: Die Macht der Päpste. . Kevelaer 2007 : Verlagsgemeinschaft Topos plus, ISBN 978-3-7867-8603-0 237 S. € 10,90

: Das Papsttum. Beschreibung einer faszinierenden Institution. Kevelaer 2007 : Verlagsgemeinschaft Topos plus, ISBN 978-3-8367-0641-4 206 S. € 10,90

Monge, Roberto (Hrsg.): Das große Buch der Päpste. Von Petrus bis Benedikt XVI. Aus dem Italienischen von Christiane Landgrebe. München 2007 : Kösel Verlag, ISBN 978-3-466-36760-3 576 S., 260 Abb. € 29,95

Rezensiert für H-Soz-Kult von
René Schlott, Justus-Liebig-Universität Gießen

Der Tod von Papst Johannes Paul II. und die Wahl von Joseph Ratzinger zu seinem Nachfolger im April 2005 haben in der deutschen Gesellschaft ein verstärktes Interesse am Papsttum hervorgerufen und auf dem deutschen Büchermarkt für zahlreiche thematische Neuerscheinungen gesorgt. Dieser „Papst-Euphorie“ (S. 9) ist auch das Buch von Rudolf Lill geschuldet, wie er in der Einleitung selbst einräumt. Unter dem Titel „Die Macht der Päpste“ soll es eine Problematik beleuchten, der nach Meinung Lills in der allgemeinen Papstbegeisterung und medialen Berichterstattung kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Denn: „Nicht selten wird der Eindruck erweckt, dass die Macht der Päpste in ihrem derzeitigen, einer Universalmonarchie nahe kommenden Umfang prinzipiell stets bestanden hätte und darum zum Wesen der katholischen, ja dem Anspruch nach der ganzen christlichen Kirche gehöre. […] Dagegen soll hier nachgezeichnet werden, dass […] der päpstliche Zentralismus erst unter konkreten, inzwischen überholten historischen Bedingungen der beiden letzten Jahrhunderte durchgesetzt worden ist“. (S. 9)

Im Mittelpunkt des chronologisch aufgebauten Buches steht deshalb auch die katholische Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. In acht Kapiteln, ergänzt durch neun Exkurse zu zentralen Begriffen (u.a. „Risorgimento“) und Themen (u.a. „Debatten um Pius XII.) sowie biographische Skizzen der Päpste seit Pius VII., zeichnet Lill die gesamte Geschichte des Papsttums und der Konzilien vom Ende des Großen Abendländischen Schismas bis zum Beginn des Pontifikats Benedikts XVI. nach. Dabei behält er stets inhaltlich konsequent und sprachlich stringent die Fragestellung im Auge, wie der römische Bischof seine Macht über die katholische Kirche begründete, sie ausdehnte und diese in Rom konzentrierte.

Bereits mit der katholischen Reaktion auf die Reformation, der programmatischen Bautätigkeit in der Stadt Rom und am Petersdom in Renaissance und Barock und mit den Türkenkriegen war ein Ausbau des päpstlichen Machtanspruchs verbunden. Auch die Französische Revolution, in deren Folge zwei Päpste zeitweise ins Exil gezwungen wurden, trug mittelbar zur Stärkung des Papsttums bei, da sich die europäische Öffentlichkeit mit den „Dulderpäpsten“ solidarisierte und so das Ansehen der Institution Papsttum stieg. Ihren Höhepunkt erreichte die Entwicklung des päpstlichen Zentralismus in den Pontifikaten Gregors XVI. (1831-1846) und Pius’ IX. (1846-1878). Trotz des Widerstandes außer- und innerkirchlicher Gruppen wurde auf dem Ersten Vatikanischen Konzil im Juli 1870 das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit verabschiedet. Nur zwei Monate später, im September 1870, verlor der Papst die letzten Gebiete seines Kirchenstaates an das Königreich Italien. Doch auch der Verlust seines weltlichen Besitzes stärkte auf lange Sicht das Papsttum, weil es sich nun ganz seinen geistlichen Aufgaben widmen konnte.

Für den Zeitraum von 1878 bis 1958 konstatiert Lill deshalb eine steigende Regierungsmacht der Päpste. So begann Leo XIII. (1878-1903) mit der inflationären Herausgabe von Enzykliken (insgesamt 87 1, nicht nur 46, wie der Autor auf S. 115 angibt), die seitdem wegen ihres lehramtlichen Verlautbarungscharakters als eine Art Regierungsinstrument bezeichnet werden können. Da auch heute noch jede neue Enzyklika meist aus Enzykliken früherer Päpste zitiert, wird somit für eine Fortschreibung der päpstlichen Lehrsätze und für die Etablierung einer neuen bibelunabhängigen, aber päpstlich bestimmten Lehrtradition gesorgt. Mit anderen Kirchenhistorikern teilt Lill die Einschätzung, dass der päpstliche Zentralismus mit Pius XII. (1939-1958) einen autoritär-aristokratischen Höhepunkt erreichte und danach eine Zäsur durch die Konzilspäpste des II. Vaticanums Johannes XXIII. (1958-1963) und Paul VI. (1963-1978) erfuhr. Eine Rückwendung vom kollegialen Konzilsgedanken sieht der Autor seit der „Wende von 1978“ (S. 205) als mit Johannes Paul II. (1978-2005) eine Restauration des päpstlichen Zentralismus begann, die Benedikt XVI. heute fortsetzt. Als besonders wichtig für die Etablierung des päpstlichen Machtanspruchs werden bei Lill die beiden Kodifizierungen des Kirchenrechts von 1917 (gerade zur Amtszeit von Benedikt XV., der ansonsten vom Autor wegen seiner Offenheit zur Moderne gelobt wird) und 1983 gesehen, die jeweils ohne die Beteiligung eines Konzils verfasst wurden und den päpstlichen Primatanspruch in geltendes Kirchenrecht umsetzten. Auch die Ausdehnung der Papstreisen, die Begründung der Weltjugendtage und den Ausbau eigener päpstlicher Medienorgane durch Johannes Paul II. interpretiert Lill in diesem Sinne.

Wesentlich weniger kritisch wird die Papstgeschichte im zweiten hier zu besprechenden Band des katholischen Theologen Josef Gelmi beurteilt. In seinem Untertitel wird bereits angekündigt, dass es sich um die „Beschreibung einer faszinierenden Institution“ handelt. In der Einleitung heißt es, dass in diesem Zusammenhang „auch sympathische Histörchen“ (S. 11) erzählt werden sollen. Gelmi verfolgt also keinen wissenschaftlichen Anspruch und kommt dementsprechend ohne Anmerkungsapparat aus. Das Buch selbst ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern wirft in 22 Kapiteln einzelne thematische Schlaglichter auf die Institution Papsttum, ohne ein stringentes Gliederungsprinzip erkennen zu lassen. So folgt auf das Kapitel „Papsttum, Protestanten und Anglikaner“, eines über „Die Päpste und die Frauen“ und danach geht es mit „Die Päpste und die Kunst“ weiter. Die Stärke des meist unterhaltsamen Buches sind die handbuchähnlichen Abschnitte zur Organisation der katholischen Kirche und zur Struktur der römischen Kurie, deren institutionelle Verflechtungen für den Außenstehenden oft nicht durchschaubar sind. Ein eigenes Kapitel widmet sich auf fünf Seiten auch dem Tod und den Bestattungszeremonien des Papstes, ohne allerdings auf die Aufbahrung der Leiche oder die Rituale bei der Beisetzung selbst einzugehen. Dass es seit 2001 mit Isidor von Sevilla einen Schutzpatron für das Internet gibt, verrät Gelmi in seinen knappen Ausführungen zum Verhältnis von Papsttum und Medien. Der Autor wartet mit einer Vielzahl solcher kuriosen Details auf, etwa zum völkerrechtlichen Status der Vatikanstadt oder zu den Finanzen des Papstes, deren Zusammenstellung allerdings sehr beliebig wirkt. Insgesamt erinnert das Buch in Aufbau und Inhalt sehr an den in der renommierten C.H. Beck-Wissen Reihe erschienenen Band „Der Vatikan“.2 Beide Titel sprechen die gleiche allgemeine Zielgruppe an, wobei die Publikation aus dem Münchner Verlagshaus wegen ihrer stilistischen Brillanz und inhaltlichen Prägnanz vorzuziehen ist.

Horst Fuhrmann hat in einem Überblick zur Papstgeschichtsschreibung festgestellt, dass „das Angebot von einbändigen, bebilderten und auf ein breiteres Publikum abzielenden Papstgeschichtsbüchern unübersehbar“ sei. 3 Auch wenn der dritte zu besprechende Band „Das große Buch der Päpste“ zu dieser ausufernden Kategorie gehört, so ragt er doch insofern aus der Masse der thematisch einschlägigen Werke heraus, als es sich um einen „auf neueren Stand gebracht[en] und durch verschiedene Quellen ergänzt[en]“ (S. 9) Nachdruck des 1885 erschienenen „Album dei Papi“ von Joseph Hergenröther 4 handelt. Insofern ist das Buch auch ein Beitrag zur Geschichte der Papsttumshistoriographie.

Der Band folgt dem umfassendsten und zugleich konventionellsten Gliederungsprinzip einer Papstgeschichte, denn er stellt die Entwicklung des Papsttums als Abfolge der ungefähr 300 rechtmäßigen oder behaupteten Nachfolger des Apostels Petrus in zwei Jahrtausenden dar. Gerade in dieser ununterbrochenen herrschaftlichen Sukzession gründet sich die Vorrangstellung des römischen Bischofs, seine Legitimation als Oberhaupt der katholischen Kirche, aber auch die Faszination, die das Papsttum bis heute ausübt.5 Dass diese Sukzession zum Teil eine nachträglich konstruierte Abfolge ist, gibt der Autor des Bandes Roberto Monge gleich in seiner Einleitung zu Bedenken. Gerade für die ersten Jahrhunderte handelt es sich bei den als Päpsten aufgeführten Persönlichkeiten eher um bedeutende Mitglieder der römischen Gemeinde, für die meist keine gesicherten Lebens- und Pontifikatsdaten vorliegen.

Trotzdem führt der aufwändig gestaltete Band alle Päpste von Petrus bis zu Benedikt XVI. durchgehend mit einer kurzen Lebensbeschreibung und einem Porträt in Schwarz-Weiß-Radierung auf. Die Ausgabe von Hergenröther wurde insofern aktualisiert, als auch die neun auf Leo XIII. (1878-1903) folgenden Päpste hinzugenommen wurden. Das in der Einleitung avisierte Vorhaben Monges „kurze, auf das Wesentliche konzentrierte Biografien der Päpste zu bieten“ wird durchweg erreicht, so dass dem Band ein Lexikoncharakter zukommt. Ergänzt wird der mögliche enzyklopädische Zugriff durch im Anhang aufgeführte Biographien der Gegenpäpste, nebst Erläuterungen zu ihrer jeweiligen kirchenrechtlich umstrittenen Wahl, ein nützliches Glossar mit den wichtigsten Irrlehren sowie farblich hervorgehobene wichtige Begriffserklärungen am Seitenrand jeder Papstbiographie.

Keinem der drei Bücher gelingt es an die bedeutenden Standardwerke der deutschen Geschichtswissenschaft zur modernen Entwicklung des Papsttums, etwa von Franz Xaver Seppelt, Joseph Schmidlin oder Georg Schwaiger, anzuknüpfen. So richten sich die Titel von Gelmi und Monge in ihrem Unterhaltungs- bzw. Lexikoncharakter eher an ein breites Publikum. Lill dagegen spricht mit seinem lesenswerten Werk ein Fachpublikum an und setzt mit seiner historisch-kritischen Hinterfragung des päpstlichen Zentralismus die Tradition kritischer deutscher Papstgeschichtsschreibung fort, die mit den Namen Johann Nikolaus von Hontheim, Ignaz von Döllinger oder August Bernhard Hasler verbunden ist. Mit seiner These, dass der uns heute selbstverständlich scheinende päpstliche Zentralismus sich erst in den letzten beiden Jahrhunderten durchsetzte, hat er die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Problematik gelenkt. Denn für Lill ist gerade der Ausbau der päpstlichen Macht mit ihrer Betonung des Universalepiskopats und des Jurisdiktionsprimats das wichtigste Hindernis für die aktuell vieldiskutierte Ökumene der katholischen Kirche mit ihren orthodoxen und protestantischen Schwesterkirchen.

Anmerkungen:
1 Auflistung auf der Internetseite des Heiligen Stuhls: 09.04.2008 <http://www.vatican.va/holy_father/leo_xiii/encyclicals/index.htm>.
2 Rossi, Fabrizio, Der Vatikan. Politik und Organisation, 3. akt. Aufl. München 2006 (1. Aufl. 2004).
3 Fuhrmann, Horst, Die Päpste. Von Petrus zu Benedikt XVI., 3. akt. und erweit. Aufl. München 2005 (1. Aufl. 1998), S. 296.
4 Joseph Hergenröther (1824-1890), Professor der Kirchengeschichte in Würzburg, seit 1879 Kardinal und Leiter des Vatikanischen Archivs. Das „Album dei Papi“ verfasste er für Papst Leo XIII. (1878-1903) zum Dank für die Öffnung des Vatikanischen Geheimarchivs.
5 Siehe auch die alljährlich erscheinende offizielle und mit zahlreichen Anmerkungen und Einschränkungen versehene Papstliste am Anfang des päpstlichen Jahrbuchs „Annuario Pontificio“ (zuletzt erschienen im Februar 2008, S. 7-20).

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