entscheidungen des Herrschers zu nähern (S. 9–12). Da ist ferner die häufig gestellte Frage nach der „Ernsthaftigkeit“ seines Glaubensbekenntnisses und der Politisierung der christlichen Religion durch den Kaiser. Herrmann-Otto versucht angesichts dieser Schwierigkeiten, vor allem das soziale und politische Umfeld zu beleuchten, in dem Konstantin agierte.

Originell leitet der Prolog (S. 13–15) in die Monographie ein, indem er als Ausgangspunkt die zwei Begräbniszeremonien für Konstantin 337 wählt: Die Beisetzung war einerseits von einer nach römischem Ritus vollzogenen Konsekration des verstorbenen Kaisers bestimmt. An diesen „heidnischen“ Leichenzug schloss sich eine christliche Trauerfeier an. Die religiöse Ambivalenz wird dem Leser so anschaulich vor Augen geführt.

Das erste Kapitel ist dem „Usurpator“ Konstantin gewidmet (S. 17–36), mit dessen Erhebung durch die Soldaten in York 306 n.Chr. die tetrarchische Ordnung ins Wanken geriet. Konstantin betonte das dynastische Element, indem er sich auf seinen Vater Constantius I. Chlorus berief und Claudius II. Gothicus zu seinem Ahnherrn erklärte. Damit einher ging die Verehrung des Sonnengottes Sol, dessen Sieghaftigkeit (Sol Invictus) für Konstantin wichtig war.

Das zweite Kapitel („Der Befreier Roms“, S. 37–57) befasst sich mit der Auseinandersetzung zwischen Konstantin und Maxentius. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach der „Konstantinischen Wende“. Der sorgfältige Überblick über die Forschungsmeinungen (S. 42–48) und die antiken Zeugnisse (S. 48–57) führt zu folgendem Ergebnis: „Der Gang der bisherigen Konstantinforschung ist kein gradliniger, sondern ein mäandrierender: Einmal steht mehr der Machtmensch und Politiker, einmal der Gott Suchende und aus einem religiösen Sendungsbewusstsein heraus Handelnde im Vordergrund“ (S. 47). Herrmann-Otto gibt dabei den Auffassungen Vorzug, die grundsätzlich den Bekehrungsbegriff infrage stellen (Kraft) und auf die besonderen Eigenarten spätantiker Religiosität verweisen, die sich nicht mit heutigen Maßstäben messen lasse (Wallraff).2 Zu Recht verweist sie darauf, dass aus dem Schweigen der Quellen über ein Opfer Konstantins auf dem Kapitol nach dem Einzug in Rom keine Schlussfolgerungen abgeleitet werden könnten: Entweder war dieses Opfer nicht mehr üblich oder so sehr die Regel, dass es nicht eigens erwähnt werden musste. Die zeitgenössischen Zeugnisse spiegeln die Ambivalenz wider: Der Panegyricus von 313 verdeutlicht die Unsicherheit des anonymen Lobredners, welche Gottheit denn nun Konstantin eigentlich bei seinem Sieg geholfen habe. Der Konstantinsbogen verwendete solare Symbole und zeigt Konstantin oder seinen Vater Constantius I. beim Opfer vor Apollon. Die Vision Konstantins wird auch von Herrmann-Otto auf ein Halophänomen zurückgeführt 3, jedoch auf den Besuch eines Apollon-Heiligtums in Gallien 310 datiert. Erst nach 312 habe sich für den Kaiser diese Vision zunehmend mit dem Christengott verbunden. Nach dem Sieg über Licinius 324 schließlich sei der Sonnengott nach und nach verschwunden. Letztlich hätten die solaren Elemente und das christliche Bekenntnis für Konstantin keinen Widerspruch dargestellt.

Das dritte Kapitel („Der Pontifex Maximus“, S. 59–93) blendet zunächst zurück auf die Religionsgeschichte des 3. Jahrhunderts und die Christenverfolgungen Diokletians. Der Vergleich mit dem Manichäerreskript erlaubt Rückschlüsse auf die Motive der Christenverfolgungen: Die Exklusivität der Religion, vor allem aber der Vorwurf der Verwirrung und Beunruhigung von Völkern und Städten, die bisher in Frieden gelebt hätten, dürften im Vordergrund gestanden haben. Letztlich scheiterten die Maßnahmen aber am mangelnden Durchsetzungswillen seitens vieler Amtsträger. Die Vereinbarungen von Mailand von 311 – korrekt nicht als „Edikt“ bezeichnet – garantierten schließlich die Gleichberechtigung der Religionen. Ausführlich wird zudem die komplexe Genese des Donatistenstreits nachgezeichnet, den Konstantin beizulegen versuchte, da er in ihm eine Bedrohung des Heils des Reichs sah. Dabei nimmt Herrmann-Otto ein weitgehendes Verständnis Konstantins für die theologischen Aspekte des Konfliktes an, „ging es doch fundamental um unterschiedliche Auffassungen von Heiligkeit und um Divergenzen in der Sakramentenlehre, die weder gerichtlich noch politisch, noch militärisch, sondern nur theologisch zu lösen waren. Das erkannte der Kaiser im Laufe der langwierigen Beschäftigung mit diesem Streit. Sein Einlenken und die Duldung beider Kirchen waren nicht allein bedingt durch den bevorstehenden Konflikt mit Licinius […], sondern durch die Erkenntnis der Andersartigkeit des Konfliktes“ (S. 91). Sicherlich Recht zu geben ist Herrmann-Otto in der Auffassung, dass Konstantins Eingreifen aus der Tradition der römischen Kaiser als Pontifices Maximi zu erklären ist. Skeptisch ist sie bezüglich der Echtheit des viel diskutierten, bei Optat überlieferten kaiserlichen Entlassungsschreibens von Arles (S. 87 u. 93f.).

Das zweite wichtige religiöse Thema ist der Arianismusstreit (S. 118–134). Herrmann-Otto sieht hier dasselbe Handlungsmuster Konstantins wie im Donatistenstreit: In seiner Funktion eines Pontifex Maximus ging der Kaiser davon aus, dass für das Wohlergehen des Staates eine einheitliche Gottesverehrung zumindest unter den Christen notwendig war. Zentrale Quelle für Konstantins Haltung ist für Herrmann-Otto das bei Eusebios von Caesarea überlieferte Schreiben des Kaisers an die Hauptkontrahenten, von dessen Echtheit sie ausgeht. Konstantins Leitung des Konzils von Nikaia dürfte nicht unproblematisch gewesen sein, war er doch nicht getauft. Der Kaiser selbst sah sich wohl als Pontifex Maximus dazu befugt, in den Konflikt einzugreifen, während Eusebios ihn als „allgemeinen Bischof“ oder „Bischof des Äußeren“ bezeichnet, um die Problematik zu verschleiern (S. 133). Im Übrigen fokussiert das vierte Kapitel („Der Alleinherrscher“, S. 95–146) auf die Konflikte zwischen Licinius und Konstantin. Nach Herrmann-Otto provozierte Konstantin systematisch Licinius, indem er beispielsweise den Namen des Mit-Augustus im westlichen Reichsteil von Reichsprägungen und Ehreninschriften ausklammerte. Für Licinius wiederum ist eine zunehmende Distanzierung von den Christen feststellbar, was sich zum Teil daraus erklären mag, dass der Osten noch stärker von innerchristlichen Konflikten geprägt war als der Westen. Am Ende der Auseinandersetzung mit Licinius verschwand der Sonnengott allmählich aus Konstantins Münzprägung. Die Konflikte innerhalb der Familie (S. 135–146) werden von Herrmann-Otto als politisches Komplott gedeutet: Crispus habe sich eine Erhebung zum Augustus des Westens gewünscht, Teile der stadtrömischen Nobilität könnten involviert gewesen sein.

Das letzte Kapitel („Der Gesetzgeber“, S. 147–191) geht ausführlich auf die Verwaltung des Reichs unter Konstantin ein. Im ersten Abschnitt („Die Organisation von Herrschaft und Reich“, S. 147–163) wäre sicherlich eine Binnendifferenzierung der Lesbarkeit zugute gekommen. Die Kernaussagen decken sich mit der derzeitigen gängigen Forschungsmeinung: Die zeitgenössischen Zeugnisse können die Annahme, Konstantinopel sei als christliches Pendant zu Rom gegründet worden, nicht stützen (S. 148f.). Konstantins Verwaltungsreformen bauten auf Diokletians Ansätzen auf. In der Religionspolitik lassen sich keine antiheidnischen Maßnahmen feststellen, wie es auch nicht anders zu erwarten ist angesichts eines mindestens neunzigprozentigen Anteils von Heiden an der Gesamtbevölkerung des Reichs. So wurde der Stadt Hispellum gestattet, für die Gens Flavia einen Tempel mit Priesterschaft und Spielen einzurichten (S. 171). Das bei Eusebios überlieferte Opferverbot weist Herrmann-Otto mit Girardet als anachronistisch zurück (S. 171f.).4 Neu war in der Rechtsprechung vor allem die Brutalität der Strafgesetzgebung (S. 178). Der moralisierende Tonfall vieler Erlasse diente wohl vor allem dazu, fiskalische Interessen zu verschleiern (S. 184). Insgesamt lassen sich in der Gesetzgebung kaum eindeutige christliche Elemente finden (S. 191). Vielmehr diente sie dazu, die bestehende Gesellschaftsordnung zu sichern. Der Epilog (S. 192–200) gibt einen Ausblick auf die Nachfolgeregelung, die Herrmann-Otto dahingehend interpretiert, dass Konstantin nach seinem Tode die tetrarchische Ordnung „auf blutsdynastischer Ebene“ (S. 196) habe wiederbeleben wollen: Constantinus II. und Constantius II. hätten als Augusti in Gallien bzw. im Osten regieren sollen, Constans und Dalmatius als den Caesares wären Italien und Afrika bzw. der Donauraum und Griechenland zugewiesen worden.

Konstantin ist für Herrmann-Otto ein weitgehend konservativer Monarch: Seine Verwaltungspolitik baute auf Diokletians Reformen auf. Die Wende in der Christenpolitik erkläre sich aus dem Scheitern der Verfolgungen: „Ohne das totale Fiasko der Verfolgungen wäre wohl auch Konstantin nicht auf die Politik der Hereinnahme und Integration der Kirche und ihrer Organisation in den Staat verfallen.“ (S. 199) Seine Religionspolitik sei von der traditionellen römischen Auffassung geprägt gewesen, dass der Kaiser als Pontifex Maximus die korrekte Götterverehrung zu garantieren hatte, um zu verhindern, dass der Staat Schaden nehmen würde. Konstantin war mit dieser Auffassung noch fest in der antiken Welt verankert. In der Religionspolitik scheinen sich noch lange christliche Elemente mit denen der Verehrung des Sonnengottes verbunden zu haben: „Auch Christus wird in der christlichen Tradition als Sonne – und zwar als Sonne der Gerechtigkeit – bezeichnet. Konstantin selbst, der noch bis in die Zeit seiner Alleinherrschaft hinein die Münzen mit dem Sonnengott als seinem Begleiter prägen ließ, wird dadurch christusgleich und sonnengleich.“ (S. 197)

Das Werk von Herrmann-Otto überzeugt vor allem in der sorgfältigen Aufarbeitung des reichhaltigen Quellenmaterials und der umfangreichen Sekundärliteratur. Übersichtlich werden Überlieferung und Forschungsdiskussion präsentiert, in den zahlreichen umstrittenen Punkten bezieht die Verfasserin Stellung und erläutert ihre Position sorgfältig und meist nachvollziehbar. Als gut lesbare Einführung in die Forschungsgeschichte um Konstantin ist es sowohl für Fachleute wie auch für weitere Interessierte hervorragend geeignet.

Anmerkungen:
1 Demandt, Alexander; Engemann, Josef (Hrsg.), Konstantin der Große, Mainz 2007; Bleckmann, Bruno, Konstantin der Große, 2. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2003; Brandt, Hartwin, Konstantin der Große, München 2006; Clauss, Manfred, Konstantin der Große und seine Zeit, 3. Aufl., München 2007.
2 Kraft, Heinrich, Einführung, in: ders. (Hrsg.), Konstantin der Große, Darmstadt 1974, S. 1–18, hier S. 4; Wallraff, Martin, Christus Verus Sol. Sonnenverehrung und Christentum in der Spätantike, Münster 2001.
3 Vgl. Weiß, Peter, Die Vision Constantins, in: Bleicken, Jochen (Hrsg.), Colloquium aus Anlass des 80. Geburtstages von Alfred Heuß, Kallmünz 1993, S. 143–169, hier S. 145f. u. S. 160.
4 Girardet, Klaus Martin, Die Konstantinische Wende. Voraussetzungen und geistige Grundlagen der Religionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 2006, S. 128f.

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